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Die Gefahr von Wiedergängern

11.01.2018

Die Pocken gelten als besiegt. Doch ließen sich die tödlichen Erreger womöglich leicht im Labor rekonstruieren. Experten debattieren am Center for Advanced Studies (CAS) der LMU über mögliche Risiken und deren Kontrolle.

Zunächst war es nur eine kleine Notiz von einem Kongress. Erst als das renommierte Wissenschaftsmagazin Science die Sache groß herausbrachte, nahm die Diskussion an Fahrt auf: Kanadische Virologen hatten ein Pockenvirus künstlich zusammengesetzt – mithilfe von DNA-Material, das sie im Netz bestellt hatten. Die Forscher synthetisierten das komplette Virusgenom aus den Bruchstücken; mit einem Trick ließen sich daraus in biologischen Zellen intakte Viruspartikel fertigen.

Seitdem herrscht Aufregung unter Wissenschaftlern. Die Pocken, eine der tödlichsten Seuchen der Menschheitsgeschichte, auszurotten, heißt es in Science, habe Jahrzehnte gedauert und Milliarden Dollar gekostet. Die Geißel wieder auf den Plan zu rufen – das könnte schon ein kleines Wissenschaftlerteam ohne große Spezialkenntnisse schaffen, in einem halben Jahr und mit einem Budget von nur 100.000 Dollar.

Wohlgemerkt: könnte. Denn die kanadischen Wissenschaftler hatten die Probe aufs Exempel mit Erregern der Pferdepocken gemacht, einem für den Menschen harmlosen Verwandten der tödlichen Pockenviren. Sie nutzen ihre Ergebnisse unter anderem für die Impfstoffforschung – und wollten damit gleichzeitig aber auch die Macht solcher Ansätze Synthetischer Biologie demonstrieren. Denn Experten sind sich sicher: Was mit den Erregern der Pferdepocken geht, ist auch mit den tödlichen Pockenviren möglich.

„Lassen sich die Risiken von synthetisierten Virenstämmen kontrollieren?“ Das diskutieren Expertinnen und Experten jetzt auf einer Veranstaltung des Center for Advanced Studies (CAS) der LMU. Schließlich werfen derlei Experimente Fragen nach Sicherheit und Kontrolle auf. Immerhin verbieten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und viele Staaten das Experimentieren mit großen Genom-Bruchstücken des Pockenvirus. Aber ist eine Überwachung tatsächlich möglich, die gefährliche Auswüchse verhindern kann? Gibt es wirkungsvolle Modelle, die auf die Selbstverpflichtung von Wissenschaftlern setzen? Wie sollten angemessene Regularien für Experimente aussehen, die mit solchen Dual-Use-Agentien arbeiten – für Versuche also, die medizinisches nützliches Wissen, etwa in der Impfstoffforschung, versprechen, aber auch die Gefahren des Missbrauchs heraufbeschwören können? Was ist, wenn sich Terroristen oder zweifelhafte Regime solcher Techniken bedienen wollen?

Über solche Fragen diskutieren am Dienstag, den 16. Januar, um 18:30 Uhr im CAS (Seestraße 13, 80802 München): Prof. Dr. Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Marburg, Dr. Dr. med. Petra Dickmann, Managing Director der internationalen strategischen Risikokommunikationsberatung dickmann risk coomunication, London, und klinisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Universitätsklinik Jena, assoziiert mit dem dortigen Sepsis-Schwerpunkt, und Prof. Dr. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin. Die Moderation hat der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt, der mit seiner Geschichte in Science die Diskussion ins Rollen gebracht hatte.

Für die Veranstaltung, die im Rahmen des CAS-Schwerpunktes „Biology of Genomes“ stattfindet, ist eine Anmeldung unter info@cas.lmu.de erforderlich.

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