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Botschafter für ihr Fach

26.02.2020

Einblicke in einen Studiengang oder einfach generelles Interesse am Thema? Egal welches Studienfach, die Chancen stehen gut, dass es einen Studiumsblog dazu gibt. Aber wieso wird man eigentlich Studiums-Influencer?

Martin ist eigentlich gar keine Rampensau. Er ist eher der ruhige Typ, den man sich besser mit einem Buch als vor einer Kamera vorstellen kann. Trotzdem hängen regelmäßig Hunderte Menschen an seinen Lippen. Der Grund: Er ist nicht nur ein, sondern Der Medizinstudent. Unter seinem Pseudonym stellt er Videos zu medizinischen Themen auf Youtube. Mal geht es um das Coronavirus oder den Fuchsbandwurm, mal geht es um die Facharztspezialisierung.

Aber ob bei Wissens- oder Studiumsthemen: Immer geht es ihm darum, zu informieren. „Ich kenne es selbst aus meinem Studium und der Zeit davor, dass es viele Fragen gibt, auf die man keine Antwort findet oder nicht weiß, an wen man sich wenden soll“, erzählt der angehende Arzt. Für seine Kommilitonen und Zuschauer versteht er sich deswegen als Vermittler. Schauen Anästhesisten nur Patienten beim Schlafen zu? Worüber sich viele Studierende wundern, fragt er nach. Einmal, zu Beginn seines Studiums, wurde er deswegen schon von einem Kommilitonen erkannt. Auf dem Jura-Studygram geht es tierisch zu

Ana-Laura wiederum kann weitgehend unerkannt über den Campus spazieren. Das prägende Gesicht ihres Studiumsblogs ist immerhin das von Milli, ihrer Katze. Auf ihrem Studygram @juranotalone, einem Instagram-Account mit dem Fokus Studium, schreibt sie über Tage in der Bib, Klausuren und darüber, was Neuanfänger im Jurastudium erwartet. Sie verfolgt einen anderen Ansatz als Martin: Bei ihr steht das studentische Tagesgeschäft im Mittelpunkt. Für viele Studieninteressenten ist sie deswegen eine Anlaufstelle, wenn es um Fragen oder Probleme im Studium geht.

Was Martin und Ana-Laura gemeinsam haben: Schon zu ihrem eigenen Studienbeginn hätten sie sich gewünscht, dass es mehr solcher Kanäle gegeben hätte. Universitäten bieten Interessenten zwar mit Studienorientierungstagen und Studienberatungen zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren, aber Studiumsblogs vermitteln authentische und ungefilterte Einblicke – jederzeit und anonym zugänglich. So ist die Hemmschwelle, mal nachzufragen, bei Bloggern weitaus niedriger als bei großen Institutionen. „Wenn mich jemand mit einem Problem anschreibt, können sie sich ziemlich sicher sein, dass ich auch einmal in der Situation war“, erklärt Ana-Laura. „Vielleicht traut man sich so auch eher, etwas anzusprechen, was einem eigentlich unangenehm wäre.“ Buchwissenschaft online

Der Blog Munich Bookster hat sich für Interessenten am Buchwissenschaft-Master als Informationsquelle etabliert. Bis heute ist der meistgelesene Post des Buchwissenschaftsblogs ein Beitrag zur Zulassungsprüfung des Masters. Auch die LMU-Studentinnen Annika und Ronja landeten während ihrer Recherche so erstmals auf der Webseite. Heute sind sie Teil eines ganzen Teams, denn Munich Bookster ist mehr als nur der Studienblog. Semester für Semester engagieren sich Studierende im Rahmen eines Seminars in dem Projekt. Mit der Unterstützung von LMU-Dozent Stefan Salamonsberger planen sie Bücherverkäufe und Stände auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt und kümmern sich dabei vom Design bis zur Finanzierung um alles, was anfällt.

Munich Bookster zeigt, wo es nach dem Studium hingehen kann und wie die Arbeitswelt als Buchwissenschaftler aussieht. „Das macht es auch so spannend, an dem Projekt mitzuarbeiten“, sagt Masterstudentin Ronja. „Wir können neue Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen, die uns später einmal zugutekommen können.“ Annika und Ronja empfehlen zwar jedem, auch selbst mal in die Praxis zu schnuppern, aber der Blog und die Social-Media-Auftritte der Bookster würden auch diejenigen davon profitieren lassen, die selbst keine Zeit dafür haben. Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung

