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Gecko lässt die Hüllen fallen

07.02.2017

Bizarre Feindabwehr: Die madagassischen Fischschuppengeckos werfen ihr gesamtes Schuppenkleid ab, wenn sie angegriffen werden und flüchten quasi nackt.

Viele Echsen können bei Gefahr ihren Schwanz abwerfen, die madagassischen Fischschuppengeckos haben eine zusätzliche Überlebensstrategie entwickelt: Beim Angriff eines Fressfeindes, aber auch schon bei leichter Berührung fahren sie buchstäblich aus der Haut, und ihr Schuppenkleid samt der darunter liegenden Haut löst sich vom Körper ab. Auf diese Weise können die "nackten" Geckos entkommen, während der Fressfeind mit einem Maul voller Schuppen zurückbleibt. Ein internationales Team um Mark D. Scherz von der LMU und Dr. Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München beschreiben nun aktuell eine neue Art von Fischschuppengeckos (Geckolepis megalepis) in der Zeitschrift PeerJ, die ihre Schuppen besonders leicht verliert und die größten Körperschuppen aller Geckos aufweist.

Der Körper der Fischschuppengeckos ist mit großen, locker sitzenden Schuppen bedeckt, die nur zu einem kleinen Teil mit der Haut verbunden sind. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich in der unteren Hautschicht eine vorgeformte Abrisszone mit kontraktilen Strukturen befindet, die es den Geckos erlaubt, ihre Haut bei Berührung abzuwerfen. Diese sogenannte dermolytische Schreckhäutung ist offenbar eine Art Lebensversicherung, um Fressfeinden im letzten Moment zu entkommen. Sie funktioniert auch völlig anders als die normale Häutung der Reptilien, die nur die abgestorbene, oberste Hautschicht betrifft. Der entblößte Gecko kann seine Haut und sein Schuppenkleid innerhalb weniger Wochen narbenfrei regenerieren.

Diese bizarre Fähigkeit der Fischschuppengeckos stellt auch eine ernsthafte Herausforderung für Wissenschaftler dar. Um zu vermeiden, dass sie ihre Haut verlieren, ging der deutsche Naturforscher Alfred Voeltzkow schon vor mehr als 120 Jahren mit Wattebäuschen auf Geckolepis-Jagd. Heutzutage versuchen Wissenschaftler, solche Geckos in Plastiktüten zu locken, um sie möglichst berührungslos zu fangen.

Auch ihre genaue Bestimmung ist ausgesprochen schwierig. „Vor ein paar Jahren zeigte eine Publikation, dass es offenbar viel mehr Arten von Fischschuppengeckos gibt als bisher angenommen wurde“, sagt Mark D. Scherz. „Tatsächlich sind inzwischen etwa dreizehn genetische Linien in dieser Gattung bekannt, also deutlich mehr als die vier offiziell beschriebenen Arten. Eine der Linien war bereits anhand ihrer enormen Schuppen erkennbar, aber um die Art zu beschreiben, mussten wir zusätzliche Merkmale finden, die sie von den anderen Arten zuverlässig unterscheiden.“ Eines der wichtigsten Merkmale, um Reptilienarten zu bestimmen, ist ihr Schuppenmuster. Da die Geckolepis-Arten ihre Schuppen so leicht verlieren, ist es allerdings oft unvollständig oder unregelmäßig regeneriert. Zudem erreichen wahrscheinlich nur wenige Tiere das Erwachsenenalter mit einem unverfälschten Original-Schuppenkleid.

Auf der Suche nach weiteren Unterscheidungsmerkmalen erwies sich die Mikro-Computertomographie (Mikro-CT) als sehr informativ. Diese Methode liefert dreidimensionale Röntgenbilder von Objekten (zum Beispiel Skeletten) und erlaubt es, die innere Anatomie von Tieren schnell und nicht-invasiv zu untersuchen. Auf diese Weise gelang es den Forschern, einige Merkmale des Schädels zu identifizieren, die ihre neue Art von allen anderen unterscheidet.

Besonders bemerkenswert an der neuen Spezies Geckolepis megalepis sind ihre riesigen Körperschuppen, die größer sind als bei allen anderen Geckos. Die Forscher vermuten, dass sich größere Schuppen leichter ablösen als kleinere Schuppen, da sie eine größere Oberfläche relativ zur Befestigungsfläche und eine größere Reibfläche aufweisen. „Wirklich bemerkenswert ist, dass diese Schuppen durch ihre Dichte, Dicke, und eventuelle Verknöcherungen energetisch aufwendig in der Herstellung sind, sie aber dennoch mit solcher Leichtigkeit abreißen und schnell und narbenlos regeneriert werden können“, sagt Scherz. „Dass die Geckos scheinbar so leichtfertig ihre lebenswichtige Haut riskieren, legt nahe, dass diese Feindabwehrstrategie für ihr Überleben in der Natur extrem wichtig ist", fasst Frank Glaw zusammen. Der Mechanismus, der Haut und Schuppen so schnell regenerieren lässt, ist noch nicht vollständig verstanden, könnte aber möglicherweise Anwendungen in der regnerativen Medizin finden, wo sich die Forschung bereits an Studien über Salamandergliedmaßen und Echsenschwänze orientiert. (PeerJ 2017)

(SNSB/LMU)

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