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Die Ursprünge des Lebens entdecken

25.11.2021

Zu dem Moment, als aus unbelebter Materie völlig Neues entstand: Wie der SFB "Emergence of Life" und das Deutsche Museum das Spiel AEON entwickelten.

Die junge Erde stand noch unter heftigem Beschuss aus dem Weltall. | © Priyanka Oberoi

Knapp vier Milliarden Jahre vor unserer Zeit: Die junge Erde ist zwar noch kein sehr gemütlicher Ort, aber inzwischen abgekühlt. Das Bombardement mit Kometen und Meteoriten hat seine Spuren hinterlassen, die Kollision mit dem marsgroßen Planeten Theia hat dabei den Mond und das Erdmagnetfeld entstehen lassen. Dicke Wolken hängen nun am orangefarbenen Himmel und der Ozean ähnelt einer grünlichen Suppe. Viel Land gibt es noch nicht, nur ein paar nackte schwarze Felsen ragen aus dem schlammigen Wasser. Aber tief unten im Meer ­­– oder vielleicht auch ganz woanders ­­– tut sich etwas: erstes Leben entsteht aus einfachen Biomolekülen wie Fettsäuren und Aminosäuren, die sich zu Membranen und RNA-Sequenzen zusammenfinden. Irgendwann muss dann die kleinste Einheit alles Lebendigen entstanden sein: eine erste Zelle, umhüllt und begrenzt von einer Membran.

Aber wie genau kam es zu dieser ersten Proto-Zelle? Wie lief die wundersame Verwandlung von toter Materie in etwas Lebendiges ab? Damit beschäftigen sich Forschende vieler Disziplinen und stehen dabei noch vor einem großen Rätsel. Die Kräfte zu bündeln könnte helfen, so wie es im Sonderforschungsbereich CRC 235 „Emergence of Life“ geschieht.

Das Strategiespiel AEON beschäftigt sich mit Hypothesen zu den Anfängen des Lebens. | © Priyanka Oberoi

„Emergence of Life bringt Forschende aller Bereiche zusammen und fördert den Austausch“, sagt LMU-Professor Dieter Braun, Sprecher und Koordinator des CRC. Es geht dabei um eine Synthese von Ansätzen aus der Astronomie, Biologie, Chemie, Geologie und Physik.

Auch die Faszination der Wissenschaft rund um die ersten Schritte des Lebens auf der Erde wollen die Forschenden teilen. Einige der vielen Thesen lassen sich daher nun mit dem von einer Gruppe des CRC 235 gemeinsam mit dem Deutschen Museum entwickelten Strategiespiel AEON erkunden. Gewonnen hat dabei, wer in einer Welt chemischer Moleküle als erster die basalen Mechanismen des Lebens etabliert. Und dahin führen viele mögliche Wege. „Innerhalb des CRC wird an ganz verschiedenen Hypothesen geforscht, das spiegelt sich auch im Spiel wieder,“ sagt LMU-Alumni Dr. Karl Wienand, der als Postdoktorand für die Kommunikation des CRC zuständig ist und die Idee zu AEON hatte.

Hydrothermale Schlote am Meeresboden sind nur ein Ort, an dem das Leben entstanden sein könnte. | © Priyanka Oberoi

Grundlegende Prozesse des Lebens

„Es gibt drei Mechanismen, die in der Forschung als entscheidend für die Entstehung von Leben gelten: eine umhüllende Membran, Metabolismus und Replikation,“ erklärt Bernhard Altaner, einer der Entwickler von AEON. Metabolismus, Stoffwechsel, ist dabei der grundlegende Prozess, bei dem Energie gewonnen und komplexere Moleküle aufgebaut werden. Replikation ist der Vorgang, durch den sich Biomoleküle kopieren.

Die Forschung rund um den Beginn des Lebens hat unterschiedliche Ideen dazu, wie genau diese drei Prozesse das erste Mal stattfanden und welcher am Anfang stand. Es könnte mit durch Metalle katalysierten Reaktionsnetzwerken chemischer Moleküle begonnen haben, in denen aus einfachen Verbindungen immer komplexere Strukturen entstanden. Oder es waren Lipide, die spontan Kugeln bildeten und so den Vorläufer einer ersten Zelle darstellten. Oder stand am Anfang doch eine Welt aus sich selbst replizierenden RNA-Sequenzen?

Die Hypothesen zum Wie sind vielfältig, ebenso wie die zum Wo. Zu den Kandidaten gehören hydrothermale Quellen in der Tiefsee und heiße Quellen oder Tümpel in vulkanisch aktiven Zonen an Land. Die Kombination aus Energie spendender Hitze und einer hohen Konzentration von chemischen Verbindungen könnten an solchen Orten die Entstehung von Leben begünstigt haben. Auch in kleinen Poren in Eis, die flüssiges Wasser enthalten, wird ein möglicher Geburtsort des Lebens vermutet. In dieser kalten Umgebung wären die physikalischen und chemischen Voraussetzungen andere als in vulkanischer Hitze, was Einfluss auf die ersten Schritte in Richtung Leben gehabt hätte. Ob auch Biomoleküle aus dem Weltall zur Entstehung des Lebens beitrugen, können Forschende indes ebenfalls nur vermuten.

Grenzen der Erkenntnis

„Wir haben keine wirklich gute Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Lebens,“ sagt Karl Wienand. Er beschäftigt sich nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Museum damit, wie man die Forschung hinter AEON in einer Ausstellung darstellen kann. Dazu gehört auch zu verdeutlichen, dass vieles noch im Bereich der Spekulation liegt: Jede der Hypothesen könnte stimmen – oder keine. Vielleicht entstand das Leben sogar mehrere Male parallel, auf andere Art an verschiedenen Orten.

Werden wir denn dann überhaupt je wissen wie es war? Wahrscheinlich nicht, denn Fossilien gibt es nicht aus dieser Zeit. Forschende können nur versuchen, im Labor die Bedingungen auf der frühen Erde nachzustellen. „Man kann heute bereits gewisse Aspekte der chemischen Evolution im Labor nachstellen, ob aber ob sich die Entstehung des Lebens wirklich einmal im Reagenzglas wiederholen lässt, ist fraglich,“ so Bernhard Altaner. Aber, ergänzt Karl Wienand: „Man hätte damit dann auch nur einen möglichen Weg gefunden und ohne Zeitmaschine werden wir nie wissen, ob es vor vier Milliarden Jahren auch so war.“

Das Spiel

© Priyanka Oberoi

Die Idee entstand im Frühling bei virtuellen Treffen des interdisziplinären und universitätsübergreifenden Sonderforschungsbereichs „Emergence of Life“, eine neunköpfige Gruppe aus Promovierenden und Post-Docs von LMU, TUM und Helmholtz-Zentrum München machte sich an die Umsetzung. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museum entwickelten sie ein Brettspiel, das wissenschaftliche Erkenntnisse über den Beginn des Lebens auf der Erde spielerisch vermittelt. Gewonnen hat, wer als erstes primitives Leben produziert. Zum selbst Ausdrucken gibt es das Spiel bereits. Mittels Crowd-Funding haben die Entwickler AEON nun professionell produziert, sodass das Spiel noch in diesem Jahr im Museumsshop des Deutschen Museums zu erwerben sein wird. Im kommenden Sommer wird sich im Deutschen Museum die Ausstellung „Simpel. Komplex. Lebendig.“ mit der Entstehung des Lebens beschäftigen und das Spiel dafür museumspädagogisch für Schulklassen aufbereiten.

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