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Bindeglied zwischen Kunstbetrieb und Universität

22.01.2019

Der international bekannte Künstler Thomas Vinson ist der erste Teilnehmer des vom Institut für Kunstpädagogik der LMU ausgerichteten Programms „Artist in Residence“. Sowohl der Bildhauer als auch die Studierenden profitieren von dem bundesweit einzig...

Nahaufnahme eines Werks des Artist in Residence 2018/19.

Die Ausstellung "monachium" des Künstlers Thomas Vinson ist noch bis zum 15. Februar 2019 in der Bayerischen Akademie der | © Philipp Thalhammer / LMU

Isabel will, dass ihr Kunstwerk am Ende perfekt ist. Die Lehramtsstudentin blättert durch eine Mappe ihres Kunstprojekts, die auf einer Werkbank liegt. Dort sind zahlreiche Fotos eines kleinen Distelfelds zu sehen. Ein ums andere Mal fragt die 44-Jährige Thomas Vinson um Rat, will etwa wissen, ob die Größe des Felds passt? „30 mal 30 Zentimeter wären besser“, lässt sie der erfolgreiche Künstler wissen. Stets antwortet er ihr ruhig und umfassend, rät ihr etwa auf den von ihr zum Konservieren der Blätter verwendeten Lack zu verzichten und sich eine Alternative zu überlegen. Isabel ist bereits nach einigen Minuten begeistert, schwärmt regelrecht: „Das ist einfach super, wenn man so einen erfahrenen Experten da hat.“

Der in Gießen und Paris lebende deutsch-französische Vinson leitet an diesem kalten Dezembertag ein Seminar am Institut für Kunstpädagogik der LMU. Er ist der erste Stipendiat von „Artist in Residence. Kunst-Konzept- Vermittlung“. Das Programm ist ein Kooperationsprojekt des Instituts für Kunstpädagogik, dem Kulturreferat der Stadt München sowie der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

„Eine Auszeichnung mit weitreichender Strahlkraft“

Der Bildhauer Vinson ist der erste Resident, weitere sollen folgen. Von November bis Februar bewohnt er nun das schicke städtische Ebenböck-Haus in Pasing. Für die Unterbringungskosten kommt das Kulturreferat auf. Und in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste erhält der Künstler die Möglichkeit, am Ende seiner Gastzeit eine Einzelausstellung auszurichten. „Das ist eine Auszeichnung mit weitreichender Strahlkraft“, erläutert Professorin Anja Mohr, Leiterin des Institutes für Kunstpädagogik.

Die Ausstellung „monachium“ des Künstlers Thomas Vinson ist noch bis zum 15. Februar 2019 in der Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3, 80539 München, zu sehen. Die Vernissage ist am 23. Januar 2019, 19 Uhr. Foto: Philipp Thalhammer / LMU

Ziel des „Artist in Residence“-Programms ist Mohr zufolge eine „wirksame Kooperation zwischen Wissenschaft, Kunst und Kultur“. Auch solle „das weite Feld der künstlerischen Vermittlung durch internationale sowie bundesweite Vernetzung und Nachwuchsförderung im Bereich der Kunstvermittlung und Kunstpädagogik gestärkt werden“, sagt die Professorin für Bildende Kunst und ihre Didaktik. Das Lehrkonzept sei „stark praxisorientiert“. Ein Residence-Programm, das direkt am Institut für Kunstpädagogik angesiedelt ist und die Vermittlungsarbeit speziell auf Studierende der Kunstpädagogik ausgerichtet hat, sei in Deutschland einzigartig, so Mohr. Es gehe aber nicht nur um die internationale Bekanntheit eines Künstlers, sagt sie und fügt hinzu: „Wichtig ist, dass der Resident seine Kunst den Studenten auch vermitteln kann. Er oder sie muss formulieren können.“

Vinson erfüllt beide Kriterien. Er habe sich in der europäischen Kunstszene einen Namen gemacht. Seine Werke, die er etwa aus Industriematerialien oder Holz kreiert, erzielen mitunter hohe Preise. Anders als viele in seiner Branche kann der 48-Jährige von seinem Beruf auch tatsächlich leben.

