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„Es ist völlig normal, beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben zu zweifeln“

23.02.2023

Stockt die Seminararbeit? Dann nichts wie hin zum Schreibmarathon und der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten an der LMU.

Die Veranstaltungen des Schreibzentrums der LMU finden von 27.2.23 bis 2.3.23 statt. Gesamtkoordinatorin Tina Werner-Werhahn spricht im Interview über Schreibtypen, den „Roten Faden“ beim wissenschaftlichen Schreiben und was zur Motivation von Studierenden und Promovierenden beiträgt, endlich mit dem Schreibprojekt anzufangen.

Schreibberatung bei der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten

© Fiona Schweizer

Welche ersten Tipps haben Sie für Studierende, die eine Hausarbeit oder ihre Abschlussarbeit schreiben müssen?

Tina Werner-Werhahn: Tauschen Sie sich mit Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen über Ihre Themen und Schwierigkeiten beim Schreiben aus! Es ist völlig normal, beim wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben zu zweifeln, überfordert zu sein, nicht weiterzukommen.

Als ich – vor mittlerweile beinahe zehn Jahren – an meiner Bachelorarbeit saß, habe ich irgendwann voller Verzweiflung meinem Betreuer eine E-Mail geschrieben und gefragt, ob er sich mal einen Ausschnitt aus meiner Arbeit durchlesen kann, weil ich den Eindruck hatte, dass wirklich alles für die Tonne ist. Ein Teil seiner Antwort war: „Die Zweifel sind ganz normal; ich habe auch immer noch bei jedem Text Selbstzweifel.“

Schreiben Sie bei Schreibhemmungen einfach drauf los – nicht mit dem Ziel, dass der Text in die Arbeit kommen soll, sondern nur für sich selbst: So können Sie Inhalte besser verstehen, neue Zusammenhänge entdecken und sich über das Ziel Ihrer Arbeit bewusst werden.

Warum prokrastinieren viele Studierende bei ihren Hausarbeiten?

Ich denke, dass wir oft dann prokrastinieren, wenn wir nicht genau wissen, wie wir eine Aufgabe angehen sollen. Vielen Studierenden ist tatsächlich nicht klar, wie eine Hausarbeit aussehen soll – und wie sollte es das auch, gerade zu Studienbeginn? Sie fühlen sich dann mit der Aufgabe alleingelassen und prokrastinieren aus Überforderung.

Es gibt natürlich auch andere Ursachen: Perfektionismus zum Beispiel. Diese Studierenden wollen erst etwas zu Papier bringen, wenn sie es zu 100 Prozent durchdacht haben und zufrieden damit sind. Der Witz ist aber, dass sich Gedanken oft erst beim Schreiben entwickeln.

Den „Roten Faden“ finden

Welche Probleme haben Studierende häufig beim wissenschaftlichen Schreiben?

Sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden höre ich am häufigsten, dass es Schwierigkeiten mit dem „Roten Faden“ gibt. Vielen, die zu uns in die Beratung kommen, ist nicht klar, dass sie überhaupt eine wissenschaftliche Fragestellung brauchen. Sie haben oft ein zu großes Themengebiet im Kopf und wollen dazu dann etwas schreiben. Wenn allerdings der Fokus fehlt, wissen sie nicht, in welche Richtung sie loslaufen sollen.

Der zweite Knackpunkt kann dann darin liegen, dass nicht klar ist, was „wissenschaftlich“ in einem bestimmten Fachkontext eigentlich meint. Was unterscheidet etwa eine literaturwissenschaftliche von einer linguistischen oder fachdidaktischen Fragestellung? Es reicht nicht, irgendeine Frage zu stellen, die mit dem Seminarthema zusammenhängt. Es muss eine im fachlichen Kontext relevante Frage gestellt werden. Für ein solches Know-how müssten die Studierenden viel tiefer im jeweiligen Fach sozialisiert sein, als sie es – gerade zu Studienbeginn – sind. Das braucht Zeit und einen intensiven Umgang mit Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen scientific community, um den man sich bemühen muss.

Schreibberatungen auf Peer-Ebene

Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten: Ablauf und Programm

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Wie können Sie die Studierenden unterstützen?

Sowohl bei der Langen Nacht als auch beim Schreibmarathon werden in Schreibberatungen auf Peer-Ebene von eigens dafür ausgebildeten Schreibtutorinnen und -tutoren, die in der Regel ganz ähnliche Erfahrungen selbst gemacht haben, Strategien und Methoden weitergegeben – wie man zum Beispiel sein Thema eingrenzen, die Arbeit strukturieren oder die Rohfassung überarbeiten kann.

