Ein Jahr hat Hans-Jörg Schmid nun Zeit, frei von Lehrverpflichtungen sein Werk Entrenchment and conventionalization. How usage, mind and society shape linguistic structure, variation and change zu verfassen.
In der Arbeit untersucht Schmid, wie individuelles Sprachwissen und kollektive sprachliche Konventionen zustandekommen und wie sie miteinander interagieren, was es mit dem viel beschworenen Sprachsystem auf sich hat, wo es anzusiedeln ist und welche Prozesse und Kräfte dessen Struktur erzeugen und verändern.
Er entwickelt in seinem Buch ein integratives komplex-adaptives Modell von Sprachstruktur, sprachlicher Variation und Sprachwandel – das „Entrenchment- und Konventionalisierungsmodell“. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass individuelles Sprachwissen und kollektive Sprachkonvention aus der Verwendung von Sprache hervorgehen. In Erweiterung vorhandener gebrauchsbasierter Ansätze erklärt das Modell die Mechanismen der Interaktion zwischen sprachlichem Handeln, Sprachwissen und Sprachkonvention. Demzufolge lassen sich Sprachstruktur, -variation und -wandel systematisch und erschöpfend durch das dynamische Zusammenspiel von vier Komponenten modellieren: verschiedenen Arten von Handlungen im situierten Sprachgebrauch, individuellen kognitiven Prozessen (Entrenchment), sozialen Prozessen (Konventionalisierung) sowie einer Reihe von Kräften mit strukturmotivierendem oder -modulierendem Einfluss. Diese vier Komponenten werden systematisch beschrieben, um herauszuarbeiten, wie die Interaktion zwischen ihnen Stabilität und Resilienz sowie Variation und Wandel sprachlicher Struktur fördert.
Das Vorhaben ist unter anderem durch die Einsicht motiviert, dass die Ausdifferenzierung der Sprachwissenschaft in Unterdisziplinen sowie ihre Isolierung von benachbarten Fächern den Blick auf die großen Zusammenhänge verstellt, die Sprache zu dem machen, was sie ist. Mit seinem Fokus auf der Interaktion zwischen Individuum und Gesellschaft hat das Buch das Potenzial, den Kontakt zwischen Linguistik und benachbarten Disziplinen wie Psychologie, Kognitionswissenschaften und Soziologie zu erneuern.
Das Projekt wird für den Zeitraum vom 1.10.2017 bis zum 30.9.2018 von der VW-Stiftung im Rahmen des Opus Magnum Programms gefördert. Ziel der Initiative ist es, Professorinnen und Professoren aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, die sich durch erste herausragende Arbeiten ausgewiesen haben, einen Freiraum für die intensive Arbeit an einem wissenschaftlichen Werk zu eröffnen. Die Förderung besteht im Wesentlichen in der Finanzierung einer Vertretungsprofessur mit bis zu 180.000 Euro, womit die Initiative zugleich auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine zusätzliche Perspektive eröffnen möchte.
Die Veröffentlichung von Hans-Jörg Schmids Buch bei Oxford University Press ist für Anfang 2019 geplant.