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„Karriere ist kein Selbstläufer“

21.04.2017

München ist Wirtschaftsstandort Nummer Eins in Deutschland. So weit, so gut. Aber wie genau profitieren Studenten davon? „Nicht per se“, sagt Dirk Erfurth vom Career Service der LMU. „Initiative ist gefragt.“

Mittlerweile überschlagen sich Hochschulen, wenn es um die Bewerbung der Schnittstelle von Studium und Beruf geht. Da wird die ein oder andere strukturschwache Gegend schon mal zur Metropolregion ernannt. Ein Grund, die „Wirtschaftsstandort München“-Karte auszuspielen? Nicht wirklich. „Natürlich bekommt man den Wirtschaftsstandort zum Gesamtpaket on top. Aber letztlich ist Karriere noch kein Selbstläufer“, sagt Dirk Erfurth von Student und Arbeitsmarkt.

Dennoch ein kurzer Blick: Vor allem ist München für seine breite Branchenstruktur bekannt, auch gerne das „Cluster im Cluster“ genannt – oder wie Erfurth sagt: „Ein bunter Blumenstrauß.“ Und sonst? Je nach Indikatoren sind vergleichende Statistiken zur Wirtschaftsleistung von München streitbar. Dennoch: Dass sieben der 30 umsatzstärksten deutschen DAX-Unternehmen ihren Hauptsitz in München haben, wird Gründe haben. Aber welche? Laut der letzten Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern sind die Unternehmen vor allem mit den Standortfaktoren – zum Beispiel Infrastruktur, Netzwerke und Kundennähe, Fachkräfte – sehr zufrieden. Sie geben dem Wirtschaftsstandort München eine 1,7. Noch kein Summa cum Laude.

„Aber das eine ist Statistik, das andere ist die Realität, also das Leben“, sagt Erfurth. „München ist einfach ein schöner Ort zum Leben. Das spiegeln uns die Unternehmen auch immer wieder. Selbst bei so etwas wie der Postadresse mache es einen Unterschied, ob man als Adresse ‚Am Güterbahnhof 2 in Gummersbach‘ oder Medienallee in München hat“, so Erfurth. Erst kürzlich hat sich wieder ein großes Unternehmen trotz starker Konkurrenz für München entschieden: IBM hat sein neues Forschungszentrum mit Schwerpunkt künstlicher Intelligenz eröffnet. Und als die Entscheidung für München gefallen ist, kam auch gleich der Anruf beim Career Center der LMU.

Career Service: Netzwerke nutzen Manchmal kommen Studenten zu ihm ins Career Center, die einfach nur mit statistischen Daten beruhigt werden wollen, erzählt Erfurth. Natürlich sei die Arbeitslosigkeit unter Akademikern sehr gering. „Aber Studenten, die über Ihre berufliche Zukunft nachdenken, sollten sich vor allem die Frage stellen: ‚Was will ich?‘.“ Und daran anschließend direkt: „Was kann ich im Moment davon erreichen?“ Erfurth sieht seine Rolle darin, eine Plattform für Austausch und Kommunikation zwischen Studenten und Unternehmen anzubieten. Denn – und da ist die Botschaft so einfach wie einprägsam – der „Erfolg liegt im Netzwerk“.

Genau dafür organisiert der Career Service der LMU viele unterschiedliche Formate. Das sind zum Beispiel onlinebasierte Erfahrungsberichte zu Auslandspraktika – direkt aus erster Hand von Studenten, denen Student und Arbeitsmarkt Praktika ermöglicht hat. Und wenn diese Mal schlecht ausfallen? „Das müssen die Unternehmen aushalten, gefaked wird hier nichts“, sagt Erfurth. Und natürlich gibt es die klassischen Formate wie die Online-Jobbörse - mit einem Durchlauf von 70 bis 100 Stellen- und Praktikumsangeboten in der Woche eine der meistgeklickten im universitären Bereich – und Karrieremessen mit hochkarätigen und internationalen Unternehmen. Umsonst ist das für die Unternehmen nicht, denn: „Das, was wir anbieten, hat einen hohen Wert“, sagt Erfurth. Darin unterscheidet sich der Career Service der LMU von vielen anderen: Die Einnahmen refinanzieren Angebote, die über den normalen Standard weit hinausgehen. Zum Beispiel im Kursangebot ist es so möglich, neben den Standardkursen wie Excel und Co spezielle Themen wie die Redaktion von Sachtexten und Bedienungsanleitung anzubieten – sehr gefragt bei Unternehmen. „Diese schauen heutzutage in vielen Fällen nicht mehr allzu sehr auf das Studienfach – also die Verpackung. Sondern auf die Persönlichkeit und den Inhalt, also die Frage: ‚Was kannst du?‘.“

