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Habilitanden und Promovenden ausgezeichnet

13.07.2021

In diesem Jahr werden sechs Promovierende und zwei Habilitanden mit Förderpreisen der Münchener Universitätsgesellschaft ausgezeichnet.

Habilitationsförderpreise 2021

Nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 | © picture-alliance/dpa/epa afp Kanter

Religionsdebatten nach 9/11

Dr. Ulrich Schmiedel, Evangelisch-Theologische Fakultät, wurde für seine Arbeit „Terror und Theologie. Der religionstheoretische Diskurs der 9/11-Dekade“ mit einem Habilitationsförderpreis der Münchener Universitätsgesellschaft ausgezeichnet.

Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 kehrte das Thema Religion mit Macht in die politischen und wissenschaftlichen Debatten zurück. Allerdings war die Konnotation überwiegend negativ: Religion galt nun als ein rückständiger, fanatischer, gewaltbereiter Faktor menschlicher Kultur. Ulrich Schmiedel zeigt, wie sich in den religionstheoretischen Debatten auch der westliche Liberalismus in einen Antagonismus hineinziehen lässt, der Religion zu einer Art Brandbeschleuniger des „clash of civilizations“ erklärt. Die Arbeit identifiziert darin gerade einen fatalen Selbstwiderspruch der Religion. Denn gerade die Tatsache, dass sich alle religiösen Ausdrucksformen essenziell auf ein Absolutes beziehen, so argumentiert Schmiedel, sollte jede Religion eigentlich davor bewahren, ihre je eigenen Vorstellungen und Praktiken absolut zu setzen. Und sie sollte sie so vor einer ideologischen Fixierung schützen. In seiner Arbeit betont Schmiedel den Wert methodischer Reflexion auf den gemeinsamen Begriff der Religion. Sie eröffne integrative Perspektiven für islamische und christliche Theologie und Kultur und biete Gestaltungsmöglichkeiten für eine koalitionäre und komparative politische Theologie in pluralistischen Gegenwartsgesellschaften, die ein offenes Zusammenleben fördere.

Dr. Ulrich Schmiedel ist Lecturer in Theology, Politics and Ethics, School of Divinity, University of Edinburgh, Großbritannien.

Beiträge zu Tiergesundheit und Tierschutz

Prof. Dr. med. vet. Helen Louton, Tierärztliche Fakultät, wird für ihre Arbeit „Erfassung, Anwendung und Bewertung von Beurteilungskriterien (Tierschutzindikatoren) während der Aufzucht, der Haltung, des Transports und der Schlachtung von Hühnervögeln“ ausgezeichnet.

Um die Haltungsbedingungen von Nutztieren und den Umgang mit diesen angemessen beurteilen und verbessern zu können, braucht es Indikatoren für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere. Diese Fragestellung hat Helen Louton im Rahmen ihrer Habilitationsschrift für Hühnervögel wissenschaftlich bearbeitet. Anhand solcher Indikatoren konnte sie zeigen, wie sich die Haltungsbedingungen und der Transport von Hühnervögeln tiergerechter gestalten lassen. Die Ergebnisse der Arbeit und anderer Publikationen von Helen Louton haben ein großes Potenzial für die praktische Umsetzung in der Tiermedizin und sind wesentliche Bestandteile für die politische Umsetzung von Tierschutzvorgaben.

Prof. Dr. med. vet. Helen Louton ist Professorin für Tiergesundheit und Tierschutz an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock.

Promotionsförderpreise 2021

Frühe Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit

Caterina A. Schürch, Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften, erhält den Promotionsförderpreis für ihre Arbeit „Die Suche nach fundamentalen physiologischen Mechanismen: Kooperationen zwischen Biologie, Physik und Chemie (1918-1939)“.

In ihrer Arbeit untersucht Caterina Schürch einen Forschungstyp, der in den 1920/30er Jahren an Bedeutung gewann: die Erklärung von Lebensprozessen über intrazelluläre „Mechanismen“. Dies erforderte eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen, von Biologie, Physik und Chemie. Schürch analysiert dieses Zusammenwirken mit wissenschaftsphilosophischen Ansätzen anhand verschiedener Beispiele aus Sinnesphysiologie, Hormonforschung, chemischer Genetik und Elektrophysiologie. Ihr Fazit: Die Kooperation erfolgte auf Augenhöhe. Dies mache auch den rasanten Aufstieg der chemisch-physikalisch geprägten Molekularbiologie nach 1945 verständlich: Es war keine Revolution, vielmehr waren die sozialen und methodologischen Konventionen schon gut eingeübt. Schürch entwickelte zudem ein Modell, wie interdisziplinäre Kooperation besonders gut funktioniert.

