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„Ein neues Zeitalter der Lehre“

09.05.2022

Vizepräsident Oliver Jahraus spricht im Interview über die Zukunft der Lehre und darüber, was sie für eine Exzellenzuniversität bedeutet.

Anlässlich des großen Symposiums im Rahmen des Verbunds „ProfiLehrePlus“ vom 09. bis zum 13. Mai sprach Vizepräsident Oliver Jahraus über die Zukunft der Lehre und darüber, was sie für eine Exzellenzuniversität bedeutet.

Was für einen Stellenwert hat Lehre im Kontext einer Exzellenzuniversität?

Prof. Jahraus: Oftmals wird das Verhältnis zwischen Forschung und Lehre so verstanden, als ob es eine Waage wäre. Wenn also eine Universität sehr stark in der Forschung ist und diese Waagschale an Gewicht gewinnt, geht die andere hoch und verliert an Bedeutung. Gegen diese Idee wehre ich mich vehement, weil Forschung und Lehre an der Universität eine so enge Verbindung eingehen. Das heißt, eine Universität, die exzellent in der Forschung ist, muss auch exzellent in der Lehre sein. Denn herausragende Lehre bringt herausragende Forscherinnen und Forscher hervor. Und genauso orientiert sich gute Lehre immer an der aktuellen Forschung, die an der Universität geleistet wird. In meinen Augen gibt es also keine Waage, sondern Gleichrangigkeit. Wir wollen unseren Studierenden vom ersten Tag forschungsbasierte Lehre bieten. Das ist uns sehr wichtig und das wollen wir auch in die Universitätsöffentlichkeit hinein signalisieren. Zum Beispiel durch Preise für Studierende, die selbst eigene Forschungsprojekte auf die Beine gestellt haben, weil sie früh eine Art der Lehre erfahren haben, die Forschung nicht nur zeigt, sondern sie auch erlebbar macht.

Professor Oliver Jahraus vor Bücherregalen im Philologicum

Der Germanist Prof. Oliver Jahraus ist seit 2019 Vizepräsident für den Bereich Studium an der LMU.

© LMU

Als Vizepräsident für die Bereiche Studium und Lehre stehen Sie im engen Austausch mit den Fakultäten. Wie haben Sie die letzten Corona-Semester erlebt?

Die letzten Semester waren in jedem Fall eine ganz besondere Herausforderung. Ich war ein halbes Jahr als Vizepräsident im Amt, als Corona kam. Was ich da erlebt habe, das hätte ich nie für möglich gehalten. Sowohl an Herausforderungen als auch an Potenzialen. Man muss sich zunächst die Zahlen einmal vor Augen führen: Bei 54.000 Studierenden und 8.000 Lehrveranstaltungen pro Semester haben wir es geschafft, wortwörtlich von einem Tag auf den anderen auf digitale Lehre umzustellen. Und dass wir das geschafft haben, lag daran, dass so viele Menschen an dieser Universität, besonders die Lehrenden im Mittelbau, aber auch die Studierenden, diese gewaltige Umstellung mitgemacht und mitgetragen haben. Das war eine gemeinschaftliche Meisterleistung und „gemeinschaftlich“ ist hier wirklich das entscheidende Wort.

Viele Kolleginnen und Kollegen wünschten sich in dieser Phase allerdings auch von mir als Mitglied der Hochschulleitung mehr Planungssicherheit. Ich wusste, dass dieser Anspruch mehr als gerechtfertigt ist, aber auch, dass ich diese Sicherheit nicht geben konnte. Wir haben trotzdem versucht, Kehrtwenden der Corona-Politik so gut wie möglich abzufedern. Deswegen haben sich die Vizepräsidenten für Studium und Lehre der bayerischen Universitäten während dieser Zeit auch alle zwei Wochen getroffen.

Wie hat die LMU ihre Lehrenden dabei unterstützt, Lehrveranstaltungen zu digitalisieren?

Eine besondere Herausforderung war, dass der große Rückbau nach der Beendigung des Bund-Länder-Programms „Qualitätspakt Lehre“ relativ zeitgleich zur Coronapandemie lief. Wir mussten uns also in zweierlei Hinsicht schnell neu sortieren. Ganz besonders hervorheben will ich PROFiL, das Lehrqualifikationsprogramm der LMU, das sich in dieser schwierigen Zeit noch stärker als Anlaufstelle etabliert hat, um zu lernen, wie man digitale Lehre didaktisch anspruchsvoll gestalten kann. Auch die zentrale Verwaltung, das IT-Dezernat und die eUniversity haben Beratungs- und Unterstützungsangebote eingerichtet, an die sich Lehrende wenden konnten.

