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Blubbernde DNA-Tröpfchen

30.06.2020

Aus Zellbestandteilen gebildete Flüssigkeitströpfchen zeigen eine eigentümliche Reaktion auf Enzyme. Warum, erklärt ein internationales Forscherteam.

Kochendes Wasser

Überraschendes Verhalten:

Enzyme können dazu führen, dass DNA-Tröpfchen plötzlich anfingen zu sprudeln und wie kochendes Wasser aussahen. | © imago images / imagebroker

Im Englischen gibt es eine Redewendung: „A watched pot never boils“ – in einem Topf kocht es niemals, solange man danebensteht und darauf wartet. Forscher der LMU und der University of California in Santa Barbara (UCSB) konnten nun zeigen, dass es hier durchaus Ausnahmen gibt. Etwa wenn man Flüssigkeiten beobachtet, die sich aus DNA bilden. Aktuelle Forschungsarbeiten in der Zellbiologie haben gezeigt, dass molekulare Komponenten lebender Zellen (wie DNA und Proteine) tropfenartig aneinanderbinden können, ähnlich wie sich Öltröpfchen in geschüttelter Salatsoße bilden. Die Tröpfchen können wiederum mit anderen Zellbestandteilen in Wechselwirkung treten, um so lebenswichtige Prozesse auszuführen. Bislang ist nur wenig darüber bekannt, wie diese Wechselwirkungen funktionieren. Um einen Einblick in diesen grundlegenden Prozess zu gewinnen, nutzte das internationale Forscherteam bei seinen Experimenten an der LMU moderne Methoden der Nanotechnologie. Die Physiker entwickelten ein Modellsystem für ein Flüssigkeitströpfchen, das aus DNA-Partikeln gebildet wird, und beobachteten im Experiment, wie diese Tröpfchen mit einem DNA-spaltenden Enzym in Wechselwirkung traten.

Überraschenderweise stellten sie fest, dass die Zugabe des Enzyms in bestimmten Fällen dazu führte, dass die DNA-Tröpfchen plötzlich anfingen zu sprudeln und wie kochendes Wasser aussahen. „Das Bizarre an der sprudelnden DNA ist, dass wir das System nicht erhitzt haben – es ist, als ob ein Topf mit Wasser zu kochen anfängt, obwohl man vergessen hat, den Herd anzustellen“, sagt Professor Omar Saleh von der UCSB, einer der beiden Projektleiter. Das Sprudeln trat jedoch nicht immer auf – manchmal führte die Zugabe des Enzyms auch dazu, dass die Tröpfchen langsam wegschrumpften, und es war nicht klar, warum die eine oder andere Reaktion auftrat.

Um diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, führten die Physiker zahlreiche Präzisionsexperimente durch, um Schrumpf- und Blasenverhalten zu quantifizieren. Sie fanden heraus, dass es zwei Arten von Schrumpfverhalten gab. Das erste entstand, wenn die Enzyme die DNA nur an der Tröpfchenoberfläche zerschnitten, und das zweite, wenn die Enzyme in das Innere des Tröpfchens eindrangen. „Diese Beobachtung war entscheidend für die Entschlüsselung des Verhaltens“, sagt Physiker Tim Liedl, Professor an der LMU, wo die Experimente durchgeführt wurden. „Denn dadurch kam uns der Gedanke, dass das Enzym anfangen könnte, von innen an den Tröpfchen zu knabbern.“

Durch den Vergleich der Tröpfchenreaktion mit dem Aufbau der DNA-Partikel klärte das Team den Zusammenhang: Blasenbildung und das Schrumpfen, bei dem Enzyme in den Tropfen eindringen, traten zusammen auf, aber nur dann, wenn die DNA-Partikel nur leicht aneinander gebunden waren. Stark gebundene DNA-Partikel hingegen hielten das Enzym an der Außenseite. „Es ist, als würde man versuchen, durch eine Menschenmenge zu gehen", erklärt Saleh. „Wenn die Menschen fest Händchen halten, kommt man nicht durch.“Die Blasen entstehen also nur in den leicht gebundenen Systemen, wenn das Enzym durch die DNA-Partikel in das Innere des Tröpfchens gelangen kann und beginnt, das Tröpfchen von innen her zu zerfressen. Die durch das Enzym erzeugten chemischen Fragmente führen zu einem osmotischen Effekt, bei dem Wasser von außen angesaugt wird. Dadurch entsteht ein Quellphänomen, das wiederum die Bläschen erzeugt. Die Bläschen wachsen, erreichen die Oberfläche der Tröpfchen und geben dann die Bruchstücke in einem rülpserartigen Ausbruch von Gas frei. „Es ist ziemlich eindrucksvoll zu beobachten, wie die Blasen anschwellen und immer wieder aufplatzen“, sagt Liedl.

Die Arbeit zeigt eine komplexe Beziehung zwischen den grundlegenden Materialeigenschaften einer biomolekularen Flüssigkeit und ihren Wechselwirkungen mit externen Komponenten. Die Forscher sind überzeugt, dass ihre neuen Erkenntnisse sowohl zu besseren Modellen lebender Prozesse als auch zu besseren Möglichkeiten führen werden, Flüssigkeitströpfchen zu entwickeln, die sich als synthetische Bioreaktoren verwenden lassen.

Möglich machte die gemeinsame Forschungsarbeit die Humboldt-Gesellschaft durch den Friedrich Wilhelm Bessel-Preis für Omar Saleh. So konnte er in München direkt mit Tim Liedl am Projekt arbeiten. „Diese Art der internationalen Zusammenarbeit ist offensichtlich äußerst produktiv und fruchtbar“, sagt Saleh. (UCSB/LMU)PNAS 2020

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