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Die Dynamik der Mikrotubuli

05.04.2018

Stützen, transportieren, Chromosomen teilen: Die Molekülfasern des Zellskeletts müssen ihre Länge flexibel anpassen können. LMU-Forscher zeigen, wie dieses Wachsen und Schrumpfen abhängig von den Ressourcen reguliert wird.

Auch Zellen haben ein Skelett, das von vielen langgestreckten Molekülfasern, den Mikrotubuli, gebildet wird. Mikrotubuli sorgen aber nicht nur dafür, dass die Zelle ihre Größe und ihre Form hält, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei zahlreichen zellulären Prozessen. Mikrotubuli sind unter anderem an Transportvorgängen beteiligt und bilden die mitotische Spindel, die bei der Zellteilung die Chromosomen auseinanderzieht. Für die Zelle ist es deshalb essentiell, dass sie die Länge der Mikrotubuli dynamisch regulieren kann. LMU-Physiker um Professor Erwin Frey haben nun in Kooperation mit Professor Stefan Diez (TU Dresden und MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden) ein Modell entwickelt, das die Mechanismen dieser Längenregulation mit Hilfe von molekularen Motoren erklärt. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Physical Review Letters.

Bereits in früheren Arbeiten konnte Freys Gruppe zeigen, dass molekulare Motoren abhängig von der momentanen Länge des Mikrotubulus beeinflussen, ob das faserförmige Filament wächst oder schrumpft: Je länger der Mikrotubulus ist, desto mehr Motor-Proteine aus dem Zytosol können daran binden. Diese wandern zum sogenannten Plus-Ende des Mikrotubulus und starten dort dessen Abbau. Gleichzeitig binden an dieses Ende neue Mikrotubuli-Bausteine, die sogenannten Tubuline. „Bei unbegrenzten Ressourcen, wenn also sowohl die Tubuline als auch die molekularen Motoren im Überfluss vorhanden sind, gibt es genau eine Länge, bei der sich Wachstum und Abbau gegenseitig aufheben“, sagt Matthias Rank, der Erstautor der Studie. Das allerdings ist die Modellvorstellung, im Normalfall dürften in einer Zelle die Ressourcen begrenzt sein. Durch die Bildung der mitotischen Spindel beispielsweise wird die Tubulin-Menge im Cytosol deutlich gesenkt. Wie die Längenregulation unter diesen Bedingungen funktioniert, haben die Wissenschaftler nun untersucht.

Wie die Forscher in ihren Modellrechnungen zeigen, gibt es dabei zwei unterschiedliche Mechanismen der Längenregulation. Welcher von beiden zum Tragen kommt, hängt von der Konzentration der Tubuline und Motor-Proteine ab: In einem bestimmten Konzentrationsbereich reguliert das dynamische Gleichgewicht von Auf- und Abbau die Länge der Mikrotubuli, so wie es auch bei unbegrenzten Ressourcen der Fall ist. „Anders ist es, wenn eine Ressource so knapp ist, dass sich dieses Gleichgewicht nicht einstellt“, sagt Rank. „Das ist beispielsweise der Fall, wenn so wenige Motoren vorhanden sind, dass diese keinen entsprechenden Abbau schaffen.“ In diesem Szenario hört der Mikrotubulus erst auf zu wachsen, wenn die Tubuline knapp werden. Es gibt aber auch einen Konzentrationsbereich, in dem beide Mechanismen überlappen. „In diesem Fall haben wir beobachtet, dass Mikrotubuli eine von zwei verschiedenen Längen annehmen können und manchmal zwischen beiden Längen hin- und herspringen“, sagt Frey. „Physikalisch kann man das als Phasenübergang bezeichnen.“ In-vitro-Experimente ihrer Dresdner Kooperationspartner bestätigten die Vorhersagen der Münchner Physiker. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass ihre Ergebnisse auch auf andere Systeme übertragen werden könnten und vermuten, dass die Begrenztheit von Ressourcen auch für andere zelluläre Prozesse eine wichtige Rolle spielt.Physical Review Letters 2018

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