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„Eine Heimat im Herzen der Stadt“

22.11.2018

Die Theaterwissenschaftler der LMU haben nach drei Jahren wechselnder Auftrittsorte endlich wieder eine eigene Spielstätte – und die kann sich sehen lassen.

Film: Studiobühne

Ein wenig, sagt Katrin Kazubko, habe sich ihre Theater-Truppe die vergangenen drei Jahre „so gefühlt, wie Nomaden“. Ständig sei man auf der Suche nach einer neuen Spielstätte gewesen, erinnert sich die 60-jährige Leiterin der Studiobühne der Theaterwissenschaften der LMU. Nachwuchs-Akademiker mit einer Vorliebe für das Theaterspielen mussten mitunter starke Nerven mitbringen. „Einmal spielten wir in dem einen, dann wieder in einem anderen Haus“, erinnert sich Kazubko. Die Studenten mussten in Freimann im Norden der Landeshauptstadt in einem extrem kleinen Raum proben.

Kazubko weiß noch genau: „Die Schauspieler hatten dort nicht einmal einen echten Umkleideraum.“ Auch sei es extrem umständlich gewesen, die gelagerten Requisiten sowie Teile der Technik ein ums andere Mal in ein anderes Theater zu transportieren. Vor allem jedoch war es für die promovierte Dramaturgin, die bei der Studiobühne mitunter auch als eine Art Mädchen für alles fungiert, schwierig, überhaupt geeignete Räume für Aufführungen zu finden – schließlich haben die Münchner Theater ja selbst die meiste Zeit eigene Aufführungen. Kazubko meisterte die logistische Leistung. Die Studenten des Studiobühnen-Teams stellte die Raumnot allerdings ebenfalls vor große Herausforderungen. „Die Fahrt nach Freimann war ein richtiger Zeitfresser, auch musste man sich ja erst einmal auf eine neue Spielstätte einstellen“ sagt ein Student, der die Umzüge miterlebt hat. Und die treue Fangemeinde der Studiobühne wusste am Ende kaum noch, in welchem Münchner Theater gerade gespielt wird.

Doch der Weg zum neuen Standort war kein leichter - nachdem die Studiobühne ihr bisheriges Zuhause in der Ludwigstraße 25 im Jahr 2015 räumen musste, sah es nicht unbedingt danach aus, dass die LMU ein neues - und dann auch noch so zentrales - Zuhause finden würde. Das Gebäude in der Ludwigsstraße wurde zwar saniert – doch eine Rückkehr war ausgeschlossen. Ein Versuch der Uni, ein Kino in München-Neuhausen als neues Quartier zu gewinnen, scheiterte. Umso glücklicher ist Kazubko über die neuen Räume : „Wir haben mitten im Herzen der Stadt eine Heimat gefunden.“ Neuturmstraße 5, Eingang am Kosttor – nicht weit von Kammerspiele und Nationaltheater sowie den schicken Geschäften und Cafés der Maximilianstraße entfernt, wo jeden Tag die Schickeria ihr ganz eigenes Münchner Theater aufführt.

Vom Schauspieler bis zum Pressesprecher - jeder Student kann alle Bereiche des Theaters kennenlernen Längst zählt zumindest für Theaterfans die Studiobühne auch zu den kulturellen Highlights an der Isar. Sie sei „etwas Außergewöhnliches“, heißt es auf der Internetseite der Studiobühne nicht zu Unrecht. Seit mehr als einem halben Jahrhundert können dort Studenten der Theaterwissenschaften eingebettet in den Lehrbetrieb jede Menge Praxiserfahrung sammeln. Während das Theaterwissenschafts-Studium an sich sehr theoretisch ist, können die angehenden Akademiker hier ihren möglichen späteren Arbeitsplatz von der Pike auf in einem realitätsnahen Umfeld kennenlernen. Sie können Klassiker, eigene Stücke oder Musik- und Tanzstücke inszenieren - von der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung ist jeder voll eingebunden.

Die jungen Frauen und Männer dürfen Regisseur oder Schauspieler sein, Kostüme entwickeln, Bühnen bauen, Pressearbeit machen oder an jedem anderen erdenklichen Feld des Theaters ihr Talent live erproben. „Die Studierenden haben bei uns ein sehr hohes Maß an Freiheit und Selbständigkeit“, sagt Kazubko. Sie können Probieren und auch einmal scheitern. Als „Experimentierraum“, lobte auch die „Süddeutsche Zeitung“ die Münchner Institution einmal. Mit der Studiobühne hebt sich die LMU von einer Vielzahl anderer renommierter Theaterwissenschafts-Studiengänge wie etwa in Berlin oder Wien ab, die über keine eigene Bühne verfügen. Manche Studenten wechseln deshalb sogar extra an die Isar.

