News

Die Studiobühne sagt Servus

20.04.2015

Seit den 70er Jahren lernen Studierende an der Münchner Studiobühne, Studieninhalte praktisch umzusetzen und bringen dabei spannende Stücke auf die Bühne. Nun gibt die Studiobühne ihre Abschiedstournee.

Noch eineinhalb Stunden bis zu ihrem Auftritt. Doch von Ruhe keine Spur. Elf Studenten der Theaterwissenschaft bereiten sich in der leeren Bibliothek in der Ludwigstraße 25 auf das Stück „Schieß doch, Kaufhaus“ vor. Und gleich auf den ersten Blick wird klar: Beim Aufwärmen sind schnelle Reaktionen gefragt. „Kotzendes Känguru“ brüllt einer der Studenten durch den Raum – und deutet auf die Studierenden vor ihm, die sich scheinbar sofort in einen imaginären Beutel übergeben. Wer nicht schnell genug die geforderte Pose einnimmt, ist selbst an der Reihe und muss sich möglichst absurde Szenen für seine Schauspielkollegen ausdenken. „Sexmaschine“ zum Beispiel, aber auch: „Baby auf der Autobahn“ oder: „Star Wars“.

Was auf den ersten Blick wie ein Spiel aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Das Aufwärmen helfe den Schauspielern, sich auf den bevorstehenden Auftritt vorzubereiten, erklärt Dr. Katrin Kazubko, die Leiterin der Studiobühne. „Das ist für Laienschauspieler enorm wichtig. So trainieren sie ihr Reaktionsvermögen und ihre Aussprache. Außerdem bekommen die Studenten auch Lust darauf, gleich auf der Bühne zu stehen und zu spielen“, meint Kazubko. Die Regisseurin und Dramaturgin leitet seit 1993 die Studiobühne in München, die den Studierenden der Theaterwissenschaft ganz praktisch zeigt, wie ein Theaterstück aufgeführt wird: Von der ersten Strichfassung, der Theaterfassung des Stücks, bis zur Werbung lernen die Studenten im „Szenischen Praktikum“ alles, was zum Theater dazugehört.

Das „Szenische Praktikum“ ist am Institut für Theaterwissenschaft der LMU Teil des Wahlpflichtmoduls des Bachelorstudiengangs. Zwölf ECTS-Punkte erhalten die Studenten dafür. Denn: Die Aufführung eines Stücks auf der Studiobühne ist nicht nur eine Spielwiese für die Studenten, sondern eine ernste Sache. Das Studium der Theaterwissenschaft werde von Theaterschaffenden oft kritisiert, da den Studenten die Praxis fehle, berichtet Kazubko. „Und deshalb wählen viele Studenten der Theaterwissenschaft München als Studienort. Eine Studiobühne, wie wir sie hier an der LMU haben, gibt es an anderen großen Universitäten wie Berlin oder Wien nicht.“

Studiobühne „on tour“ Seit den 70er Jahren bringen Studierende der LMU in der Ludwigstraße 25 ihre Theaterstücke auf die Bühne. Einige davon waren richtig erfolgreich: Mit der „Ursonate“, einem dadaistischen Lautgedicht von Kurt Schwitters, tourte die Studiobühne mehrere Jahre durch die Ukraine, Russland, Kanada und die USA. Zu Tonfolgen wie „Grimm, glimm, gnimm“ führten sie in Dirndl und Lederhosen eine Szene in einem Biergarten in Bayern auf – mit Bier, Brezen und Weißwürsten. „Ich werde nie vergessen, wie in L.A. nach der Aufführung ein älterer Herr auf mich zukam“, erzählt Kazubko. „Er wollte unser Stück sehen, weil er selbst vor vielen Jahren Deutsch gelernt hatte. Und war nun völlig verzweifelt, dass er unseren Text nicht verstanden hatte!“  Mit der „Ursonate“ auf Tournee durch die Ukraine, Russland, Kanada und die USA. Foto: Studiobühne.

Nun laufen die letzten Vorstellungen an der Studiobühne: Im Oktober wird das Gebäude saniert – und auch die Bühne der Theaterwissenschaft muss ausziehen. Langfristig soll die Studiobühne im Bahnhofsviertel eine neue Bleibe finden. Doch bis dahin wird die Bühne Gastspiele an Münchner Theatern geben: Ab dem Winterssemester sind Aufführungen im Prinzregententheater, Rationaltheater und Heppel & Ettlich geplant.

Dem Auszug aus der Ludwigstraße sieht die Leiterin der Studiobühne mit gemischten Gefühlen entgegen. Zum einen sei es eine Chance für das Theaterprojekt, findet Kazubko: Mit Aufführungen an anderen Theatern könnten sie in Zukunft ein Publikum erreichen, das überhaupt keinen Bezug zur LMU habe. „Anderseits verlassen wir jetzt den geschützten Raum der Studiobühne. Hier darf man immer auch Fehler machen – und aus jedem Flopp lernt man etwas!“

An einen Flopp wollen die Studenten, die für das Stück „Schieß doch, Kaufhaus“ proben, gar nicht denken. Fünf Wochen lang haben sie täglich sechs Stunden geprobt, sich mit dem Stück auseinandergesetzt, die Konzeption und Dramaturgie für die Bühne erarbeitet: Nun wird es endlich aufgeführt. „Lampenfieber ist natürlich immer dabei“, erklärt Andreas, der seit dem 3. Semester bei der Studiobühne ist. „Aber es ist auch ein tolles Gefühl, auf der Bühne zu stehen oder etwas Neues auszuprobieren. Außerdem habe ich viele Freunde durch die Studiobühne gefunden.“    cdr

Die Sommerspiele 2015 sind noch bis Ende Juli auf der Studiobühne der LMU zu sehen. Vom 20. bis 23. Juli laufen die letzten Aufführungen am alten Standort: Mit dem Stück „Anmutige Gegend“, der Abschlussproduktion der Theaterwissenschaft München, verabschiedet sich die Studiobühne von der Ludwigstraße 25.

Wonach suchen Sie?