Zugleich hat er jahrelange Hochschulerfahrung. Von 2013 bis 2018 lehrte er an der Justus-Liebig-Universität in Gießen am Institut für Kunstpädagogik, und seit 2014 unterrichtet er zudem im Fachbereich Architektur „Plastisches Gestalten“ und „freies Zeichnen“ an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Er selbst hat Ende der 1990er-Jahre Bildhauerei in den USA studiert.

Im Ebenböck-Haus, sagt Vinson, fühle er sich sehr wohl. Sein Zimmer ist lichtdurchflutet. Auf zwei langen Tischen aufgereiht liegen mehrere seiner plastischen Kunstwerke und einzelne Skizzen. Eines der Exponate sieht für den Laien auf den ersten Blick aus wie ein leicht deformiertes Holzscheit, beinahe wie ein Abfallprodukt aus einem Sägewerk. Doch lässt sich der Betrachter auf die Kunstwerke ein, so entdeckt er rasch die Schönheit in den teils etwas futuristisch anmutenden Formen. Vinson verwendet neben Holz eine Vielzahl an Werkstoffen, so etwa Pappe oder diverse Industriematerialien. „Ich versuche, dem Material etwas Sensibles zu entlocken“, sagt er.

Manches Geheimnis der Werke enthüllt sich erst auf den zweiten Blick. So etwa ein schwarzes Kreuz mit einem darüber gezeichneten Halbkreis. Kaum ein Betrachter dürfte erkennen, dass es sich dabei um eine exakte Kopie des gelben Musters auf dem schwarzen Gewand des Münchner Kindls handelt. „Es gibt Dinge, die begegnen einem oft im Alltag, aber man erkennt sie nicht immer“, erläutert Vinson.

Kunst des Alltags

Der Deutsch-Franzose inspiriert sich nach eigener Aussage „durch Wahrnehmung des Alltäglichen, durch Berührungspunkte, mit visuellen wie materiellen Strukturen, die zunächst unterschiedlichsten Bereichen wie beispielsweise der Architektur, der Industrie oder auch dem Alltag entnommen werden“. Durch gezielte Materialveränderung oder -verfremdung solle in seinen Werken „eine neue Wahrnehmung erfahrbar werden“. Der Maler und Bildhauer will durch die Umsetzungsprozesse und Ergebnisse vor allem die Frage einer „Ästhetik der Dinge und deren Bedeutsamkeit diskutieren“.

Letztlich sollen bei Vinson Material und Form eine Einheit bilden, „in der die individuellen Eigenschaften der stofflichen Beschaffenheit und der gewählten Oberflächen zu formdefinierenden Strukturen werden“, beschreibt Mohr das Wirken des Gasts aus Hessen. Auch für die Zukunft wolle man Künstler wie Vinson gewinnen, „die auch noch brennen“. Mohr ist neben Günter Stöber, Leiter der Lehramtsstudiengänge am Institut, die Initiatorin des Projekts.

Innerhalb eines Seminars entwickeln Studierende wie Isabel gemeinsam mit Vinson und dem Lehrbeauftragten Thomas Eichinger einen Ausstellungskatalog. „Die Studierenden haben so die Möglichkeit, bereits während ihrer universitären Ausbildung ein späteres Berufsfeld intensiver kennenzulernen, indem sie gemeinsam mit Vinson etwa Katalogtexte verfassen, das Layout entwickeln und geeignetes Bildmaterial zusammenstellen“, erläutert Mohr. Zudem gibt es im Rahmen der Ausstellung noch ein Kunst vermittelndes Projekt, das am Institut gemeinsam mit Studierenden entwickelt und dann in der Ausstellung vorgestellt wird.

Auch die nächste Residentin steht schon fest: Von November 2019 bis Februar 2020 ist die ägyptische Fotokünstlerin Rana El Nemr an der Isar zu Gast. (Tobias Lill)

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