Caterina A. Schürch ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Wissenschaftsgeschichte am Historischen Seminar der LMU und tritt ab August 2021 ein Early Postdoc.Mobility-Stipendium des Schweizer Nationalfonds an.

Erwartung und Effektivität

Dr. Franziska Hünnekes, Volkswirtschaftliche Fakultät, wird für ihre Dissertation „Expectations, Returns and the Macroeconomy“ ausgezeichnet.

Die Dissertation von Franziska Hünnekes befasst sich mit zwei hochaktuellen Schlüsselthemen moderner, politikrelevanter makroökonomischer Forschung. Zum einen geht es um die Rentabilität deutscher Auslandsinvestitionen und zum anderen um die Rolle von Erwartungen für die Effektivität makroökonomischer Politik. Sie untersucht insbesondere, inwieweit Erwartungshaltungen oder „Stimmungen“ Wirtschaftsunternehmen dazu veranlassten, ihre Produktion oder Preisgestaltung abweichend von Fundamentaldaten anzupassen. Oder auch welchen Einfluss Geldpolitik auf die Bildung von Erwartungen hat. Einen Teil ihrer Arbeit hat Hünnekes bereits in der wichtigsten Fachzeitschrift der Geldwirtschaft, dem Journal of Monetary Economics, veröffentlicht.

Dr. Franziska Hünnekes ist derzeit im Graduiertenprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt tätig, dort bereitet sie unter anderem die Briefings für den Zentralbankrat vor.

Natürlicher Bypass

Ein weiterer Promotionspreis geht an Dr. med. Manuel Lasch, Medizinische Fakultät, für seine Arbeit „Von erhöhter Schubspannung bis zur Rekrutierung von Leukozyten: Mechanistische Einsichten in die Arteriogenese“.

Kardiovaskuläre Erkrankungen wie das akute Koronarsyndrom, der Schlaganfall oder auch die peripher-arteriellen Gefäßverschlüsse gehörten schon vor der Coronapandemie zu den häufigsten Todesursachen weltweit. In der Regel werden Patienten mit schwerer Atherosklerose oder Gefäßverschlüssen mit invasiven Maßnahmen wie Stentimplantation behandelt oder erhalten eine Bypassanlage. Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen sich bei Erkrankten ein natürlicher Bypass um ein verschlossenes Gefäß ausgebildet hat, Ärzte nennen diesen Prozess Arteriogenese. Wie der Körper diese Fähigkeit aktiviert und welche Signalketten letztlich zum natürlichen Wachstum eines Bypasses führen, war lange Zeit unbekannt. Manuel Lasch konnte nun in seiner Arbeit zeigen, dass es nach Verschluss eines Gefäßes aufgrund des erhöhten mechanischen Reizes (Schubspannung) in den kleinen Kollateralgefäßen zur aktiven Freisetzung von RNA kommt. Über diese extrazelluläre RNA können anschließend Immunzellen rekrutiert werden, welche ihrerseits das anfänglich kleine Gefäß mit Wachstumsfaktoren versorgen und das Wachstum zu einem natürlichen Bypass ermöglichen. Die Ergebnisse der Arbeit konnte Manuel Lasch in der angesehenen Zeitschrift Blood veröffentlichen, sie könnten die Grundlage für die Entwicklung neuartiger Medikamente sein.

Dr. med. Manuel Lasch ist Assistenzarzt am LMU Klinikum in München.

Mikroglia (cyan), die sich um Ablagerungen von Proteinen – sogenannte Plaques (rot) - sammeln und diese abbauen. Die Kerne von Mikroglia und von Nervenzellen erscheinen dunkelbau. | © Haass Lab/LMU

Alzheimer: Die Rolle von Immunzellen im Gehirn

Dr. Samira Parhizkar, Medizinische Fakultät, wird für ihre Dissertation „Loss of TREM2 function increases amyloid seeding but reduces plaque-associated ApoE“ ausgezeichnet.

Allein in Deutschland leiden derzeit 1,6 Millionen Menschen an Altersdemenz. Um wirksame Therapien zu entwickeln, die den Krankheitsverlauf bei Alzheimer verlangsamen, bedarf es detaillierter Kenntnisse der molekularen Mechanismen. Samira Parhizkar hat sich in ihrer Arbeit mit einem bisher völlig unverstandenen Aspekt der Alzheimer-Erkrankung beschäftigt, nämlich der Frage, welche Aufgabe Immunzellen im Gehirn von Alzheimer-Patienten haben. Diese Mikroglia genannten Zellen sind Fresszellen, die quasi im Gehirn patrouillieren und Fremdkörper wie Bakterien oder auch tote Nervenzellen entfernen. Parhizkar fand heraus, dass die Mikroglia eine schützende Abwehrfunktion haben. Sie erkennen pathologische Ablagerungen, sogenannte Plaques, früh und fressen diese regelrecht auf. Zudem produzieren sie einen Klebstoff in der Nähe der Plaques und verhindern so, dass sich giftige Moleküle aus den Plaques lösen und Nervenzellen der Umgebung schädigen können. Die Erkenntnisse aus der Dissertation könnten zur Entwicklung neuer Medikamente führen, welche die schützende Wirkung der Immunzellen des Gehirns stärken. Parhizkar publizierte ihre Arbeit in Nature Neuroscience.

