Immunabwehr im Gehirn als Schutzfaktor?
29.08.2019
Die LMU-Demenzforscher Christian Haass und Michael Ewers haben einen Schutzfaktor gefunden, der den Ausbruch der Alzheimer Demenz möglicherweise verzögern kann.
29.08.2019
Die LMU-Demenzforscher Christian Haass und Michael Ewers haben einen Schutzfaktor gefunden, der den Ausbruch der Alzheimer Demenz möglicherweise verzögern kann.
Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am Klinikum der LMU haben herausgefunden, dass ein Protein namens TREM2 den Verlauf der Alzheimererkrankung positiv beeinflussen könnte. Wenn TREM2 im Gehirnwasser in höheren Konzentrationen vorhanden ist, haben Probanden in unterschiedlichen Stadien der Alzheimererkrankung eine bessere Prognose, wie die Leiter der Studie, Professor Christian Haass (LMU, DZNE) und Professor Michael Ewers (ISD, LMU) berichten. Diese Beobachtung liefert einen Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Therapieformen. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science Translational Medicine.
TREM2 wird im Gehirn nur von den Mikroglia, den Immunzellen des Gehirns produziert. Diese Zellen fördern die Hirngesundheit, indem sie durch das Gehirn patrouillieren und es von zellulären Abfallprodukten und Fremdkörpern reinigen. Bereits in früheren Studien an Mäusen konnten Haass und Kollegen zeigen, dass TREM2 Mikrogliazellen dazu aktiviert, Alzheimer-typische toxische Proteinaggregate zu umzingeln und gezielt zu zerstören. Diese Beobachtungen deuteten darauf hin, dass TREM2 das Gehirn vor den degenerativen Effekten der Erkrankung schützen kann – zumindest im Tiermodell. Aber halten diese Ergebnisse auch bei Alzheimer-Patienten stand? Schützt das Protein auch das menschliche Gehirn? Die Teams von Haass und Ewers hatten bereits in vorherigen Studien gefunden, dass die TREM2 Proteinkonzentration im Nervenwasser von Alzheimer-Kranken erhöht ist, vermutlich als Folge der Mikrogliaaktivierung in Antwort auf die Gehirnabnormalitäten. Die zentrale Frage blieb, ob erhöhtes TREM2 sich schützend oder schädigend auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt.
Um diese Fragen zu beantworten korrelierten Ewers, Haass und ihre Kollegen die Konzentration von TREM2 im Gehirnwasser von Probandinnen und Probanden mit deren Krankheitsverlauf. Sie nutzten dazu die Daten von 385 Personen der Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative (ADNI), einer großen Datenbank mit Proben und Aufzeichnungen von Patienten und gesunden Senioren, die sich über viele Jahre hinweg regelmäßig klinisch untersuchen ließen. Die Studie ermöglicht es so, Zusammenhänge zwischen bestimmten biochemischen Veränderungen und dem weiteren Krankheitsverlauf herzustellen.
In der Tat fanden Ewers und Haass, dass hohe Konzentrationen von TREM2 die Prognose der Probanden in allen Krankheitsstadien verbesserte. Ihr Gedächtnis blieb stabiler und der Hippocampus, eine Gehirnregion, die für das Lernen und Erinnern verantwortlich ist, schrumpfte weniger stark. „Unsere Befunde sind klinisch relevant, da die Patienten ein verringertes Risiko der Demenzentwicklung über einen Zeitraum von bis zu elf Jahren aufwiesen“, erläutert Ewers. „Mikrogliaaktivierung ist ein zweischneidiges Schwert, da neben den protektiven Effekten auch Entzündungsprozesse folgen können. TREM2 könnte eine Schlüsselrolle bei der schützenden Immunantwort des Gehirns bei Patienten mit der Alzheimer Krankheit spielen.“
Die Konzentration von TREM2 in der Gehirnflüssigkeit steigt vor allem in einer frühen Phase der Erkrankung an, wenn die ersten Symptome auftreten. „Die TREM2-Produktion ist eine Antwort auf eine bereits erfolgte Schädigung des Gehirns“, sagt Haass. „Die Mikroglia werden dadurch angeregt, das Gehirn zu schützen. Allerdings reicht bei Alzheimerpatienten dieser Schutz offenbar nicht aus.“ Hier sehen Haass und seine Kollegen einen möglichen Ansatzpunkt für neue therapeutische Strategien. „Wir entwickeln zurzeit einen therapeutischen Antikörper, der die TREM2-Funktion stimulieren und damit die Schutzfunktion verbessern kann“, so Haass. (DZNE/LMU)