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Blockade an ungewohnter Stelle

12.07.2016

Antibiotika aus der Gruppe der sogenannten Orthosomycine setzen an einer völlig anderen Bindungsstelle in Bakterien an als andere Antibiotika, wie LMU-Wissenschaftler zeigen. Diese Entdeckung könnte helfen, bessere Wirkstoffe gegen multiresistente Kei...

Multiresistente Bakterien, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, sind in der Medizin ein immer größeres Problem. Die Entwicklung neuer Medikamente ist deshalb dringend erforderlich. Biochemische Untersuchungen deuten darauf hin, dass sogenannte Orthosomycin-Antibiotika eine wirksame Alternative sein könnten. Wissenschaftler um Dr. Daniel Wilson vom Genzentrum der LMU haben nun in Kooperation mit Kollegen um Dr. Scott Blanchard von der Cornell University (USA) und Dr. Yury Polikanov von der University of Illinois at Chicago (USA) zwei Orthosomycine strukturell charakterisiert und ihren Wirkmechanismus aufgedeckt. Ihre Ergebnisse, über die sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin PNAS berichten, sind eine wichtige Ausgangsbasis für die weitere Optimierung dieser Wirkstoffe, um sie gezielt gegen multiresistente Keime einsetzen zu können.

Orthosomycine unterscheiden sich strukturell von anderen Antibiotika, die Moleküle sind im Vergleich sehr langgestreckt. Wie die meisten Antibiotika docken Orthosomycine an den bakteriellen Proteinfabriken – den Ribosomen – an. Dort verhindern sie die Herstellung neuer Proteine, die für das Überleben und die Vermehrung der Krankheitserreger notwendig sind. „Wir haben nun für zwei dieser Orthosomycine, Evernimicin und Avilamycin, mithilfe hoch aufgelöster kryo-elektronenmikroskopischer Bilder untersucht, an welcher Stelle genau sie binden“, sagt Stefan Arenz, Mitarbeiter in Wilsons Team und Erstautor der Studie. „Auf diese Weise konnten wir zeigen, dass diese Antibiotika an einer bisher unbekannten Bindungsstelle im Ribosom andocken.“

Die neue Bindungsstelle liegt in einer bestimmten Windung des Ribosoms und ermöglicht, dass Evernimicin und Avilamycin gleichzeitig sowohl an ribosomale RNA als auch an ribosomales Protein binden. „Weil es eine völlig andere Bindungsstelle als bei anderen Antibiotika ist, gibt es keine Kreuzresistenzen gegen andere Antibiotika“, sagt Arenz. Mithilfe zusätzlicher Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer (FRET)-Analysen konnten die Wissenschaftler auch aufklären, auf welche Weise die Orthosomycine das Ribosom lahm legen: Damit Proteine synthetisiert werden können, muss sogenannte tRNA zunächst mit einem Ende an das Ribosom binden und dann mit ihrem anderen Ende in das aktive Zentrum des Ribosoms hinein „schwingen“. „Evernimicin und Avilamycin blockieren dieses Hineinschwingen, da sie der tRNA räumlich im Weg sind“, erklärt Arenz. „Dadurch wird die Proteinproduktion im Ribosom stillgelegt.“PNAS 2016

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