Dr. Samira Parhizkar forscht als Postdoktorandin an der Washington University School of Medicine in Missouri weiter an Immunzellen im Alzheimergehirn.

Die Vielfalt der Algengemeinschaften

Dr. Juliane Kretschmann, Fakultät für Biologie, wird für ihre Arbeit „Diversity, morphology, and taxonomy of selected dinophytes“ mit dem Promotionspreis ausgezeichnet.

Dinoflagellaten sind eine Entwicklungslinie der Algen, die in nahezu allen limnischen und marinen Biotopen anzutreffen sind. Manche Arten bilden aufgrund massenhafter Vermehrung Algenblüten, was besonders problematisch bei Arten ist, die Giftstoffe produzieren. Daher ist es wichtig, die Zusammensetzung der Arten und Veränderungen im Algenbestand von Dinoflagellaten-Gemeinschaften genau zu kennen. Juliane Kretschmann hat sich in ihrer Dissertation mit der Taxonomie und Morphologie ausgewählter Dinoflagellaten beschäftigt, konkret zwölf Dinoflagellaten-Namen durch Epitypisierung taxonomisch geklärt – bei merkmalsarmen Organismen des Mikrokosmos ist dies besonders knifflig. Zentrales Anliegen war es dabei, historische wissenschaftliche Namen zu klären. Dafür musste Kretschmann neue Proben so nah wie möglich an der Typuslokalität der Erstbeschreibung sammeln und dabei die ursprüngliche Absicht des Erstbeschreibers erfassen. Der entscheidende Punkt: Die Epitypen ermöglichen eine zweifelsfreie Artbestimmung und sind zudem mit lebendem Material verknüpft – und damit für weitere ökologische Experimente und weitere DNA-Sequenzierung zugänglich. Die so entstehenden ökosystemischen Informationen sind von großer gesellschaftlicher Relevanz. Kretschmann hat ihre Arbeit in renommierten Journalen veröffentlicht.

Dr. Juliane Kretschmann arbeitet als Postdoktorandin an der LMU im Rahmen ihres Projekts „Diversität, Morphologie und Taxonomie von bayerischen Dinoflagellaten“.

Hydrometeorologie: Die Dynamik von Extremereignissen

Dr. Benjamin Poschlod, Fakultät für Geowissenschaften, wird für seine Arbeit „Using regional climate models to simulate hydrometeorological processes over Europe“ mit dem Promotionspreis ausgezeichnet.

Klimamodellierung ist in Zeiten des Klimawandels von fundamentaler Bedeutung. In seiner Dissertation befasst sich Benjamin Poschlod damit, Messdaten und hochaufgelöste regionale Klimamodelldaten zu verarbeiten und zu nutzen, um so die Dynamik ausgewählter hydrometeorologischer Prozesse auf lokaler bis kontinentaler Ebene zu erfassen. Im Fokus standen dabei sowohl Extremniederschläge (auf lokaler bis europäischer Skala) und sich überlagernde Extremereignisse, sogenannte „compound events“. Dabei addieren sich die Auswirkungen von Niederschlag, Schneeschmelze und Bodenfeuchte. Poschlod erfasste sowohl saisonale Effekte wie auch raumzeitliche Dynamiken, etwa die Abflussdynamik von Flusssystemen in Bayern. Er nutzte dabei ein bislang einzigartiges Klimamodellensemble. Dieses ermöglicht neuartige und statistisch robuste Einblicke in die raumzeitliche Dynamik und Variabilität von hydrometeorologischen Extremereignissen. Mithilfe der Erkenntnisse lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf künftige Extremereignisse besser prognostizieren. Poschlod konnte dabei auch neue Methoden etablieren, um Effekte der Klimavariabilität von Auswirkungen des Klimawandels zu unterscheiden. Seine Arbeit publizierte Poschlod in führenden Fachzeitschriften.

Dr. Benjamin Poschlod forschte bis Juni 2021 als Postdoktorand im Projekt ClimEx II am Department für Geographie der LMU und seit Juli 2021 am Nationalpark Berchtesgaden im Sachgebiet Forschung und Monitoring.

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