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„Auf keinen Fall sieben Stunden vor dem Schreibtisch brüten!“

27.02.2015

Am 5. März findet zum ersten Mal die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ an der LMU statt. Die Leiterin des Schreibzentrums der LMU, Dr. Bärbel Harju, über individuelle Schreibstrategien, Tipps für den perfekten Schreibfluss und Hilfen gegen...

Brauchen Studierende so eine Nacht, um endlich ihre Hausarbeiten zu Ende zu schreiben? Bärbel Harju: Studierende können ihre Hausarbeiten natürlich auch alleine fertigschreiben – vielleicht aber mit mehr Schmerzen und Tränen. Eine lange Nacht gemeinsamen Schreibens fernab vom Schreibtisch sorgt jedoch für eine andere Stimmung beim Schreiben, die Motivation ist größer, die Atmosphäre produktiv: So hat man einen Ansporn, sein Projekt anzugehen. Und wenn man zwischendrin Fragen hat, kann man sich schnell und unkompliziert beraten lassen. Vor allem, wenn eine Deadline naht, spart das den Studierenden Zeit: Unsere Schreibberater sind bereits vor Ort und Studenten müssen nicht auf eine Sprechstunde beim Professor warten. Außerdem gibt es einen Motivationscoach, der denjenigen hilft, die gerade eine Schreibblockade überwinden müssen. Der Spaß am Schreiben soll jedoch im Vordergrund stehen.

Warum gibt es jetzt eine „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ an der LMU? Die Idee, eine Lange Nacht zu veranstalten, gibt es schon länger. Erfunden wurde das Konzept an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), mittlerweile öffnen jedoch weltweit Schreibzentren eine Nacht lang ihre Türen. An der LMU gibt es jetzt zum ersten Mal die Lange Nacht, da wir gerade erst im Januar an der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften ein Schreibzentrum gegründet haben. Die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ ist für uns eine tolle Auftaktveranstaltung, um das Schreibzentrum bekannt zu machen und sich mit anderen Schreibzentren in Deutschland weiter zu vernetzen. Unser Schreibzentrum befindet sich zwar gerade noch in den Kinderschuhen, aber wir haben große Pläne und wollen es weiter ausbauen.

Die „Lange Nacht“ beginnt um 16 Uhr und endet um 23 Uhr: Sollen Studenten wirklich sieben Stunden vor ihrem Laptop sitzen und an ihrer Hausarbeit schreiben? Nein, natürlich nicht. In der Langen Nacht gibt ein breites Programm für die Teilnehmer: Wir zeigen Entspannungs- und Auflockerungsübungen für zwischendurch, man kann beim Schreibtischyoga mitmachen und eine unserer Tutorinnen wird einen kleinen Nachtspaziergang anbieten, damit man auch mal an die frische Luft kommt. Auf keinen Fall sollte man sieben Stunden lang vor seinem Schreibtisch brüten! Wir empfehlen, nach einer Stunde Arbeit zehn bis fünfzehn Minuten Pause zu machen – länger kann man sich nicht gut konzentrieren. Dieser Rhythmus ist gut für den Schreibfluss.

Wie helfen Sie denjenigen, die mit ihrer Arbeit nicht vorankommen? Zunächst würde ich Ihnen raten, in den parallel stattfindenden Workshop des Motivationstrainers zu gehen. Außerdem hilft es, sich selbst Fragen zu stellen, um herauszufinden, wo eigentlich das Problem liegt. Man muss versuchen, individuelle Schreibstrategien zu entwickeln: Ist zum Beispiel meine Fragestellung einfach zu breit, sodass ich keinen roten Faden in meiner Arbeit finde? Oder sind es private Probleme, die mich vom Schreiben abhalten? Vielleicht ist es auch die erste Hausarbeit, die man im Studium schreiben muss. Viele trauen sich angesichts dieses riesigen Bergs Arbeit nicht, einfach loszulegen. Ich rate Studierenden, so schnell wie möglich mit dem Schreiben anzufangen. Die ersten Zeilen müssen nicht perfekt ausformuliert sein und vielleicht bleibt am Ende der Arbeit nichts davon stehen. Aber es ist wichtig, diese Angst vor diesem weißen Blatt Papier zu verlieren und zumindest ein paar Zeilen zu Papier zu bringen.

