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„Everybody needs a mentor“

13.01.2021

Das LMU Mentoring-Programm: Von den Erfahrungen eines Älteren profitieren und so einen guten Job finden. Doch wie sieht das in der Praxis aus?

Sebastian Londoño Arango und Dr. Annette Klett-Steinbauer sind ein Team. Er, BWL-Student im letzten Semester an der LMU München, sie, Gründerin und Geschäftsführerin einer Münchner Unternehmensberatung. Zusammengebracht hat sie das Mentoringprogramm der LMU. Seit über einem Jahr steht Klett-Steinbauer ihrem Mentee beratend zur Seite. Das Ziel: ein möglichst guter Start ins Berufsleben.

Sebastian Londoño Arango ist Dr. Annette Klett-Steinbauers Mentee.

„Als klassischen Mentor würde ich mich bestimmt nicht beschreiben“, sagt Dr. Annette Klett-Steinbauer und lacht. „Wahrscheinlich würde man sich jemanden erwarten, der nach dem Studium die richtigen Erfahrungen gesammelt und seine Karriere geplant hat – das ist bei mir sicher nicht der Fall.“

Denn Klett-Steinbauer, heute Chefin einer mittelständischen Beratung, hat keine klassische Karriere hingelegt. Mit Mitte zwanzig studierte sie BWL an der LMU München, ihr Herz aber schlug für die Berge, für das Snowboard fahren. Damals war sie auf dem Sprung in die Olympiamannschaft, fuhr bereits mehrere Jahre als aktives Mitglied der Deutschen Snowboard Nationalmannschaft.

Für die Uni-Prüfungen lernte sie meistens im Flieger. Mehr nebenbei machte sie ihr Diplom, im Anschluss folgte die Promotion. Für Praktika blieb neben dem Sport keine Zeit. Der Aufbau eines eigenen, beruflichen Netzwerks: unmöglich. Doch gerade diese Erfahrungen haben Klett-Steinbauer geprägt und zeigen: Für eine Karriere braucht es nicht immer einen stringenten Lebenslauf. Dieses Wissen möchte die LMU-Alumna als Mentorin weitergeben.

„Mir hat ein Netzwerk gefehlt.“

Sebastian Londoño Arango studierte im letzten Semester BWL an der LMU München, es war Sommer 2019. Je näher der Berufseinstieg kam, desto mehr Fragen tauchten in ihm auf. „Da war ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Ich wusste nicht genau, wohin.“ Seit acht Jahren ist er in Deutschland, sein Heimatland Kolumbien, Familie und Freunde weit weg. „Wäre ich in der Heimat, wäre es vielleicht noch mal anders. Aber hier bin ich allein. Ich brauchte jemanden, der mein Netzwerk erweitert.“

Er meldete sich beim Mentoringprogramm der LMU an. Kern des Programms ist es, eine Verbindung zwischen Nachwuchs und Führungskräften herzustellen: um den Jobeinstieg nach dem Studium zu erleichtern und um Orientierung zu bieten. Zur Auswahl standen vier Mentoren, die auf Londoño Arangos Profil passten. Seine Wahl fiel auf Klett-Steinbauer. Seither ist er ihr Mentee.

Reine Know-How Vermittlung reicht nicht

Das Prinzip von Mentoring ist simpel. Jüngere profitieren von der Erfahrung und den Kontakten Älterer. Konkret bedeutet das: Eine Führungskraft begleitet einen Studierenden in der Regel ein bis zwei Jahre lang, meist in der entscheidenden Übergangsphase zwischen Uni-Abschluss und Berufseinstieg.

Im Vordergrund steht die Persönlichkeitsentwicklung des Mentees: Vertrauen, Verlässlichkeit und Verschwiegenheit spielen eine zentrale Rolle. Was den Mentee bewegt, kann er fragen. Auch ehrliche Kritik ist Teil des gemeinsamen Prozesses: Der Mentor soll fordern und fördern.

Trotzdem braucht der gezielte Austausch zwischen Jung und Alt einen festen Rahmen. Der Annäherungsprozess beginnt mit einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Mentor und Mentee. Hier wird festgelegt, wann, wie oft und unter welchen Bedingungen sie sich treffen wollen.

Die Chemie stimmte sofort

Londoño Arango und Klett-Steinbauer gingen zusammen Mittagessen. Die Chemie zwischen beiden stimmte sofort. Ein wichtiger Faktor, findet Klett-Steinbauer. „Nur wenn ich das Gefühl habe, dass mein Gegenüber authentisch ist, offen Fragen und Unsicherheiten anspricht, kann ich meinen Mentee auch gut beraten“.

Wie viel Zeit beide in die Partnerschaft investieren wollen, ist dem Tandem selbst überlassen. „Nicht selten entwickelt sich zwischen Mentor und Mentee eine Freundschaft, die jahrelang hält“, sagt Dr. Stephan Pflaum. Seit 2012 ist er der Leiter des LMU Mentoringprogramms. Nach über 2000 vermittelten Tandems aus Studierenden und Fach- und Führungskräften weiß er, dass Förderung eine wichtige Rolle in der Karriere spielt. Mehr als 800 Mentoren hat er mittlerweile in seinem Pool.

