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Deutschlandstipendium: Vom Land in die Großstadt und wieder zurück

07.12.2020

Das Deutschlandstipendium fördert Studierende mit hervorragenden Leistungen, aber auch Menschen, die sich sozial engagieren oder Hürden in ihrem Lebenslauf überwinden. Eine von ihnen: Ina Brechenmacher.

Deutschlandstipendiaten der LMU in einem Hörsaal, im Vordergrund Ina Brechenmacher

Ina Brechenmacher | © LMU / Jan Greune

Ina Brechenmacher fasziniert das Leben abseits der Großstädte. „Ich bin kein Landei“, erzählt die 24-Jährige. Aber sie finde es spannend, ihre akademische Arbeit ein Stück weit in ihre Heimatstadt zurückzutragen. Zu Beginn ihrer Masterarbeit beschäftigte sich die angehende Amerikanistin daher mit dem nordamerikanischen Kleinstadt-Mythos, parallel dazu erarbeitet sie für ihr Abschlussprojekt am Rachel Carson Center, wo sie ein Aufbaustudium in Umweltwissenschaften belegt, eine umwelthistorische Stadtführung in ihrem Heimatort. „Für die vom Dorf bin ich aber nach wie vor die aus der Stadt“, erzählt Ina Brechenmacher. Um das zu ändern, engagiert sie sich stark auf lokaler Ebene.

Letztes Jahr wollte zum Beispiel eine Mineralwasser-Firma mehr Tiefenwasser in der Region abpumpen. „Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie mir mein Studium der Umweltgeschichte geholfen hat“, berichtet Ina Brechenmacher. Endlich sei sie nicht mehr in einer „akademischen Bubble“ gewesen, sondern konnte zu einem aktuellen Problem recherchieren und argumentieren. Der Protest der Menschen vor Ort war erfolgreich. „Es war ein total gutes Gefühl, etwas für meine Heimat und die Region tun zu können“, erinnert sie sich.

Ina Brechenmacher engagiert sich allerdings noch in vielen anderen Bereichen. Besonders beschäftigen sie die Themen Umweltschutz und Klimagerechtigkeit. Schon als Kind war sie mit ihren Eltern auf Anti-Atomkraft-Demos. Als sie für ihr Studium nach München zog, stellte sie fest, dass es in der Landeshauptstadt keine Ortsgruppe der Jugendorganisation Bund Naturschutz gab – also gründete sie kurzerhand eine. „So bin ich in die Umweltarbeit reingekommen“, erklärt sie. Regelmäßig fährt sie seitdem zu Protestkundgebungen, aktuell kämpft sie für einen Kohleabbau-Stopp. „Es ist aufwühlend zu sehen, dass immer noch Dörfer wegen des Braunkohletagebaus abgebaggert werden“, erklärt sie.

Die 24-Jährige interessiert sich aber auch für das Thema Migration und die Frage, wie man mehr politische Bildung und Beteiligung in ländlicheren Gebieten verankern kann. Dazu hat sie an mehreren Integrationsprojekten mitgearbeitet, beispielsweise beim Diversity-Sommercamp "Botschafter der Vielfalt" oder beim Projekt „Fahrradtaxi“ für ihre Heimatstadt. „Uns ging es darum, eine nachhaltige Form der Mobilität zu schaffen und dabei Geflüchtete in den Organisationsprozess zentral einzubinden“, erklärt sie. Auch engagierte sich Ina Brechenmacher in der Schreibwerkstatt für ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer in der Integrationsarbeit. Dabei sollen gemeinsam mit Schriftsteller Jörg Dauscher in literarischen Schreib-Tandems mit Migrantinnen und Migranten neue Texte entstehen, ohne an Barrieren der deutschen Sprache hängenzubleiben. Durch Corona ist leider vieles ins Stocken geraten.

Dass Ina Brechenmacher aus einem Nichtakademikerhaushalt kommt, hat sie lange Zeit nicht gemerkt. Zwar arbeitet sie schon seit jungen Jahren fast durchgängig in verschiedenen Nebenjobs. „Was ich dabei gelernt habe, war aber genauso wichtig, wie meine Kurse an der Uni“, versichert sie. Aktuell wäre sie aber ohne das Deutschlandstipendium aufgeschmissen: Ihr Nebenjob wurde wegen Corona nicht wie geplant verlängert. Schon davor hat ihr nur die finanzielle Unterstützung durch das Stipendium den Freiraum gegeben, sich für ihre Region und den Klimaschutz zu engagieren. „Außerdem habe ich mich sehr für die Wertschätzung für mein außergewöhnliches geisteswissenschaftliches Studium gefreut.“

Politikerin will die Deutschlandstipendiatin trotz ihres sozialen Engagements nicht werden. Sie hat zwar in den Semesterferien die Grüne Liste des Nachbarorts bei der Kommunalwahl unterstützt. „Da habe ich aber nur einem lustigen Trüppchen älterer Leute mit Social Media und den Wahlkampfreden geholfen“, erzählt die 24-Jährige und lacht. Selber steht sie nicht so gerne im Vordergrund. „Ich unterstütze lieber andere.“ Was sie sich allerdings vorstellen könnte, wäre als Beraterin in die Politik zu gehen. Wer Interesse hat: Ina Brechenmacher ist nach dem Wintersemester mit ihrem Studium fertig und auf Jobsuche.

Jetzt Förderer werden! Das Deutschlandstipendium an der LMU lebt von der Unterstützung von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen. Ihre steuerlich absetzbare Spende in Höhe von 150 Euro pro Monat wird von der Bundesregierung verdoppelt und kommt ohne Abzüge bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten an. So können sich junge Menschen auch in Krisenzeiten wie diese ohne Geldsorgen um die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft kümmern.

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