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DAAD-Preisträger 2021: Menschen erreichen

26.11.2021

Psychologiestudent Zane Wilkinson unterstützt Menschen in persönlichen Krisen. Der DAAD zeichnet ihn nun für Engagement und akademische Leistung aus.

DAAD-Preisträger Zane Wilkinson vor dem großen Hörsaal des Biomedizinischen Zentrums in Martinsried. | © LMU MUENCHEN

Nach einem langen Tag an der Uni einfach nur entspannt mit Freunden treffen? Das kommt für Zane Wilkinson zumindest nicht jeden Tag infrage. Mehrmals pro Woche nimmt sich der Psychologiestudent Zeit, um Menschen aus seiner irischen Heimat via Chat in ihren persönlichen Krisen beizustehen. Für sein Engagement und seine herausragenden Studienleistungen erhält Zane nun den DAAD Preis. Der Deutsche Akademische Austauschdienst vergibt diesen Preis seit einem Jahrzehnt an internationale Studierende mit hervorragenden akademischen Erfolgen und besonderem sozialen Engagement.

Wenn Zane von „seiner“ Wissenschaft, der Psychologie, spricht, ist deutlich spürbar, wie sehr ihn das menschliche Gehirn und seine Funktionsweise fasziniert. Der 26-jährige ist in Galway aufgewachsen und hat dort an der National University of Ireland einen Bachelorabschluss in Psychologie gemacht, mit der Auszeichnung „first-class honours“. Seit gut einem Jahr studiert er im internationalen Elite-Masterstudiengang „Neuro-cognitive Psychology“ (NCP) an der LMU. Außerdem forscht er in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU und an der Graduate School of Systemic Neurosciences der LMU zu medizinischen und neurowissenschaftlichen Fragestellungen.

Obwohl Zane mit der Veröffentlichung seiner Bachelorarbeit über die Rolle von Empathie bei der visuellen Wahrnehmung von Kunst in einem internationalen Journal der American Psychological Association (APA) bereits den ersten Schritt in eine universitäre wissenschaftliche Laufbahn gemacht hat, sieht er seine Zukunft eher in der angewandten als in der universitären Grundlagenforschung. „Ich möchte dabei helfen, dass Behandlungsmethoden und Technologien die Menschen erreichen“, sagt er. Psychische Krankheiten würden immer noch zu oft unterschätzt oder stigmatisiert, dabei liege in der Forschung sehr viel Potenzial zu helfen, unter anderem durch die Technik der Hirnstimulation. „In diesem Bereich tut sich momentan einiges und es gibt noch so viel zu entdecken“, sagt er. In Zukunft möchte Zane in der psychiatrischen Forschung daran arbeiten, mit neurobiologischen Methoden mehr über das menschliche Gehirn und Verhalten herausfinden und so dabei helfen, eine neue Behandlungsmethode gegen Depressionen zu entwickeln.

Dabei geht es ihm um etwas anderes als akademischen Erfolg – vielmehr darum, zu helfen. In seiner Freizeit engagiert er sich schon seit langem ehrenamtlich. An jedem seiner bisherigen Wohnorte fand Zane dazu eine Möglichkeit.

Angefangen in Galway, wo er benachteiligte Schulkinder bei den Hausaufgaben betreute. „Diese Kinder haben keine funktionierende Familie und deswegen ist jede kleine Hilfe oder Aufmerksamkeit sehr wichtig für sie“, sagt er. Bei einem Aufenthalt in Edmonton engagierte er sich bei der Reintegration von Arbeitern, die bei einer Explosion auf einem Ölfeld eine schwere Hirnverletzung erlitten hatten, und half bei der Betreuung demenzkranker Senioren.

Dieses Jahr hat er auch eine Möglichkeit gefunden, von München aus aktiv andere zu unterstützen: im irischen Kriseninterventionsteam „Crisis Text Line“. Das Konzept ist einfach: Menschen schreiben eine Textnachricht an die Telefonnummer der Organisation, beschreiben ihre akute persönliche Krise, Freiwillige wie Zane antworten – und sind vor allem gute Zuhörer. „Wir beraten nicht, wir sagen niemandem, was er tun soll, wir werten nicht – wir hören nur aktiv zu“, erklärt er. Wie wichtig diese Empathie für Menschen mit psychischen Problemen sei, werde oft unterschätzt.

Viele haben niemanden, mit dem sie über ihre Probleme sprechen können – und nachts ist die Verzweiflung oft besonders groß, wie Zane bei seinen Spätschichten feststellt. Es geht vor allem um Angstzustände, Einsamkeit und Depression. Manche Hilfesuchende denken sogar an Selbstmord. „Hilfe wie diese wird zurzeit dringend benötigt“, stellt Zane fest. Gerade durch Corona gebe es noch mehr einsame Menschen: „Menschen distanzieren sich voneinander und haben dabei viele soziale Kontakte verloren.“ Nicht immer könne man aus der Ferne helfen, aber oft. Bei „Crisis Text Line“ fänden die Hilfesuchenden einen Ort, an dem sie sich über ihre Gedanken und Gefühle klar werden können.

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Ganz nebenbei hat die Arbeit bei „Crisis Text Line“ für Zane aber auch einen Lerneffekt: „Ich sehe, wie psychische Erkrankungen, Angstzustände und Depression in der Realität aussehen und kann besser nachvollziehen, wie sich Betroffene fühlen.“ So habe er in Kombination mit der Forschung in der Klinik ein ganzheitlicheres Bild von psychischen Erkrankungen gewonnen. Er schwärmt von den vielen Forschungsmöglichkeiten, die Studierenden an der LMU offen stehen. Es sei ein Privileg, bei der Arbeit in der Multimodal Neuroimaging and Neuromodulation Research Group moderne Technologie nutzen zu dürfen, wie beispielsweise den MRI-Scanner und transkranielle Magnetstimulation.

Im Sommer wird Zane seine Masterarbeit schreiben und wahrscheinlich danach promovieren. Aber zu weit möchte er nicht vorausdenken. In München würde er gerne länger bleiben, das ahnte er schon während seines Bachelorstudiums, als er mit ERASMUS ein Auslandsjahr an der LMU verbrachte. Für Deutschland hatte er sich vor allem aus Neugier entschieden, er wollte neue Erfahrungen machen – und lebte sich in München schnell gut ein. „Es war damals das beste Jahr meines Lebens. Ich habe mich in die Stadt verliebt“, erzählt er.

So viel Zeit Zane sein ehrenamtliches Engagement auch kostet: Wenn Hilfesuchende bei „Crisis Text Line“ am Ende des Gesprächs schreiben, dass sie sich besser fühlen und sich bedanken, ist das für Zane das Schönste und gibt ihm Energie, sich auch weiterhin zu engagieren.

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