Seit einem Vierteljahrhundert führt Kazubko nun schon die Geschicke der Bühne. Die promovierte Dramaturgin ließ beim Tauziehen um eine neue Bühne nicht locker – mit Erfolg. Zufrieden blickt sie an diesem Septembertag in den weiten Saal mit seiner hohen Decke. „Wir sind der Uni wirklich dankbar, für diese tollen Räumlichkeiten.“ Bis zu 90 Zuschauern bietet je nach Bestuhlung allein der Bühnenraum der ehemaligen Disco nun Platz. Ein paar Studenten üben dort gerade ein historisches Stück. Das seien „wirklich schöne Räume“, lobt ein Student, der sich mit einem Hut und noblen Hemd als russischer Edelmann verkleidet hat. Die gesamte technische Ausrüstung ist neu. „Wir haben je nach Bedarf Scheinwerfer mit klassischem Theaterlicht oder LED-Lampen und eine super Tonanlage“ sagt Kazubko.

Dass der Einzug rechtzeitig zu ihrem 25-jährigen Jubiläum und mit Beginn des Wintersemesters geklappt hat, freue sie „ganz besonders“. Alle Räume zusammen haben Kazubko zufolge eine Fläche von 800 Quadratmeter, alleine der Bühnensaal misst rund 200 Quadratmeter.

Modernste Technik Der Besucher muss erst eine Treppe hinuntergehen. Im Treppenhaus hängen überall Fotos vergangener Stücke. Kazubko führt den Besucher herum. Der großer Umkleideraum biete nun nicht nur auch ausreichend Platz zum Schminken, sondern auch etwas Privatsphäre. „Außerdem haben wir endlich Duschen und das Gebäude ist barrierefrei“, sagt sie während sie einen besonders großen Raum aufsperrt.

An Kleiderstangen hängen unzählige Kostüme. „Als ich angefangen habe hatten wir kaum Requisiten. Aber mittlerweile ist der Fundus enorm“, erläutert Kazubko stolz. Da ist etwa eine Schlaghose aus dem 1960-Jahren – „heute wohl so gut wie nicht mehr zu bekommen.“ Auch die Regale sind voll, etwa mit einem Radio, das wohl mindestens einen Weltkrieg überdauert hat oder einer mehr als ein halbes Jahrhundert alten Schreibmaschine. Alles hat hier seine Ordnung. In den vergangenen Jahren habe man dagegen den umfassenden Fundus kaum nutzen können, erinnert sich Kazubko. Noch wichtiger sei jedoch, dass die Studenten wegen der größeren Fläche schlicht mehr Platz zum Üben hätten. Wegen des Plus an Räumen können sich die Studierenden bei Bedarf auch besser in verschiedene Projektgruppen aufteilen als noch in der Ludwigsstraße.

Für zehn Jahre hat die LMU die Räume gemietet. „Das gibt uns Planungssicherheit“, sagt Kazubko. Doch der Umzug ist nicht nur eine Investition in die Theater- und Kulturbranche. Nur ein kleiner Teil der Theaterwissenschaftler, die hier spielen, würden später am Theater arbeiten oder gar Schauspieler oder Regisseur werden, erläutert Kazubko: „Doch die jungen Leute nehmen hier viel für ihr späteres Berufs- und Privatleben mit.“ Über die Jahre hinweg habe sie gemerkt, dass sich die Kommunikation der Studenten durch das Smartphone verändert habe. „Sie reden weniger miteinander, zeigen weniger Gestik und Mimik“, so Kazubko. Doch auf der Bühne lernten sie „das freie Sprechen“. Manche lernen dort langsamer und ruhiger zu Sprechen – anderen werde in ihrer Zeit als Schauspieler bewusst, wie wichtig der Blickkontakt ist – auch außerhalb der Kulturbranche wichtige Eigenschaften. „Und sie lernen eine bessere Körperbeherrschung“, erläutert Kazubko.

In einem der zahlreichen Räume machen mehrere angehende Schauspieler gerade Atemübungen – es gibt ja schließlich nun auch genug Platz zum Strecken. Die LMU-Theatertruppe will auf der Studiobühne acht bis zehn Stücke pro Semester aufführen. Los ging es bei der Eröffnung Mitte Oktober mit der Tanz-Aufführung „inSight“. Laut Studiobühne kreiert das Stück „den Wunschtraum eines völlig befreiten Körpers, der seine verschiedenen Zustände auslebt“. Viele spannende Aufführungen sollen folgen.

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