Und Zeit kostet so ein Kanal durchaus. Viele Stunden pro Woche investiert Martin in seinen Youtubecontent. Aber wieso das Ganze? „Das ist für mich auch einfach ein Hobby. Videos zu drehen und zu schneiden entspannt mich“, erzählt Der Medizinstudent. „Im Zweifel geht das Studium aber immer vor.“ @juranotalone begann dagegen ursprünglich als Methode zur Selbstmotivation. „Ich hatte einen Durchhänger im Studium und dachte, dass mir so eine Art Studiumstagebuch vielleicht helfen würde“, erinnert sich Ana-Laura. Heute ist es nicht mehr die selbstauferlegte Verpflichtung, sondern die Interaktion mit ihren Followern, die sie weiter antreibt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an lmu.takeover |Allow yourself to be proud of yourself and all the progress you’ve made. Especially the progress that no one else can see.| Das siebte Semester ist seit letzter Woche zu Ende. Verrückt. Während manche, die mit mir das Studium begonnen haben, bereits seit einiger Zeit im Rep oder Examinatorium sitzen, bereite ich mich auf meinen Schwerpunkt samt Seminararbeit und Klausur im Herbst vor (der Schwerpunkt wird an der LMU von den meisten vor dem 1. Examen abgeschlossen). Natürlich habe ich mich gefragt, warum ich so langsam bin, warum ich nicht alles so schnell durchgezogen habe wie meine Kommilitonen. Aber: Ich musste ein Jahr (!) lang auf meine letzte Zwischenprüfungsklausur warten, während andere bereits im Schwerpunkt waren. Aber nur, weil man etwas länger braucht als andere Kommilitonen, sollte man sich nicht verrückt machen. Es gibt so viele positive wie negative Gründe, durch die jeder einen unterschiedlichen Studienverlauf hat. Bei mir war es die Klausur, bei anderen veränderte sich der Ablauf wegen Auslandsemestern. Wieder andere bekamen Familie oder erlitten Schicksalsschläge. Nur, weil es bei euch momentan vielleicht nicht so läuft wie erhofft, solltet ihr nicht aufhören an euch zu glauben. Und nur, weil jemand das Studium nicht in Regelstudienzeit abschließt sondern etwas länger braucht, heißt es nicht, dass es was schlechtes ist oder die Person „faul“ oder „nicht gut genug“ ist. Macht euer Ding, geht euren Weg und nehmt euch die Zeit, die ihr braucht!Ein Beitrag geteilt von Ich bin ein LMUler (@lmu.takeover) am Feb 4, 2020 um 11:58 PST

Neben dem Zeitaufwand ist ein Studiumskanal auch eine Verantwortung, denn - offiziell oder nicht - Blogger repräsentieren für ihre Follower einen ganzen Studiengang und sogar unter Umständen ein ganzes Berufsfeld. Deswegen überlegt sich Martin genau, welche Themen er in seinen Videos anreißt und welche Wirkung sie haben könnten. Besonders bei kontroversen oder emotionalen Themen sei es wichtig, gründlich zu recherchieren, um sich nicht angreifbar zu machen. Trollkommentare lassen ihn mittlerweile aber kalt. „Ich diskutiere gerne in den Kommentaren, aber bei Impfgegnern oder Verschwörungstheoretikern kann man sich das sparen“, so Martin. Youtubestar statt Facharzt?

Und was ist, wenn sich das Studium dem Ende zuneigt? Der Medizinstudent, @juranotalone und die Munich Bookster denken gar nicht daran, aufzuhören. Ana-Laura ist mittlerweile scheinfrei und wird auch ihre letzten Spezialisierungssemester mit ihren Followern teilen. „Bloggen gehört mittlerweile so zu meinem Leben dazu, dass ich wahrscheinlich auch nach dem Studium weitermachen werde“, sagt die Jurastudentin. Bei den Munich Bookstern wird sich die Besetzung zwar bald wieder ändern, aber dafür geht dann für eine neue Gruppe Studierender das Abenteuer von Neuem los.

Und Martin? Der macht sich mittlerweile Gedanken zu seiner Doktorarbeit und sieht seinen Youtubechannel nicht mehr nur als Studiumsblog, sondern als Wissenskanal. Das spiegelt sich auch in seinen Zuschauern wider. Die Zahlen nehmen nicht nur zu, auch die Demografie verschiebt sich. Was früher einmal Medizinstudierende und Fachpublikum waren, ist heute eine bunte Mischung aus Jung, Alt, Medizinstudierenden und Fachfremden. Deswegen also lieber Youtubestar werden und den Arztkittel an den Nagel hängen? „Das kommt für mich nicht infrage“, lacht Der Medizinstudent. „Ich will meine Begeisterung zwar teilen, aber mein Traum bleibt der Arztberuf.“

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