„Das ist so erhebend, es lässt sich nicht mit Worten beschreiben"
25.10.2022
Medieninformatiker Professor Andreas Butz hat beim Ironman in Hawaii teilgenommen. Wie er es geschafft hat, beim Ausdauerwettbewerb „in den Genussmodus“ zu schalten, und was sein nächstes Ziel ist.
Andreas Butz, 55, ist gerade von einem der anspruchsvollsten Ausdauerwettbewerbe der Welt zurückgekehrt: dem Ironman in Hawaii. 15 Stunden 38 Minuten und 14 Sekunden brauchte der Professor für Informatik am Lehrstuhl für Mensch-Maschine-Interaktion für die drei Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Marathonlauf.
Herzlichen Glückwunsch zum Ironman! Wie geht es Ihnen?
Professor Andreas Butz: Es war ein enormes Erlebnis! Danach war ich zwei Wochen lang müde, der Körper musste sich erholen, ich habe sehr viel gegessen und geschlafen. Aber jetzt ist alles wieder gut, und es hat sich eine ganz großartige Erinnerung gebildet!
Sind Sie mit Ihrem Ergebnis von 15 Stunden, 38 Minuten und 14 Sekunden zufrieden?
Ich habe zwar eine Stunde länger gebraucht, als ich mir vorgenommen hatte. Aber ja, ich bin zufrieden. Wichtig war mir ein Sicherheitspuffer zur Ausschlusszeit von 17 Stunden. Außerdem wollte ich nicht als Letzter ins Ziel laufen. Das ist gelungen.
Seit wann haben Sie trainiert?
Mit dem Wunsch, fit für die Berge zu sein, fing es an. Ich bin ja Fachübungsleiter beim Alpenverein und trage Verantwortung für die Gruppen, die ich leite. Bei meinem ersten Triathlon am Tegernsee vor neun Jahren war ich noch völlig untrainiert. Damals dachte ich: Da geht noch mehr. Darum habe ich begonnen, regelmäßig und mit Maß und Ziel zu trainieren. Im Winter trainiert man die Grundlagenausdauer, im Frühling Tempo und Kraft, im Sommer beginnt ein wettkampfspezifisches Training. Über die Jahre habe ich mein Training in alle Richtungen analysiert und visualisiert – da prägt mein Beruf mein Hobby – und mich immer weiter hochgearbeitet, bis hin zur Qualifikation für den Ironman in Hawaii.
Wie war das trotz Ihres anspruchsvollen Jobs zu schaffen?
Um keine Abstriche zu machen, muss man Beruf und Hobby miteinander verflechten. In diesem Jahr habe ich elf Stunden pro Woche trainiert, in der Endphase waren es bis zu 15 Stunden. Um das zu schaffen, bin ich die zwölf Kilometer von zu Hause mit dem Rad zur Uni gefahren oder nach Hause gejoggt. Dass die heiße Trainingsphase in die vorlesungsfreie Zeit fiel, hat das Training erleichtert. Die letzten sieben Wochen vor dem Wettkampf wurde ich von einer Schwimmtrainerin unterstützt. Die LMU hat das mit Stiftungsmitteln finanziert. Darum habe ich in Hawaii das LMU-Logo getragen.
Welche mentalen Voraussetzungen braucht man für ein solches Training?
Beharrlichkeit und Biss vermutlich. Ich versuche außerdem, es mir schön zu machen und das Training nicht als Arbeitslast zu sehen. Zum Laufen gehe ich in die Berge, zum Schwimmen zu den bayerischen Seen und beim Radfahren suche ich mir schöne Strecken aus. Auch die Wettkämpfe sollen Spaß machen. 2019 habe ich darum am „Escape from Alcatraz Triathlon“ mitgemacht. Man schwimmt von der Gefängnisinsel an Land und radelt und läuft anschließend durch San Francisco.
Sie hatten also schon viel Erfahrung, als Sie in Hawaii antraten. Was war neu?
Das Klima! Ich wusste, dass ich die Langdistanz schaffen würde, aber die Hitze? Außerdem schwimmt man dort ohne Neoprenanzug.
