10 Lebewesen, die Hitze kalt lässt

Von den Thermalschloten der Tiefsee bis in die Wüsten aller fünf Kontinente: Auch an den heißesten Orten dieser Erde gedeiht das Leben. Die Evolution hat dabei ebenso vielfältige wie erstaunliche Anpassungsstrategien hervorgebracht. Wir stellen zehn Lebewesen und ihre Taktik gegen Hitze vor.

Wärmebildaufnahme eines Schnabeligels

#1 Schnäuzen statt Schwitzen

In den heißen Trockengebieten Australiens bleibt der Kurzschnabeligel (Tachyglossus aculeatus) kaltschnäuzig. Das eierlegende Säugetier sondert Schleimbläschen aus seiner gut durchbluteten Nase ab und kühlt sich durch die entstehende Verdunstungskälte. Je nach Bedarf stellt es außerdem die isolierenden Stacheln auf, um über die dazwischenliegende Haut noch mehr Hitze abzustrahlen.

Kurzschnabeligel auf Nahrungssuche
© IMAGO / imageBROKER / TUNS

#2 Überlebenswichtige Architektur

Flirrende Hitze, wohin man auch schaut – flache Salzpfannen sind ungastliche Orte. Umso wichtiger ist ein kühler Zufluchtsort, den man niemals aus den Augen verlieren sollte. Wüstenameisen der nordafrikanischen Art Cataglyphis fortis bauen dazu einen weithin sichtbaren Hügel über ihren unterirdischen Nestern. Der hilft den nach Nahrung suchenden Arbeiterinnen schnell wieder zurückfinden, denn jede Sekunde zu lang unter der brennenden Sonne kann für sie tödlich enden.

Wüstenameise der nordafrikanischen Art Cataglyphis fortis
© Markus Knaden / MPG

#3 Lebendige Mumie

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Bärtierchen sind in fast jedem feuchten Lebensraum zu finden und Meister darin, extremen Umweltbedingungen zu trotzen – vor allem im „Ruhemodus“. Dabei verlieren sie etwa neunzig Prozent ihres Körperwasseranteils, werden praktisch zur Mumie. In diesem Zustand können manche Arten wie Viridiscus viridianus Temperaturen von bis zu 95 °C überleben. Noch haben Forschende viele Fragen dazu, wie genau die kleinen Wirbellosen das unbeschadet überstehen.

#4 Übers Ohr gekühlt

Meist ist der Rüppellfuchs (Vulpes rueppellii) in der Dämmerung oder nachts auf der Pirsch und lässt es tagsüber ruhig angehen. Sein Körperbau ist ganz auf die heißen Wüsten Nordafrikas eingerichtet: Der klein gewachsene Fuchs strahlt nicht nur über seine im Verhältnis zum Körpervolumen große Körperoberfläche viel Wärme ab, sondern auch über seine großen Ohren. Und statt zu trinken, stillt er seinen Flüssigkeitsbedarf ausschließlich aus der Nahrung.

Rüppellfuchs in der Naehe seines Baus in der Steinwueste am Bougouffa Trail, Marokko
© fuchs_IMAGO_ / blickwinkel AGAMI / V. Legrand

#5 Bleich aber nicht tot

Schnecken in der Wüste? Gibt es! Steppenschnecken (Sphincterochilidae) haben sich ganz auf warme, trockene Lebensräume spezialisiert und sind nur während seltener Niederschläge aktiv. Ansonsten harren sie zurückgezogen in ihrem kalkweißen Gehäuse aus, das durch sein Weiß den größten Teil der Sonneneinstrahlung reflektiert. Außerdem graben sich die Tiere während der für sie nahrungsärmsten Zeit des Jahres ein und halten „Sommerschlaf“.

Eine weiße Steppenschnecke
© IMAGO / Avalon.red

#6 Dreier-WG in heißer Erde

Ob sich durch den Griff ins „Panic grass“ (Dichanthelium lanuginosum) schon so mancher vor einem (zu) heißen Bad gerettet hat? Die nordamerikanische Grasart ist an den Ufern von Thermalquellen oder Geysiren zu finden und kann in bis zu 65 °C heißer Erde wachsen. Das geht nur zu dritt: Die Pflanze beherbergt einen Pilz, der mit einem RNA-Virus infiziert ist. Während die Pflanzenwurzeln schützend Pilz und Virus umhüllen, erhöhen diese gemeinsam auf molekularer Ebene die Toleranz des Grases gegen Hitzestress.

#7 Je heißer desto heller

Wie alle wechselwarmen Reptilien braucht die Nordafrikanische Dornschwanzagame (Uromastyx acanthinura) unbedingt Sonnenwärme, um nach einer kühlen Wüstennacht auf „Betriebstemperatur“ zu kommen. Um im Laufe des Tages trotzdem nicht gefährlich zu überhitzen, lässt die Echse gelbe Hautpartien auf dem zuvor dunklen Rücken zum Vorschein kommen und hellt sich so auf. Während der größten Mittagshitze geht’s außerdem in den tief in den Boden gegrabenen, kühlen Bau.

Eine Nordafrikanische Dornschwanzagame sitzt auf sandigem Boden mit trockenen Zweigen in der Sahara
© IMAGO / imageBROKER / Roland Brack

#8 Manche mögen‘s sehr heiß

Die „Wohlfühltemperatur“ von Pyrolobus fumarii aus der Gruppe der Archaeen liegt bei um die 100 °C, zehn Grad darunter wird es dem Einzeller schon zu kühl. Um bei solchen Temperaturen zu überleben, ist er mit extrem hitzestabilen Proteinen, Stoffwechselmolekülen und DNA ausgestattet. Seine Heimat sind hydrothermale Schlote in der Tiefsee, wo aufgrund des hohen Drucks Wasser auch noch bei über 100 °C flüssig bleibt.

Schwarzer Raucher an einer hydrothermalen Quelle in einem mittelozeanischen Rücken
© picture alliance / World History Archive

#9 Von den Besten „gelernt“

Die Rotalge Galdieria sulphuraria lebt in heißen, schwefeligen und sauren Vulkanquellen, wie denen im Yellowstone National Park. Diesen extremen Lebensraum hat sie sich durch horizontalen Gentransfer erschlossen, also indem sie hilfreiche Gene von extremophilen Archeen und Bakterien importierte. Gerade für Eukaryonten, Organismen mit Zellkern, ist das eine sehr ungewöhnliche Art der genetischen Anpassung.

#10 Heiß-kaltes Wüstenschiff

Die Körpertemperatur eines Dromedars (Camelus dromedarius) kann zwischen 42 °C am Tag und 34 °C in kalten Wüstennächten schwanken, nach menschlichen Maßstäben also zwischen hohem Fieber und Unterkühlung. Diese Toleranz erlaubt es den Huftieren, tagsüber angestaute Hitze nachts wieder abzugeben und morgens kühl in den Tag zu starten. Tagsüber verringert diese Strategie die Notwendigkeit zu Schwitzen und spart so Wasser.

Dromedar durchstreift die Wüste
© IMAGO / Ardea / Steffen & Alexandra Sailer

Extreme LMU-Forschung:

Geobiologe William Orsi erkundet das Leben am Meeresboden der Tiefsee – unter anderem Archaeen.

Botanikerin Julia Bechteler erforscht Pflanzen, die der Hitze und dem Wassermangel in der Wüste trotzen.

Biogeochemiker Gonzalo Gomez-Saez forscht daran, wie mikrobielle Gemeinschaften auf Temperaturveränderungen reagieren.

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