Habe die Ehre?
20.12.2016
Einsatz fürs Semesterticket, Schnupperstunden anbieten, medizinische Befunde übersetzen – alles neben dem Studium. Und wofür?
20.12.2016
Einsatz fürs Semesterticket, Schnupperstunden anbieten, medizinische Befunde übersetzen – alles neben dem Studium. Und wofür?
Natürlich sei es nicht immer ganz einfach, Studium und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen, erklärt Alexander Blaut. „Andererseits ist es auch eine Erfahrung, auf die ich nicht verzichten möchte.“ Schon seit vier Jahren setzt sich der Medizinstudent dafür ein, dass Münchner Studenten ein Semesterticket bekommen – und das mit Erfolg: Seit dem Wintersemester 2013/14 gibt es nun auch in München ein Ticket für Studierende aller Hochschulen und damit für viele eine günstigere Fahrkarte.
Blick über den Tellerrand „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass U- und S-Bahnen super interessant sind“, sagt Alexander. Angefangen hat er eigentlich nur, weil er mal über den Tellerrand seines Medizinstudiums hinausblicken und Studenten aus anderen Fachbereichen kennenlernen wollte. Vor drei Jahren begann er damit, Flyer an seine Kommilitonen zu verteilen, heute verhandelt er direkt mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund: „Inzwischen bin ich auch total begeistert – und ein kleiner ÖPNV-Experte.“
Die Studenten der Münchner Hochschulen mussten sich für Verhandlungen mit den Münchner Verkehrsbetrieben ordentlich einarbeiten und dabei auch die eine oder andere Nachtschicht einlegen. „Wir haben eigentlich auch nicht wirklich gedacht, dass wir das stemmen. Ganz wichtig war auch einfach „learning-by-doing“ – etwa bei der Gestaltung der Webseite oder der Flyer. Und dadurch habe ich enorm viel gelernt“, erzählt der Student im kleinen Besprechungsraum der Studierendenvertretung in der Leopoldstraße. Bis zur Decke stapelten sich hier die Infomaterialien, die Alexander gemeinsam mit anderen Studenten vom Arbeitskreis Mobilität designt und gedruckt haben – und die viele Helfer der Fachschaften dann verteilt haben. Auch Maximilian Frank aus der Geschäftsführung des Studierendenvertretung hat das Projekt über Jahre hinweg unterstützt, Verhandlungen geführt und auf das Anliegen der Studenten aufmerksam gemacht. Und dass mit Erfolg: 96 Prozent stimmten bei der letzten Abstimmung für das Semesterticket. Und das, obwohl es sich nicht für jeden finanziell lohnt. „Sehr viele haben dieses Mal einfach aus Solidarität zugestimmt“, sagt Alexander. „Ein verrücktes, aber auch schönes Ergebnis.“
Was bringt mein Engagement? Wer Soziologie studiert wird später Taxifahrer? Und jeder, der Pädagogik studiert, Lehrer? Mit diesen Vorurteilen will Jessica Feichtmayr aufräumen. Deswegen bietet sie dreimal die Woche sogenannte Schnupperstunden für Erstsemester an: Mit ihnen besucht sie Vorlesungen, erklärt, worauf es beim Studium ankommt und versucht, vor allem Schüler aus Arbeiterfamilien zu motivieren. „Wenn man der erste in der Familie ist, der studieren möchte, hat man ja oft ganz viele ‚blöde‘ Fragen, die man einem Studienberater nicht stellen will“, erzählt die 22-Jährige, die an der LMU Pädagogik und Soziologie studiert und auch später einmal in der Beratung arbeiten möchte. Dafür seien die Schnupperstunden eine gute Übung.
Die häufigste Frage, die sie hört: Macht dir dein Studium Spaß? Fast die wichtigste Frage für Schüler, die den Unterricht in der Schule gegen eine Vorlesung an der Universität eintauschen, meint Jessica. Ihre Hilfe geht dabei oft über die eineinhalb Stunden der Vorlesung hinaus. Meist hält sie auch über Monate den Kontakt. Und erfährt so auch, was ihr Engagement bewirken kann: Eine ihrer ersten Teilnehmerinnen an ihren Schnupperstunden bewirbt sich jetzt für ein Pädagogikstudium an der LMU.
Profitieren vom Ehrenamt Medizin-Deutsch – Deutsch-Medizin: Splenektomie, Apoplex, Pneumonie – wer vom Arzt einen Brief mit seinen Befunden bekommt, versteht oft nur Bahnhof. Die Studentin Anina Schafnitzel übersetzt in ihrer Freizeit Arztbriefe. Für Patienten, die nichts mit dem anfangen können, was ihnen der Arzt erzählt hat oder was die Untersuchung ergeben hat. Anina ist davon überzeugt, dass Patienten, die ihre Krankheit verstehen, auch schneller wieder gesund werden. Das Portal „Washabich“ bietet daher kostenlose Übersetzungen der eigenen Krankheit– mithilfe von Studenten wie Anina – an.
Ihre Motivation? „Ich will nicht, dass Patienten sich dumm vorkommen“, sagt Anina. „Und natürlich ist es auch ein gutes Gefühl, anderen zu helfen.“ Aber: die Studentin engagiert sich nicht nur für andere. Auch sie profitiert vom Ehrenamt. Wenn sie Befunde übersetzt, die ihr im Studium oder im Praktischen Jahr wieder begegnen. Und mit Blick auf ihren Beruf: „Ich habe gelernt, dass man mit Patienten eben anderes umgehen muss und sich immer wieder vergegenwärtigen muss, dass sie Patienten sind – und nicht ein anderer Arzt, der auch alle Fachbegriffe kenn.“
Wer das Campusleben mitgestalten will – egal ob kulturell oder sozial: www.lmu.de/campusleben