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Die Funktionsarchitektur, die sich selber baut

25.09.2023

Ein Forschungsteam der LMU kombiniert klassische Lithographie-Verfahren und die Selbstorganisation des DNA-Origami, um organische 3D-Nanostrukturen auf Oberflächen zu gestalten.

Nanokomponenten wie etwa organische Farbstoffe binden an die Oberfläche der Chips und formen molekulare 3D-Architekturen. | © Vera Hiendl / e-conversion

Hunderte Lego-Steine finden zusammen, formen zum Beispiel spontan ein Haus und füllen schließlich den kompletten Spielteppich mit Hunderten von Häusern aus. Was im wirklichen Leben leider nicht funktioniert, gelingt spielend auf molekularem Maßstab – wenn die Bedingungen stimmen. Die Natur beherrscht das Prinzip der Selbstorganisation, indem sie zwischenmolekulare Kräfte und elektrostatische Anziehung ausnutzt. Scheinbar von Geisterhand bilden sich komplexe 3D-Strukturen mit einer ganz bestimmten Funktion: Zum Beispiel lichtsammelnde Komplexe für die Photosynthese oder hydrophobe, selbstreinigende Lotusblätter. „Genau dieses Prinzip der Selbstorganisation nutzen wir für unsere Zwecke und entwickeln damit Methoden, um Oberflächen auf dem Nanometer-Maßstab zu funktionalisieren. Dazu kombinieren wir lithographische Verfahren mit DNA-Origami und können so dreidimensionale geordnete Nanostrukturen aufbauen“, erklärt Dr. Irina Martynenko, Postdoktorandin in der Arbeitsgruppe von Professor Tim Liedl an der LMU. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Forschungsteam jetzt in der Zeitschrift Nature Nanotechnology. „Die Anwendungsfelder von nano- oder auch mikrostrukturierten Substraten sind extrem vielfältig – von Mikrochips über Biosensoren bis zu Solarzellen. Deswegen ist das Prinzip der Selbstorganisation so vorteilhaft“, beschreibt Martynenko das Spektrum.

Wie sich nanotexturierte Oberflächen auf DNA-Basis fertigen lassen

Die LMU-Forschungsgruppe um Tim Liedl, die vom Exzellenzcluster e-conversion gefördert wird, hat sich auf DNA-Origami spezialisiert. Dabei liegen lange, einzelsträngige DNA-Moleküle vor, die sich durch kürzere DNA-Stücke – die Stapelfasern (staple strands) – in die gewünschte Form fügen. Ausschlaggebend für die Selbstorganisation sind die vier Nukleinbasen: Es verbinden sich Adenin und Thymin sowie Guanin und Cytosin wie bei der Doppelhelix-Struktur im Erbgut. Um die 3D-Architekturen zu erhalten, nutzen die Forscherinnen und Forscher zunächst eine klassische Top-Down-Methode (Elektronenstrahl-Lithographie oder Sphärenlithographie), mit der von einem Ausgangsmaterial, bestehend aus Siliziumdioxid oder Glas, so viel abgetragen wird, bis eine vorstrukturierte Oberfläche entstanden ist. „Wir erzeugen so regelmäßig angeordnete Andockstellen für die darauffolgende Schicht – in diesem Fall das DNA-Origami“, sagt Martynenko. „Bislang ließen sich nur zweidimensionale Arrangements erzeugen. Wir haben jetzt eine Vielzahl von 3D-Strukturen aufgebaut, wie Röhren, donutförmige Ringe und Tetrapoden. Diese ordnen sich dann auf den vorher geschaffenen Bindungsplätzen regelmäßig an“, erklärt die LMU-Postdoktorandin.

3D-Strukturen im Nanomaßstab herzustellen wird billig und lässt sich prinzipiell ohne Reinraum durchführen, erklärt Irina Martynenko. | © Vera Hiendl / e-conversion

Milliarden Moleküle finden ihren Platz von selbst

Die Präparation von dreidimensionalen DNA-nanotexturierten Oberflächen ist denkbar einfach. Die Forscher bereiten zuerst die vorstrukturierten Substrate mit den klebrigen Bindungsstellen in einem Größenbereich von etwa 50-100 Nanometer vor. Dann werden die 3D-Origamis in einer Kunststoffampulle gefaltet – Milliarden davon parallel und ohne menschliches Zutun. Anschließend platzieren sie feine Tropfen der 3D-DNA-Origamis auf der erwähnten vorstrukturierten Oberfläche. Dort richten sich die 3D-Formen dann selbstständig an den vorgegebenen Bindungsstellen aus. „Wir können die 3D-Ausrichtung der Form kontrollieren und die zylindrischen Röhren sogar senkrecht stehen lassen. Die Wandabmessungen sind mit weniger als 10 Nanometern extrem dünn. Um mit konventionellen Lithographie-Methoden solche winzigen 3D-Strukturen herzustellen, braucht es teure Geräte und Reinraumbedingungen. Mit unserem Selbstorganisationsverfahren wird diese Strukturierung billig und kann prinzipiell ohne Reinraum durchgeführt werden“, erklärt Martynenko. Um die aufgebauten Architekturen aus den empfindlichen organischen Molekülen robuster zu gestalten, greift die Forscherin auf einen Trick zurück. Sie erzeugt eine Siliziumdioxid-Schicht als schützende Hülle um die Nanogerüste und stabilisiert die Strukturen dadurch. Dank dieser sogenannten Verkieselung halten die dreidimensional dekorierten Oberflächen Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius stand.

DNA-Origami: Option für leistungsstärkere Solarzellen

Was den DNA-basierten Ansatz zudem einzigartig macht: Die Origami-Strukturen lassen sich auf molekularem Level adressieren. Das bedeutet: Jeder DNA-Strang lässt sich mit funktionellen chemischen Gruppen ausstatten. Diese nanometergenaue Kontrolle hat Martynenko veranschaulicht, indem sie Goldpartikel im Nanometerbereich an genau definierten Stellen auf ihren Strukturen platzierte. Mit lithografischen oder klassischen 3D-Druck-Verfahren ist eine solche Nanotexturierung nur mit extrem hohem Aufwand oder überhaupt nicht möglich. Deswegen bietet das DNA-Origami der Liedl-Forschungsgruppe einen vielversprechenden Ansatz, um künftig beispielsweise leistungsstärkere Solarzellen produzieren zu können. „Allein die Präzision der Anordnung könnte helfen, die Effizienz der aktiven Schichten zu steigern“, erklärt die LMU-Forscherin. „Deswegen arbeiten wir daran, vertikale Stapel aus den Molekülen zu präparieren und so gerichtete Wege für den Elektronentransfer zu erzeugen. Unsere Modellsysteme ließen sich dazu nutzen, den Ladungsaustausch und so die Leistungsfähigkeit von Solarzellen zu optimieren“, gibt Martynenko einen Ausblick in die Zukunft.

Irina V. Martynenko, Elisabeth Erber, Veronika Ruider, Mihir Dass, Gregor Posnjak, Xin Yin, Philipp Altpeter, Tim Liedl: Site-directed placement of three-dimensional DNA origami. Nature Nanotechnology 2023

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