LMU Mentoring

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3:32 | 13.01.2021

Mentoring lebt von Vertrauen

Gegründet wurde das LMU Mentoringprogramm im Jahr 2001. Damals gaben die Zahlen auf dem deutschen Arbeitsmarkt Anlass zur Sorge: „Vor allem Studierende aus wirtschaftsferneren Fächern, wie den Geistes- und Sozialwissenschaften, mussten damit rechnen nach dem Abschluss keinen Job zu finden“, sagt Pflaum. Um den Übergang vom Studien- ins Berufsleben möglichst gut zu managen, wurde das Förderprogramm ins Leben gerufen. Ein voller Erfolg. Über die Jahre ist das Bewusstsein gewachsen, wie wichtig Mentoring ist – in allen Fächern.

Daher haben Studierende aller Studienrichtungen der LMU München freien Zugang zu dem Mentoring-Programm. Über eine App können sie direkt einen Beratungstermin mit Dr. Stephan Pflaum vereinbaren.

Er findet: „Jeder Mensch braucht einen Mentor, einen Sparring Partner in persönlichen und fachlichen Fragen.“ Denn ein Mentor bietet den Studierenden eine objektive Meinung. Im Unterschied zu Familie und Freunden ist er in seiner Beratung unbefangen. „Das Feedback von Personen, die einem nah stehen, ist häufig positiv eingefärbt“, weiß Pflaum. Mentoring lebt dagegen von Ehrlichkeit. Und von Vertrauen.

Den „klassischen Mentor“? Gibt es nicht

Als in ihrer Firma eine Stelle frei wurde, bot Klett-Steinbauer ihrem Mentee ein Praktikum an. Ein Glücksfall. Londoño Arango begleitete seine Mentorin im Arbeitsalltag, erlebte sie im Unternehmen, lernte von ihr in der Praxis. Nach dem Praktikum verlängert er als Werkstudent. Die Beziehung geht über eine rein zielorientierte, berufliche Verbindung hinaus.

Schon bald lernte er die zwei Kinder von Klett-Steinbauer kennen – der Kontakt auf persönlicher Ebene erleichterte es ihm Fragen zu stellen, die im Unternehmensumfeld nicht angebracht wären. „Bei ihr habe ich Fragen gestellt, die ich so niemanden hätte fragen können“, sagt Londoño Arango.

Wie verhalte ich mich gegenüber Vorgesetzen? Wie gehe ich mit kritischen Themen oder Spannungen unter Kollegen um? Welche Konditionen sind mir beim Berufseinstieg wichtig? Neben wichtigen Ratschlägen halfen auch die beruflichen Erfahrungen in Klett-Steinbauers Unternehmen bei seiner Entscheidung, wie es nach dem Studium weitergehen soll. Denn Londoño Arango findet Gefallen an seiner Arbeit in der eher kleineren, familiären Unternehmensberatung.

Karrieren müssen nicht immer stringent laufen, findet Dr. Annette Klett-Steinbauer. Nach ihrer Karriere als Profi-Sportlerin gründete sie eine Managementberatung.

„Ich will meine Mentees ermutigen“

Manchmal ergibt sich der richtige Weg per Zufall, weiß auch Klett-Steinbauer: „In meinen ersten Job in einer Consultingagentur bin ich auch reingestolpert. Ich wollte eigentlich nie Beraterin werden. Aber plötzlich habe ich bemerkt: das macht Spaß!“ Es folgten mehrere Jahre in Management- und Strategieberatungen, bevor Klett-Steinbauer zusammen mit Kollegen ihre eigene Firma gründeten.

Ihr ungewöhnlicher Werdegang hat dabei nicht geschadet, vielmehr greift sie bis heute auf ihr sportliches Netzwerk zurück, auch in Consulting-Fragen. „Oft haben Studierende keine Vorstellung, auf was die Leute aus der Praxis wirklich schauen“, sagt Klett-Steinbauer. „Meinen Mentees möchte ich mitgeben, dass Lebensläufe nicht stringent sein müssen. Ich will sie ermutigen, vieles auszuprobieren, nach rechts und links zu schauen.“

Mentoring ist nie eine Einbahnstraße

Zusätzlich zu der persönlichen Betreuung wird das Förderprogramm von Veranstaltungen flankiert: Workshops zu Themen wie „Soft Skills“ oder „Coaching“ richten sich bewusst an Mentees und Mentoren. Beide Seiten profitieren davon.

„Mentoring ist nie eine Einbahnstraße“, findet auch Klett-Steinbauer. Es ist eine Partnerschaft, von der beide Seiten profitieren können. Auch Klett-Steinbauers Firma. „Wir nutzen das LMU Programm auch als Recruiting-Plattform. Ein enger Kontakt zum Nachwuchs ist uns wichtig, um auch in Zukunft gute Leute zu finden,“ sagt sie.

Und noch ein Aspekt spricht für das Konzept: Wenn die Mentees von heute merken, wie sehr sie vom Kontakt zu den erfahrenen Managern profitieren, werden sie als Führungskräfte eine Kultur gestalten, in der diese Vernetzung noch viel selbstverständlicher sein wird als heute – ein Effekt, der sich langfristig positiv bemerkbar machen kann.

Beim Duo Klett-Steinbauer/Londoño Arango gibt es immer neue Themen: Vor drei Wochen hat Londoño Arango seinen ersten Vollzeitjob bei einer Management-Beratung begonnen. Für ihn stellt sich jetzt nicht mehr die Frage nach dem „Wohin nach dem Studium?“. Ein neuer Abschnitt hat begonnen – und auch in dieser Phase steht ihm seine Mentorin beratend an der Seite. Denn die beiden haben sich entschieden, ihre Beziehung auch nach Studienabschluss aufrecht zu erhalten.

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