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Daten-Pakete für den Dome

28.02.2019

Vom Urknall bis heute – wie hat sich das Universum entwickelt? LMU-Wissenschaftler haben eine neue Planetariumsshow für das Deutsche Museum gestaltet. Die Basis des Films sind echte Simulationsdaten, nicht wie sonst grafisches ...

Was man seit dem 1. März im Planetarium des Deutschen Museums auf eine halbe Stunde kondensiert sehen kann, daran haben Sie mit einem Team mehrere Jahre lang gearbeitet. Was ist denn so aufwendig daran? Klaus Dolag: Das hat viele Aspekte. Eine Projektion auf einen Dome, die Kuppel des Planetariums, ist beispielsweise schon einmal etwas ganz anders als eine normale zweidimensionale Visualisierung. Wir mussten dafür unsere Software komplett umschreiben, damit sich die Bilder verzerrungsfrei in die Halbkugel des Domes projizieren lassen. Das ist das eine. Und außerdem haben wir ja zum Simulationsmaterial das Konzept für eine komplette Planetariumsshow entwickelt. Die Story für „Ausgerechnet! Unser Universum“, so haben wir die Show genannt, drumherum zu bauen, das hat sich als sehr aufwendig herausgestellt.

Fangen wir mit dem Zentralen an – mit den Simulationen, wie das Weltall entstanden ist und sich über die Jahrmilliarden entwickelt hat. Hochleistungsrechner zu füttern, ist ihr täglicher Job. Was berechnen Sie da? Und wie sehen Ihre Ergebnisse normalerweise aus? Aus der Beobachtung des kosmischen Mikrowellenhintergrundes kennen wir in der Kosmologie die Anfangsbedingungen mittlerweile sehr gut. Wir wissen, von welchem Startpunkt wir sozusagen losrechnen müssen. Trotzdem ist es natürlich reichlich kompliziert, dabei all die physikalischen Prozesse zu berücksichtigen, die aus den kleinsten Strukturen am Anfang, das sind nur minimale Dichteschwankungen, sogenannte Quantenfluktuationen, am Ende Galaxien und Galaxienhaufen entstehen lassen. Zudem hat man in den letzten Jahren festgestellt, dass die zentralen Schwarzen Löcher in den Galaxien sehr wichtig für deren Entwicklung sind. All diese komplexen Prozesse, die auch noch nicht in allen Details verstanden sind, müssen im Computer in appropriativen Modellen nachgebildet werden, um die Entwicklung des Universums zu simulieren. Dafür nutzen wir den SuperMUC, den Höchstleistungscomputer am Leibniz-Rechenzentrum.

Auch das Wendelstein-Observatorium der LMU, wo die Fotos aus dem All entstanden sind, ist in der neuen Show zu sehen. Foto: Deutsches Museum / Bastian Harfold

Die Ergebnisse sind erstmal ein dickes Datenpaket. Ja, im Ergebnis haben wir damit für ein bestimmtes Raumgebiet die zeitliche Veränderung und die damit die prozessuale Dynamik in einer Vielzahl von Massepunkten beschrieben. Wir kennen die Entwicklung von Temperaturen und Dichten. Wir können beispielsweise verfolgen, wie schwere Elemente in Sternen synthetisiert und an die Umgebung weitergegeben werden.

Wie lassen sich daraus Bilder machen? Ein einfaches Bild zu erstellen, ist nicht ganz so kompliziert, die Software dafür ist da. Für die Kuppelprojektion haben wir einen so genannten Raytracer benutzt, der Strahlen entlang von Sichtlinien durchgeht und dann entsprechend die Größen aufintegriert und so dreidimensional umsetzt. Wenn wir zeitliche Animationen herstellen wollen, wird es noch komplexer. Für den Film haben wir eine Simulation noch einmal laufen lassen und bei 1000 Zeitpunkten die Daten gespeichert (so genannte Snapshots). Da eine derartige Simulation riesige Datenmengen repräsentiert, summiert sich dies zu einem Petabyte an Daten auf. Und um auf die nötige Zahl von Frames für den Film zu kommen, mussten wir zwischen den einzelnen Snapshots noch jeweils 20 weitere interpolieren, also jeweils 20 sozusagen virtuelle Snapshots zwischendrin erzeugen, um die Simulation zu visualisieren.

Wer gab denn überhaupt den Anstoß zu dem Projekt? Das war eher ein Zufall. Als das Deutsche Museum das Planetarium neu eingerichtet hatte, kontaktierte der damalige Leiter das Leibniz-Rechenzentrum auf der Suche nach Filmsequenzen, die sich mit der neuen Anlage projizieren ließen. Ich hatte kurz zuvor begonnen, am Leibniz-Rechenzentrum große Simulationen laufen zu lassen und an Visualisierungen zu arbeiten. Darum war ich bei dem Termin dabei. Wir fanden die Idee mit dem Planetarium spannend und haben dann einfach mal sechs Monate lang experimentiert. Das war vor ziemlich genau vier Jahren.

Und seitdem sind Sie dran? Mal ein bisschen intensiver, mal ein bisschen weniger. Aber nach etwa einem Jahr hatten wir eine Sequenz, mit der sich eine Simulation verzerrungsfrei auf der Kuppel darstellen ließ. Die ursprüngliche Idee war, einen solchen Film als zusätzliches Element in eine Standardshow einzubauen. Doch als wir das im Deutschen Museum vorführten, war die einhellige Meinung, dass das verschenkt wäre. Darum haben wir uns entschlossen, eine komplette Show daraus zu machen.

Historisch fangen Sie bei Galileo Galilei an? Ja, wir wollten den Zuschauern nicht zuletzt in einem kleinen Ausflug in die Wissenschaftsgeschichte andeuten, wie Wissen entsteht: aus Beobachtungen, die Rückschlüsse auf Strukturen zulassen. Zum Beispiel hat Immanuel Kant, eigentlich geläufig als Philosoph, weniger als Naturforscher, sehr früh schon aus der Beobachtung der Milchstraße geschlossen, dass die Sterne dort ähnlich wie die Planeten in unserem Sonnensystem in einer Scheibe angeordnet sind und dass jeder der vielen Nebelflecken, die er am Firmament beobachten konnte, eine solche Galaxie ist. Damit war er seiner Zeit weit voraus. Diese Art von Verständnisgewinn wollen wir mit dem Film auch vermitteln.

Das unterscheidet vermutlich Ihre von herkömmlichen Planetariumsshows. Ja, das ist anders. Der andere wesentliche Unterschied: Wir wollen nicht Artwork zeigen, irgendwelche künstlerischen Darstellungen, die schon jede Menge an Interpretation beinhalten, sondern die Visualisierungen aus „echten“ Beobachtungsdaten speisen – und das so, dass der Zuschauer sie auch versteht.

Dr. Klaus Dolag ist der Mann hinter der neuen Planetariumsshow, die er mit einem Team des Exzellenzclusters Universe und seines Nachfolgeverbundes Origins gestaltet hat. Dolag arbeitet als permanenter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätssternwarte der LMU. Foto: Axel Griesch für Max-Planck-Gesellschaft

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