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Deutschlandstipendiatin Marion Thaler: Mit Sprache helfen

16.03.2023

Marion Thaler kam sich als Arbeiterkind an einer Universität zunächst fremd vor. Doch seitdem sie an der LMU Sprache, Literatur und Kultur studiert, ist sie wie ausgewechselt. Jetzt hilft sie Menschen mit einer ähnlichen Herkunftsgeschichte.

Marion Thaler

Deutschlandstipendiatin Marion Thaler | © Jan Greune

Marion Thaler hätte sich als Jugendliche nicht vorstellen können, einmal zu studieren. Die Noten dafür hatte sie zwar. „Aber für mich und meine Familie war das eine ganz fremde Welt“, erzählt sie. Auch im Bekanntenkreis gab es niemanden, der studiert hatte.

Also ging die gebürtige Wolfratshausenerin auf die Realschule und wegen der guten Noten später auf die Fachoberschule. Als sie dort nicht nur die allgemeine Fachhochschulreife erwarb, sondern auch noch den Sonderpreis für die beste Leistung in Bayern in der Ausbildungsrichtung Sozialwesen erhielt, entschied sie sich trotz aller anfänglichen Zweifel doch für ein Studium.

Doch der Weg war steinig. Ihre Eltern hätten sie zwar bei ihrem Vorhaben unterstützt. „Aber keiner konnte mir bei der Frage helfen, wie ich den richtigen Studienplatz finde und was ich dafür machen muss“, erinnert sich die heute 25-Jährige. In ihrem Studium der Kommunikationswissenschaften an der LMU tauchte noch ein weiteres Problem auf. Denn als Arbeiterkind war sie mit den Abläufen an einer Universität nicht vertraut. Während ihr früher alles zuflog, stieß sie jetzt immer öfters an ihre Grenzen – und kam sich unter den vielen Akademikerkindern fremd vor.

Das machte Marion Thaler psychisch zu schaffen. Während des ersten Semesters musste sie zweimal aufgrund von Depressionen in die Klinik. Sie entschied sich für einen kompletten Neuanfang – und ein Studienfach, das ihr Spaß macht und nicht Geld oder Prestige bringt. „Wenn es einem so schlecht geht, setzt man anderen Prioritäten und hört auf sein Herz“, erzählt sie. Noch in der Psychiatrie füllte sie den Antrag für den Studienwechsel aus und begann ihren Bachelor in Anglistik. Inzwischen studiert sie auch Sprache, Literatur und Kultur, Computerlinguistik und im Master English Studies.

Unterstützung durchs Deutschlandstipendium

„Mein neues Studium hat mir viel Lebensfreude zurückgegeben“, berichtet Marion Thaler. Ihr Mutter sagt, sie sei wie verwandelt. Natürlich musste sie danach noch regelmäßig in Therapie. „Aber jetzt nicht mehr und im Moment geht’s mir so gut wie noch nie seit Studienbeginn.“ Zusätzlich fühle sie sich jetzt handwerklich besser auf das Studium vorbereitet und an der LMU integriert, beispielsweise durch ihre Mitgliedschaft in der Fachschaft. Auch käme sie sich als Arbeiterkind nicht mehr so fremd vor. Und wenn Dozierende beziehungsweise Kommilitoninnen oder Kommilitonen doch mal – bewusst oder unbewusst – einen Spruch ablassen, wehrt sie sich. „Das hätte ich mich früher nicht getraut.“

Geholfen in all diesen Prozessen hat Marion Thaler das Deutschlandstipendium an der LMU. Dadurch konnten neben den psychischen Sorgen zumindest die finanziellen gelindert werden. Denn die junge Frau muss für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen, weshalb sie neben dem Studium noch insgesamt 16 Stunden beim Hörerservice des Bayerischen Rundfunks, als Werkstudentin und Tutorin arbeitet. Ohne die Wohngemeinschaft mit ihrer Schwester und das Geld aus dem Stipendienprogramm, müsste sie wieder zu ihren Eltern ziehen, die eine Stunde von München entfernt wohnen – und ihr soziales Engagement beenden.

Anderen helfen

Marion Thaler unterstützt Menschen mit ähnlicher Herkunftsgeschichte auf ihrem Bildungsweg – insbesondere mit ehrenamtlicher Nachhilfe für junge Menschen mit Migrationshintergrund. „Helfen durch Sprache“, lautet ihr Motto. Dabei kommt der Deutschlandstipendiatin ihre Sprachkenntnis zugute, denn neben Englisch und Französisch spricht sie auch noch Italienisch, Schwedisch und Farsi/Dari. Das türkisch-mazedonische Mädchen, dem sie für ihren qualifizierenden Mittelschulabschluss Nachhilfe gegeben hatte, hat ihren Abschluss als Jahrgangsbeste abgeschlossen. An der LMU ist Marion Thaler Mentorin im LMU Buddy Program für Austauschstudierende.

Obwohl die 25-Jährige zukünftig weiter und noch qualifiziertere Nachhilfe geben will, setzt sie beruflich vor allem auf Computerlinguistik. Dabei handelt es sich um die computergestützte Analyse von Sprache, beispielsweise für Übersetzungsprogramme, Sprachassistenten oder Sentimentanalyse. Ihr Wunsch ist es, einmal wissenschaftliche Mitarbeiterin zu werden oder sogar zu promovieren. Natürlich gebe es sonst aber auch in der Wirtschaft interessante Arbeitsbereiche, zum Beispiel im Verlagswesen, sagt sie. Egal, wofür sie sich entscheidet: Marion Thaler wird ihren Weg gehen – und sich von nichts mehr davon abbringen lassen.

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