Manchmal geht es auch nur darum, dass die Studierenden über ihre Unsicherheiten sprechen können und Bestätigung in ihrem Vorgehen brauchen. Die Schreibberatungen können die Teilnehmenden auf beiden Events direkt vor Ort buchen.

In unseren Workshops und Übungen zum wissenschaftlichen Schreiben, die wir nur auf der Langen Nacht anbieten, können die Studierenden sich bestimmte Themen aussuchen, die für sie besonders relevant sind. Ich persönlich freue mich besonders auf einen Beitrag von Dr. Bernhard Goodwin vom Munich Science Communication Lab, in dem es um den Zusammenhang von Verständlichkeit und Verständnis geht: Wenn wir selbst so schreiben, dass es andere verstehen, verstehen wir die eigenen Themen selbst auch besser.

Wie sieht ein gutes Zeitmanagement aus?

Um die Zeit beim Schreiben gut einzuteilen, muss man erst einmal wissen, wie der Schreibprozess aussieht – das ist ganz individuell und es gibt hier auch keine Patentlösung. Dafür ist es hilfreich, sich zu überlegen, welche Teilschritte dazugehören: Man muss recherchieren, lesen, sich über das Gelesene austauschen, ggf. Daten erheben, analysieren, interpretieren, schreiben etc. Das läuft nicht sauber nacheinander ab – Arbeitsschritte wiederholen und überlagern sich.

Ebenfalls hilfreich ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Schreibtyp. Dazu gibt es online Tests, die sehr erhellend sein können. Ganz basal geht es darum, ob man alles durchplant, bevor man schreibt, oder gleich drauflosschreibt. Kein Typ ist besser als der andere – unterschiedliche Strategien führen zum Ziel.

Kurz: Wenn man weiß, wie man beim Schreiben tickt, kann man seine Zeit auch entsprechend managen. Dazu gehört auch, zu wissen, was wann auf einen zukommt. Beim wissenschaftlichen Arbeiten heißt das auch, dass man flexibel genug bleibt für Unerwartetes und bereit ist, Pläne regelmäßig anzupassen – denn Forschung heißt eben auch, dass wir das Ergebnis nicht schon vorher kennen.

Bei den Veranstaltungen werden auch Entspannungstechniken vermittelt. Warum sind diese wichtig?

Es bringt gar nichts, sich durchgehend an den Schreibtisch zu fesseln. Schreiben ist eine anspruchsvolle und komplexe Kulturtechnik, für die wir bestimmte kognitive Ressourcen brauchen, die endlich sind. Wir müssen zwischendurch entspannen und auftanken, um insgesamt über einen langen Zeitraum einen Text schreiben zu können. PROFiL bietet dazu auf der Langen Nacht ein paar Übungen an.

Können Sie kurz erklären, wie man sich die beiden Veranstaltungen Schreibmarathon und die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten vorstellen kann?

Wir schreiben üblicherweise allein, was nicht selten in Einsamkeit mündet und zu Gefühlen des Alleingelassenwerdens führt. Dem wollen wir entgegenwirken. Beim Schreibmarathon können die Studierenden sich von unseren Schreibtutorinnen und -tutoren individuell beraten lassen; und sie sind mit anderen Studierenden zusammen, die in der gleichen Situation stecken. Bei Kaffee und Snacks – übrigens alles kostenfrei – können sie sich austauschen.

Auf der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten bieten wir zusätzlich Workshops und Übungen an. Die Universitätsbibliothek wird einen Beratungsstand für Fragen zur Literaturrecherche anbieten und eine Tutorin unseres Kooperationspartners, des Schreibzentrums der TH Rosenheim, bietet eine Zitierberatung an. Als zusätzliches Schmankerl wird es eine kreative Ecke mit Gewinnspiel geben – auch das kann eine sinnvolle Pause zum Auftanken sein – und unsere Sponsoringpartner, Lo Studente und Dompierre, versorgen alle mit Leckereien.

Bauen die Veranstaltungen aufeinander auf oder kann man auch nur zur Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten kommen?

Man kann nur an einem der Tage oder an allen kommen. Aber wir empfehlen, von Anfang bis Ende mitzumachen, weil man dann wirklich was schaffen und um einige Schreibschulden entlastet die weitere vorlesungsfreie Zeit genießen kann.

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