Glühender Asphalt: Städte in Zeiten der Klimakrise
Wärmeinseln, Hitzewellen, Rekordtemperaturen: Wie der Klimawandel Europas Städte aufheizt – und wo es besonders kritisch wird.

Wärmeinseln, Hitzewellen, Rekordtemperaturen: Wie der Klimawandel Europas Städte aufheizt – und wo es besonders kritisch wird.
Man spürt es inzwischen: Es wird wärmer. Wie stark die Erde sich weiter erhitzt, hängt davon ab, welche Maßnahmen wir ergreifen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Stand jetzt hat sich der Planet im Schnitt bereits um ungefähr 1,3 °C im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten erwärmt. „Ausgehend von den aktuellen politischen Maßnahmen – und abhängig davon, welche davon nicht nur versprochen, sondern auch umgesetzt werden – landen wir bis Ende des Jahrhunderts aus heutiger Sicht irgendwo zwischen 2,2 und 3,4 °C globaler Erderwärmung“, sagt Dr. Clemens Schwingshackl vom LMU-Department für Geographie.
Doch die Welt heizt sich nicht überall gleichmäßig auf: Manche Gegenden sind stärker betroffen, andere kommen glimpflicher davon. In seiner Forschung nutzt Schwingshackl Simulationen von Klimamodellen für Europa, um mit einer hohen räumlichen Auflösung lokale Effekte des Klimawandels abbilden zu können. Zum Beispiel, wie sich die jährlichen Höchsttemperaturen quer über den europäischen Kontinent verändern, wenn man von einer durchschnittlichen Erwärmung von 3 °C ausgeht – ein durchaus mögliches Szenario.
2024 lag die weltweite Jahresdurchschnittstemperatur bei 15,1 °C – ein neuer Rekordwert. Das Jahr war auch in Europa mit einer Durchschnittstemperatur von 10,69 °C das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. In die Berechnung der Jahresmitteltemperatur fließen die täglichen Temperaturmessungen der Wetterstationen ein – sowohl die Tages- als auch die Nachtwerte werden dabei berücksichtigt.
„Die jährliche Maximaltemperatur beschreibt die größte Hitze, der die Menschen in einem Gebiet ausgesetzt sind“, erklärt der Klimaforscher. Wo sich diese Extreme nach oben verschieben, steigt die Belastung – insbesondere in urbanen Gebieten. Sie sind auch deswegen besonders relevant, weil ein Großteil der europäischen Bevölkerung in Städten wohnt.
Der Süden Europas erwärmt sich im Verhältnis stärker als der Norden. Eine große Rolle spielt dabei die Austrocknung von Landflächen. Wenn Wasser aus Boden und Vegetation verdunstet, kühlt das die Luft ab. Doch je trockener es wird, desto weniger Wasser steht zur Abkühlung einer Region zur Verfügung. „Den Austrocknungseffekt von Landflächen sehen wir in unseren Simulationen ganz klar: In Europa werden sich die Länder am Mittelmeer dadurch verhältnismäßig stark erwärmen“, so Schwingshackl.
Das Mittelmeer selbst hingegen erwärmt sich nicht so stark, wie die angrenzenden Landregionen. Küstenstädte am Mittelmeer sind deswegen etwas weniger stark betroffen – sie profitieren von der relativen Kühle des Meeres. Südeuropäische Städte im Landesinneren werden in Zukunft also am heftigsten unter der zusätzlichen Hitze leiden.
Bei der Ostsee verhält es sich andersherum: Sie erwärmt sich stärker als das umliegende Land. „Das liegt möglicherweise daran, dass sie sehr flach und von anderen Meeren weitestgehend abgeschnitten ist“, mutmaßt Schwingshackl. Küstenstädte wie Kopenhagen, Helsinki und Stockholm sind deshalb stärker von höheren Maximaltemperaturen betroffen als nordeuropäische Städte, die weiter weg von der Küste liegen. Nordeuropäische Städte erreichen dabei nicht dieselben Hitzerekorde wie Südeuropa, Nordeuropäer sind die Hitze aber auch weniger gewohnt.
Clemens Schwingshackl
„Wenn es in Athen oder Rom mal 35 °C hat, ist das nicht außergewöhnlich“, meint Schwingshackl. „Wenn es in Oslo oder Stockholm hingegen 35 °C hat, ist die Bevölkerung nicht daran gewöhnt, das über längere Zeit auszuhalten, und die Infrastruktur ist auch nicht darauf ausgerichtet.“ Um diesem Faktor Rechnung zu tragen, berücksichtigt Schwingshackl auch noch einen anderen Indikator: Den Hitzewellenindex. Dieser beschreibt Hitzewellen im Verhältnis zum üblichen lokalen Klima.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Zwar liegen Städte in Mitteleuropa, auch was die Veränderungen durch den Klimawandel angeht, eher im europäischen Mittelfeld – das heißt aber nicht, dass die Hitze sie verschont. Bereits heute liegt die Zahl der heißen Tage (mit Maximaltemperaturen über 30 °C) deutlich höher als noch vor ein paar Jahrzehnten.