Was sind die Gründe für ein Aufschieben der Hausarbeit? Viele Studierende wissen einfach nicht, wie sie produktiv schreiben sollen. Das heißt, sie haben ihre individuelle Schreibstrategie noch nicht entdeckt. Dazu kommen auch viele Störfaktoren wie Handy und Internet. Studierende haben oft auch eine unklare Vorstellung von der eigenen Aufgabe und meist keinen Zeitplan oder sie schaffen es nicht, sich der große Aufgabe in kleinen Schritten zu nähern. Und das lähmt natürlich.

Welche Probleme haben Studenten besonders häufig beim wissenschaftlichen Schreiben? Am häufigsten ist das vermutlich die „Aufschieberitis“: Man sitzt vor einem leeren Blatt Papier und fängt nicht an, zu schreiben. Studierenden fällt es zudem auch schwer, eine wissenschaftliche Arbeit zu strukturieren: Wie erstelle ich eine sinnvolle Gliederung? Wie stelle ich eine sinnvolle Forschungsfrage? Und was ist eine starke These? Oft ergehen sie sich im Detail und finden den roten Faden nicht.Ein weiteres wichtiges Thema ist die Wissenschaftssprache: Wenn ich als Student eine Arbeit über internationale Sicherheitspolitik schreiben möchte, sollte das eben nicht nach Erlebnisaufsatz klingen. Ich empfehle gerade Studienanfängern, viel wissenschaftliche Literatur zu lesen – denn auch dadurch lernt man das Schreiben.

Geht es bei der Langen Nacht auch um eine gute, ruhige Arbeitsatmosphäre? Ja, die Idee dahinter ist zum einen, den Studierenden einen stillen Raum anzubieten, in dem sie wirklich konzentriert arbeiten können. Natürlich sollen sie sich auch zwischendrin im Schreibcafé einen Kaffee holen, sich beraten lassen oder mit anderen Studierenden über ihre Arbeit reden. Zum anderen motiviert es viele Studenten, wenn sie sehen, dass andere Leute arbeiten. Diesen Effekt sieht man ja auch oft in Bibliotheken: Studierende sind zuhause vielleicht nicht produktiv, in der Bibliothek, wo viele andere ebenfalls lernen, klappt es dann auf einmal.

Auf der Langen Nacht bieten Sie Entspannungs- und Auflockerungsübungen, Schreibtischyoga und auch einen Spaziergang für Studierende an: Haben Studenten zu viel Stress? Ich finde schon, dass Studierende viel Stress haben und zwar heutzutage mehr als früher. Das liegt meist an den modularisierten Studiengängen, in denen die Abgabefristen für Hausarbeiten viel strenger sind. Im alten Magisterstudium konnte man sich die Semesterferien selbst mehr oder weniger frei einteilen. Heute erzählen mir viele Studierende, dass sie innerhalb von drei Wochen drei Seminararbeiten schreiben müssen. Das ist einfach wahnsinnig viel.Zudem hat bei den Studierenden eine Art Paradigmenwechsel stattgefunden: Haben sie früher einfach mal etwas ausprobiert – auch wenn sich dadurch das Studium um ein Semester verlängert hat – haben Studenten heute oft große Angst davor, ein Semester zu verlieren.

Was müssen Studierende zur langen Nacht mitbringen? Sie sollten nur Ihren Laptop mit ihrem Schreibprojekt mitbringen – den Rest bringen wir: Getränke, Snacks, Obst. Wir bieten eine Schreibberatung an und Räume, in denen sie ungestört arbeiten können. Was sie natürlich gerne mitbringen können, sind Fragen: Am besten natürlich konkrete Fragen – aber man kann auch einfach mit einem großen Fragezeichen im Gesicht vorbeikommen. Aufgabe der Schreibberater ist es ja auch, herauszufinden, was eigentlich das Problem beim Schreiben ist.

Die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ findet am Donnerstag, den 5. März von 16 bis 23 Uhr im Lehrturm am Professor-Huber-Platz 2, Raum W401 statt. Um eine Anmeldung wird bis zum 4. März gebeten.

Dr. Bärbel Harju ist die Leiterin des Schreibzentrums an der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften der LMU.

Interview: Constanze Drewlo

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