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Grenzen im Fluss

12.12.2017

An die Ufer der Donau und durch das eiserne Tor, den Weg des Friedens entlang und in die abgelegenen Ecken Belgrads: Ein Projektkurs führte die Studierenden des Masters Osteuropastudien an ungewöhnliche Orte – und zu einem ungewöhnlichen Abschlussproj...

Foto: Jan Bever

Es stinkt nach brennendem Plastik und Exkrementen, die Dächer der alten Bahnhofsbaracken in Belgrad bieten kaum mehr als ein Dach über den Kopf. Mit seinen Kommilitonen besucht Jan Bever das Flüchtlingslager am Ufer der Save, später wird er aufschreiben, was er gesehen hat: Draußen waschen einige Männer ihre Kleidung notdürftig in provisorischen Wasserbecken, der Boden ist voller Müll. Wenige Meter entfernt ragen Kräne und unfertige Betonbauten in die Luft. Dort entsteht das milliardenschwere Luxusbauprojekt „Belgrade Waterfront“. Ein simpler Bauzaun zieht die Grenze zwischen Arm und Reich.

„Solche Themen findet man nicht in der Bibliothek, sondern vor Ort“, sagt Jan. Er ist Student im Master Osteuropastudien und Teilnehmer des Projektkurses „Grenzen im Fluss“. In der Veranstaltung sollen die Studierenden lernen, ihr Wissen anzuwenden und Nicht-Spezialisten näherzubringen, erklärt Dr. Heiner Grunert. Deshalb gaben die insgesamt 15 Studierenden am Ende des Seminares keine Hausarbeiten im Fachjargon, sondern ein journalistisches Printmagazin ab.

Grenzerfahrungen im Seminar Grunert leitete den Kurs gemeinsam mit Dr. Florian Kührer-Wielach. Das Überthema haben die beiden Dozenten ausgewählt und ist im doppelten Sinne zu verstehen: Flüsse, die Grenzen darstellen, aber auch Grenzen, die sich verändern. „Ein spannendes Thema“, sagt Jan, der dann doch erstmal in der Bibliothek saß. Das Seminar begann nämlich ganz klassisch mit der Literaturrecherche: „Wir mussten uns erstmal einlesen: Welche Grenzen sind wo und wann entstanden, was bedeuten sie für Sprache, Kultur und Menschen?“

Mit dem gesammelten Vorwissen starteten die Teilnehmer auf eine zehntägige Exkursion um Menschen kennenzulernen, zu verstehen, und um eigene Eindrücke zu sammeln. Die von Studenten und Dozenten gemeinsam geplante Route führte unter anderem nach Zagreb und Belgrad, aber auch in die bosnische Drina-Region und an die Grenzufer der Donau in Rumänien und Bulgarien. Unterwegs mussten sie auch selbst erfahren, was Grenzen bedeuten: nicht alle Teilnehmer hatten einen Pass aus einem EU-Land und konnten einige Grenzübergänge nicht überqueren.

Zurück kamen die Studenten mit neuen Themenideen: „Vor der Reise wollte ich lediglich über ‚Flucht über den Fluss‘ schreiben“, erzählt Studentin Qamlije Lokaj, die auch die Chefredaktion übernommen hat. „Nach der Exkursion stand für mich fest: ich muss auch darüber schreiben, dass Grenzen in Südosteuropa immer noch ein schwieriges Thema sind.“

Schreiben und Schreiben sind zweierlei Schließlich ging es an die Konzeption des Hefts: Wer schreibt worüber und wie lange sollen die Texte werden? Unterstützung bekamen sie unter anderem von einer Redakteurin des SZ Magazins. „Von ihr haben wir viel Input bekommen – angefangen von der Reihenfolge der Texte bis hin zur grafischen Gestaltung“, sagt Heiner Grunert. So plante der Kurs neben längeren Texten auch Grafiken und kürzere Stücke ein. „Zur Vorbereitung hatten wir außerdem einen Wochenend-Seminar in Projekt Management“, erzählt Qamlije.

Eine besondere Herausforderung war das journalistische Schreiben, wie Jan erzählt: „Die Themenfindung war nicht das Problem – aber einen Text für Laien, der trotzdem nicht zu flach und inhaltlich richtig ist, war gar nicht so einfach.“ Fünf bis sechs Mal wurden die Texte überarbeitet, bis Journalisten, Seminarteilnehmer und Dozenten zufrieden waren. „Es tat ganz schön weh, wenn der eigene Text auseinandergenommen wurde“, erinnert sich Jan. „Aber man hat auch gelernt, berechtigte Kritik anzunehmen.“

Das fertige Heft in den Händen zu halten war für alle ein besonderer Moment. „Am Anfang wussten wir gar nicht was auf uns zukommt. Jetzt wissen wir, wie intensiv der Prozess von der Fragestellung bis zur Publikation wirklich ist und wie glücklich man ist, wenn man am Ende ein gutes Ergebnis hinbekommt“, sagt Qamlije. Auch Jan würde gern noch ein Magazin machen – obwohl: „Es war der arbeitsintensivste Kurs meiner Uni-Karriere“, sagt er und lacht.

Das Magazin „Grenzen im Fluss“ kann man für acht Euro in der Printversion bestellen. Der Projektkurs des Elitestudiengangs Osteuropastudien widmet sich jedes Jahre einem anderen Thema.

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