Da eine große Umstellung der Lehre aber auch immer mit Kosten verbunden ist, die wir nicht direkt aus eigenen Mitteln decken können, sind wir auch in neue Ausschreibungsrunden gegangen. Zum Beispiel von der Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“, wo auch PROFiL im bayerischen Verbund „ProfiLehrePlus“ erfolgreich war. Das dazugehörige Symposium „Konstruktiv, wertschätzend, digital – Beraten in der Hochschullehre“, das nun stattfindet, ist ein eindeutiges Startsignal in eine neue Zeit.

09 Mai
13 Mai

Konstruktiv, wertschätzend, digital – Beraten in der Hochschullehre

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Was hat es mit dem Verbund ProfiLehrePlus auf sich, der das Symposium ausrichtet?

Alle bayerischen Universitäten, die Universität der Bundeswehr und die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) sind Teil von „ProfiLehrePlus“. In Bayern gibt es schon immer eine enge Vernetzung der Universitäten im Hinblick auf Lehre und auch eine Vernetzung der entsprechenden Stellen an den Universitäten, die diesen Bereich operativ abdecken. Weil diese Infrastruktur schon bestand, war es eigentlich nur natürlich, dass sich die LMU in diesem Verbund an der neuen Ausschreibung „Innovation in der Hochschullehre“ beteiligt. Ziel ist es, die Qualität der digitalen Lehre an den Universitäten in Bayern zu steigern. Mit unserem ersten großen Symposium wollen wir deutlich zeigen: Dieser Verbund bewegt etwas. Es geht um das Thema Beratung als Impulsgeber für eine didaktisch anspruchsvolle digitale Lehre. Ein wichtiges Thema, das mit vielen großartigen Workshops, Vorträgen und Keynotes von vielen Seiten beleuchtet wird.

Inwiefern profitiert die LMU von einer universitätsübergreifenden Zusammenarbeit in der Lehre?

Natürlich ist die LMU groß und wir haben Potenziale, die andere kleinere Universitäten vielleicht nicht haben. Aber trotzdem können wir viel von anderen Hochschulen lernen. Bei einem solchen Verbund geht es also immer darum, sich gegenseitig Anregungen zu geben und sich auch über die gemeinsamen Rahmenbedingungen der Lehre in Bayern auszutauschen.

Gleichzeitig haben die bayerischen Universitäten im Verbund auch größeren Einfluss darauf, diesen Rahmen gemeinsam mit der Politik zu gestalten, sodass er günstigere Bedingungen für die Verbesserung und den Ausbau der digitalen Lehre bietet.

Eine Universität von der Größe der LMU hat aber bestimmt auch für sich einzigartige Herausforderungen zu meistern.

Natürlich. Wir haben 18 Fakultäten, unzählige Departments und je nach Zählart bis zu 400 Studiengänge. Ein Lehrkonzept über diese Vielfalt an Fachbereichen zu stülpen, kann gar nicht funktionieren. Einzigartig für die LMU ist, dass das aber auch gar nicht gewünscht ist, sondern dass den Fachbereichen die Freiheit gelassen wird, eine für sich optimale Lehrkultur zu entwickeln und auch einmal Dinge auszuprobieren. Deswegen sehe ich meine Aufgabe als Vizepräsident für den Bereich Studium darin, ein Gespräch zur Verbesserung der Lehre zu moderieren und eine Gesprächskultur aufzubauen. Ich denke da beispielsweise an den „Tag für gute Lehre", der das Thema in den Mittelpunkt rückt, und die Forscherpreise für Studierende, die Forschungsaktivitäten im Studium honorieren und fördern sollen.

Was sind Ihre Zukunftspläne für die Lehre an der LMU, nun da in vielen Bereichen wieder zum Normalbetrieb übergegangen wird?

Wir befinden uns gerade in einer spannenden Zeit, denn wir stehen vor der großen Frage: Wie sieht die neue Zeit nach dem Notregime Corona aus? Eins kann ich direkt sagen und das ist: Die LMU ist keine Fernuniversität. Unser Kern ist der direkte Austausch von Mensch zu Mensch in den Veranstaltungen, Vorlesungen, im Seminar, aber auch darüber hinaus, das universitäre Leben, der Austausch von Studierenden, der Austausch von Gruppen an der Universität.

Wir haben während Corona allerdings auch viel über digitale Lehrformen gelernt. Das kommt jetzt alles nicht in die Mottenkiste. Wie setzen wir das in Zukunft ein? Wo ist es eigentlich sinnvoll? Darauf gibt es keine universelle Antwort. Für meine Moderationsaufgabe wird das eine besonders aufregende Zeit. An den Fakultäten laufen die Überlegungen schon. Mein Ziel ist es, alle an diesem Prozess teilhaben zu lassen. Die LMU unterstützt diesen Prozess mit erheblichen Mitteln und hat einen Fonds für die Unterstützung der Lehre aufgelegt. Denn wir können uns sicher sein, dass die Zukunft nicht mehr so aussehen wird wie die Zeit vor Corona, sondern dass wir ein neues Zeitalter in der Lehre erleben werden.

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