Training vor paradiesischer Kulisse
Und wie lief der Wettkampf?
Der Tag begann mit dem Weckerklingeln morgens um halb vier. Nachdem alle nötigen Vorbereitungen abgeschlossen waren, haben sich die Wettkämpfer versammelt, um einen Hawaiianischen Segen zu bekommen, ein Moment, den ich sehr bewegend fand. Dann standen wir im Meer, um nach und nach zu starten. Mir ist es gelungen, mich im Wasserschatten eines anderen aufzuhalten. Der Sogeffekt, der dabei entsteht, hilft, Energie zu sparen. Es war wirklich paradiesisch, das Meer stahlblau, warm, sehr salzig, voller bunter Fische. Ich lag gut in der Zeit.
Erst nach dem Abduschen, auf dem Fahrrad, wurde mir bewusst, auf was ich mich eingelassen hatte. Es ging langsamer als geplant voran. Der Wendepunkt der Strecke befand sich in einem hoch gelegenen Dorf. Eine halbe Stunde lang rollte ich hinunter, aber unten, in der Ebene, landete ich in der prallen Mittagshitze, die Lavafelder waren aufgeheizt, totale Einsamkeit, zwei Ziegenschädel lagen im Sand. Eine Reifenpanne wäre fatal gewesen. Aber an der nächsten Verpflegungsstation gab es Eiswürfel, die ich in eine Tasche zwischen den Schulterblättern in meinem Anzug stopfen konnte. Das war ein so angenehmer Schub, als säße ich auf einem E-Bike!
Einigermaßen zufrieden konnte ich darum in den Marathon starten. Bald wusste ich, dass mir nicht mehr viel passieren konnte. Ich hatte das Finish in der Tasche. Also habe ich in den Genussmodus umgeschaltet und versucht, so viel wie möglich von der Atmosphäre mitzukriegen, die Zuschauer, den Jubel, die Stimmung … In einem Rausch der Gefühle läuft man aufs Ziel zu. Dort wird jeder und jede Einzelne namentlich begrüßt. „Andreas, you are home. You are an ironman“, heißt es. Das ist so erhebend, es lässt sich nicht mit Worten beschreiben!
Man gewinnt die Sicherheit, ganz viel schaffen zu können.
Professor Andreas Butz
Ergreift einen Dankbarkeit? Oder Stolz?
Beides. Und eine tiefe Befriedigung, dass sich die ganze Vorarbeit gelohnt hat. Das wirkt nach. Es schenkt eine gewisse Gelassenheit. Man gewinnt die Sicherheit, ganz viel schaffen zu können.
Sie sind nicht in ein Loch gefallen?
Mental nicht. Ich habe so viele positive Rückmeldungen bekommen. Der Zuspruch, die Glückwünsche und Kommentare haben mir sehr viel Auftrieb gegeben.
Was ist Ihr nächstes Ziel?
Als Studiendekan bin ich erstmal ausgefüllt, wäre aber auch gern bereit, mich an der LMU für den Sport einzusetzen. Privat suche ich natürlich nach neuen Zielen. Irgendwas Sportliches mache ich mit Sicherheit. Ich habe ein Los für einen Startplatz beim Ultra-Trail du Mont-Blanc bekommen, vielleicht klappt das. Nächsten Sommer bin ich außerdem für ein Forschungssemester in Vancouver in Kanada, da sind die Berge ja um die Ecke.
Hat Ihrem Körper die Strapaze gutgetan?
Auf jeden Fall! Ich war mal Kettenraucher, den positiven Einfluss von Sport auf Statur und Leistungsfähigkeit in Sport und Alltag habe ich deutlich gespürt. Bei der Qualifizierung in Schweden war eine über 70-Jährige eine halbe Stunde schneller als ich. Die Dame habe ich in Hawaii wiedergetroffen und ihr gesagt, dass sie ein Vorbild für mich ist. Sport hat noch im hohen Alter positive Effekte. Auch ein Lauf vom Tegernsee zum Schliersee kann ein schönes Erlebnis sein, das einen mit Dankbarkeit erfüllt.
Geschafft! Zieleinlauf nach 15 Stunden, 38 Minuten und 14 Sekunden