Schwingshackl erklärt das beispielhaft an der bayerischen Landeshauptstadt. „Der Trend ist eindeutig: In den letzten 30 Jahren gab es in München einen klaren Anstieg der heißen Tage.“ Werte, die früher nur in extrem warmen Sommern vorkamen, seien in den letzten fünf bis zehn Jahren zum Normalzustand geworden. „Zehn Tage über 30 °C waren früher eine Ausnahme in sehr heißen Sommern – doch seit Mitte der 2000er lag eigentlich fast jedes Jahr um oder über diesem Wert.“
Und dann gibt es in der jüngeren Vergangenheit ein paar Extrem-Sommer: 2003 und 2015 gab es jeweils mehr als 30 heiße Tagen, also mehr als ein Monat über 30 °C. „Das ist fast doppelt so viel wie das vorherige Maximum vor 2003. Das gab es früher nie.“
Solange fossile Emissionen weiter ansteigen, wird sich der Trend der letzten Jahre und Jahrzehnte höchstwahrscheinlich fortsetzen. Das zeigen Schwingshackls Projektionen für die Stadt München eindeutig. Je weiter die globale Erwärmung fortschreitet, desto mehr heiße Tage wird es in München voraussichtlich geben. Die schwarze Linie in Infografik 2 zeichnet das Mittel verschiedener Klimamodelle für Klimaszenarien von 1,3°C (was in etwa dem Status quo entspricht) bis 4 °C globaler Erwärmung.
Clemens Schwingshackl
Es gibt dabei aber auch einen großen Unsicherheitsbereich in den Prognosen. „Die Zahl der heißen Tage kann auch weniger hoch oder aber deutlich höher ausfallen“, sagt der Forscher. Bei den Modellen für das 3 °C-Szenario landet München im Durschnitt bei 30 heißen Tagen über 30 °C – also jedes Jahr so viele wie heute in Extremjahren. Manche der Modelle sagen „nur“ 20 heiße Tage voraus – andere aber über 50. „Das sind nicht die wahrscheinlichsten Szenarien, aber sie sind statistisch durchaus auch möglich.“
Es gibt allerdings Gründe zur Annahme, dass die Modelle den Hitzeanstieg tendenziell eher unterschätzen. Einer davon sind Trends in der Luftverschmutzung, die in den Modellen derzeit noch nicht berücksichtigt werden. Aerosole in der Luft kühlen das örtliche Klima. Für Europa geht man aber davon aus, dass mit besseren Filtern und mehr Elektromobilität die Luft in Zukunft klarer wird. Das ist generell der Gesundheit förderlich, verstärkt aber den Temperaturanstieg in der Stadt.
Wenn das Klima sich erwärmt, leiden Städte besonders stark darunter. Das liegt auch am sogenannten Wärmeinseleffekt. Die Bodenversiegelung durch Straßen und Gebäude führt dazu, dass weniger Abkühlung durch Wasserverdunstung stattfindet als im Umland. Hinzu kommt, dass Beton und Asphalt Hitze speichern. Sie heizen sich tagsüber sehr stark auf und geben diese Wärme dann in der Nacht ab, wodurch es in Städten nachts erheblich weniger abkühlt. Außerdem behindern hohe Gebäude den Wind, der Hitze aus heißen Gebieten abtransportieren kann.
Ein weiterer Faktor ist der Albedo-Effekt. Hellere Flächen reflektieren mehr Sonnenlicht, während dunklere Flächen, wie dunkel asphaltierte Straßen, Licht absorbieren und in Wärme umwandeln. Und schlussendlich produzieren Städte selbst Wärme. Die enormen Mengen an Energie, die sie verbrauchen – Autoverkehr, Elektrogeräte, Klimaanlagen – wird im Endeffekt immer in Wärme umgewandelt.
Auch München ist eine Wärmeinsel. Wer Abkühlung sucht, sollte dort hingehen, wo es Pflanzen und Wasser gibt: in Parks wie den Englischen Garten oder in die Gebiete entlang der Isar. Besonders stark erhitzen sich Bereiche, die stark versiegelt sind. „Das ist einerseits die Altstadt, auch der Bereich um den Hauptbahnhof und das Gleisfeld, das von dort aus der Stadt führt“, beschreibt Schwingshackls Kollege Gereon Seeberg, der eine Wärme-Karte der Oberflächentemperaturen in und um München für den Sommer erstellt hat.
Clemens Schwingshackl
Dr. Clemens Schwingshackl forscht am Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme. | © Astrid Arnslett/CICERO
In den weniger zentralen Stadtgebieten fällt vor allem das BMW-Areal im Norden auf: ein extremer Hotspot. „Das liegt an den riesigen dunklen Dachflächen, die BMW in seinem Industriegebiet hat“, sagt Seeberg. Industriegebiete, die solche riesigen Dachflächen haben, fallen auch in anderen Städten hitzetechnisch auf.
Diese Erkenntnis hilft, mögliche Lösungen auszuarbeiten: „Studierende in einem meiner Seminare haben kürzlich ein Begrünungskonzept für diese BMW-Flächen und den Hauptbahnhof erstellt, um sie mit relativ einfachen Mitteln abzukühlen“, sagt Schwingshackl.
Allgemein gilt: Städte mit vielen Grünflächen sind normalerweise weniger von Hitze betroffen. Gerade wenn das Grün sich mit der Bebauung vermischt, profitiert die Bevölkerung, weil die Abkühlung dann nicht nur im Park, sondern auch in den Wohnhäusern und Büros ihre Wirkung entfaltet. Intelligente und vorausschauende Stadtplanung kann also dazu beitragen, die Hitze in der Stadt abzumildern und sich für die Zukunft zu wappnen.
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