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Dotierung eines Quantenmagneten

05.08.2024

Ein MCQST-Team unter Beteiligung von LMU-Forschenden hat ein Verfahren entwickelt, um dotierte Quantenmagnete in Atomen oder kalten, polaren Molekülen mit optischen Pinzetten zu realisieren.

Magnetismus ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das wir alle kennen und in unserem Alltag erleben, von den Küchenmagneten am Kühlschrank bis zur Festplatte in unserem Computer. Aus mikroskopischer Sicht besteht das Material eines Küchenmagneten aus sogenannten „Spins“. Diese lassen sich als winzige mikroskopische Magnete verstehen, die sich alle in dieselbe Richtung ausrichten und so ein magnetisches Moment im Material erzeugen.

Es gibt verschiedene Arten magnetischer Anordnungen in Festkörpermaterialien wie Paramagnetismus oder Diamagnetismus, bei dem ein Material von einem Magnetfeld schwach angezogen bzw. abgestoßen wird, und Antiferromagnetismus, bei dem sich die einzelnen Spins vorzugsweise schachbrettartig und entgegengesetzt ausrichten.

Stark korrelierte Materialien wie Hochtemperatursupraleiter und Schwere-Fermionen-Supraleiter weisen ein reichhaltiges Phasendiagramm mit verschiedenen magnetischen Ordnungen auf, wobei die zugrundeliegenden Elektronen die magnetischen Spin-Freiheitsgrade tragen. Supraleitung entsteht, wenn die einzelnen Elektronen beginnen, sich zu paaren, und ein kollektives Verhalten zeigen.

Enorme technologische Bedeutung

In einem Supraleiter kann der Strom ohne Widerstand fließen, daher sind supraleitende Materialien von enormer technologischer Bedeutung. Eine bisher ungelöste Frage ist, wie und warum sich die Elektronen in einem Hochtemperatursupraleiter – wie etwa in Kupferoxidverbindungen – paaren. Allgemein nehmen Forschende an, dass die magnetischen Wechselwirkungen den Klebstoff für die Paarung liefern.

Aus mikroskopischer Sicht können sich die Elektronen in einem schachbrettartigen antiferromagnetischen Muster anordnen. Ausgehend von diesem Zustand lassen sich einzelne Elektronen (oder Ladungsträger) entfernen und dadurch werden bewegliche Leerstellen eingeführt. Die Bewegungen der Leerstellen hinterlassen eine Spur in der antiferromagnetischen Ordnung, so wie in einem Schiebepuzzle: Man erhält einen sogenannten dotierten Quanten-Antiferromagneten. Die beweglichen Ladungsträger führen zu einer neuen Ebene der Komplexität im Quantenmagneten, die theoretisch extrem schwer zu beschreiben ist und seit 30 Jahren intensiv erforscht wird. Es ist die Konkurrenz zwischen der Bewegung der Ladungsträger und der Spinordnung, die entscheidend für das Verständnis des zugrundeliegenden Mechanismus für Hochtemperatur-Supraleitung in Kupferoxidverbindungen ist.

Neuartige Plattform für Experimente

In einer kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Arbeit schlagen Forscher des Munich Center for Quantum Sciene and Technology (MCQST) – in Zusammenarbeit mit Forschern der Universitäten Regensburg, Heidelberg und Harvard – ein neues Schema vor, um dotierte, bosonische Quantenmagnete in modernen Experimenten mit kalten Atomen und Molekülen zu implementieren. Anstatt das physikalische Tunneln beweglicher Ladung zu benutzen, entwickeln sie ein Protokoll, das die innere Struktur von Atomen und Molekülen nutzt, um die Freiheitsgrade von Ladung und Spin zu realisieren.

Dieser Ansatz bietet neue Stellschrauben für die Erforschung dotierter Quantenmagnete. Einerseits zeigen sie, dass der Grad der Mobilität des Defekts sehr flexibel ist. Andererseits lassen sich damit zahlreiche Geometrien von Gittern und sogar nicht-periodische Strukturen realisieren. Ein von der Gruppe um die LMU-Forscher Lukas Homeier, Professor Fabian Grusdt und Professor Ulrich Schollwöck vorgeschlagenes Schema beschreibt die Realisierung eines solchen antiferromagnetischen, dotierten Quantenmagneten in kalten Rydbergatomen und polaren Molekülen, gefangen in optischen Pinzetten.

„Erste experimentelle Versuche in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Antoine Browaeys von der Université Paris-Saclay und dem Institut d'Optique zeigen, dass das von uns vorgeschlagene Schema funktioniert“, sagt Lukas Homeier, Doktorand der Gruppe Quanten-Vielteilchentheorie an der LMU und Hauptautor der Studie. „Damit bietet unser Protokoll eine neuartige und realistische Plattform, um das Zusammenspiel von Antiferromagnetismus und mobilen Ladungsträgern zu untersuchen.“

Lukas Homeier, Timothy J. Harris, Tizian Blatz, Sebastian Geier, Simon Hollerith, Ulrich Schollwöck, Fabian Grusdt, and Annabelle Bohrdt. Antiferromagnetic Bosonic t–J Models and Their Quantum Simulation in Tweezer Arrays. Physical Review Letters, 2024.

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