Mentoring-Programm: Einblicke in die Business-Welt Ein echtes Erfolgsmodell ist das Mentoring-Programm von Student und Arbeitsmarkt mit etwa 1.000 Tandems, wobei viele Mentoren ihre Tipps aus der Praxis an mehr als nur einen Studenten weitergeben. So profitiert auch BWL-Studentin Nathalie von den Einsichten in die Berufswelt. Weil sie sich zu Beginn Ihres Studiums für Personalmanagement interessierte, hatte sie zunächst eine Mentorin aus diesem Bereich. Jetzt, nach ihrem Bachelorabschluss, macht sie ihren Master und hat ein Auge auf Unternehmensberatung geworfen – und in LMU-Alumna Dr. Anette Klett-Steinbauer genau die richtige Mentorin gefunden. Obwohl erst seit kurzem ein Tandem, begrüßen sich die Beiden nicht per Handschlag, sondern umarmen sich. „Ich habe mich auch mit meiner alten Mentorin auf einer freundschaftlichen Ebene getroffen“, erzählt Nathalie. „Das macht es auch einfacher“, ergänzt Anette Klett-Steinbauer. Die beiden unterhalten sich über das letzte Vorstellungsgespräch von Nathalie für ein Praktikum – auf Augenhöhe. Sofort wird klar, worum es im Kern des Programms geht: Wertvolle Tipps, Feedback, fachliche Informationen und Einblicke, die man sonst nicht bekommt. „Mir hätte es im Studium nicht schlecht getan, mich mit jemandem aus der Praxis auszutauschen“, lacht Klett-Steinbauer. Die selbstständige Unternehmensberaterin möchte etwas zurückgeben und „Sparingpartner für den Student“ sein – das ist ihre Motivation. Und natürlich sei das Mentoring-Programm für die Firma auch ein interessanter Recruitingkanal. Für Dirk Erfurth als Leiter des Career Centers ist das Programm deshalb spannend, weil es im Gegensatz zu den klassischen Formaten das Hierarchiegefälle auflöst. „Innerhalb des Tandems sind beide Seiten gleichwertig. Der Mentor ist ohne den Mentee kein Mentor und umgekehrt.“

In und Out: Welche Fähigkeiten brauche ich? Fragen, die Erfurth immer wieder hört, drehen sich um das Thema, was gerade gefragt ist: Welche Qualifikationen, Fähigkeiten und Soft Skills brauche ich? Ist eher der Global Player oder der Local Hero gefragt? Welche Kompetenzen sind ein must-have? Pauschale Antworten darauf gibt es nicht. Aber: „Die Arbeitswelt und das Studium sind zwei Welten. Die Welt des Unternehmens oder des Recruiters ist nicht die Studienordnung. Während im Studium die ECTS die Währung ist, sind es im Arbeitsleben Zeit, Geld, Persönlichkeit, Know-How… Erfolgreich studieren ist nur ein Teil dessen, was einen Personaler interessiert.“

Christian Jost ist so ein Recruiter, der für den internationalen Personaldienstleister Hays arbeitet. Er rät Studenten, nicht dem „Lemmingansatz“ zu folgen, sondern offen zu sein und sich selbst zu reflektieren – zum Beispiel ganz simpel durch zum Beispiel eine Eigen-SWOT-Analyse. „Gestreamlined ist nicht das, was gefragt ist. Ebenso wenig wie der durch den Begriffshype proklamierte ‚Querdenker‘, der sich mit der Machete durch den Dschungel schlägt“, erzählt Jost. „Gesucht sind Problemlöser, die flexibel reagieren, kooperativ arbeiten und dabei ergebnisorientiert sind.“ Im Moment seien – wegen dieser „weichen Fakten“ – Geistes- und Sozialwissenschaftler im Kommen. Der Punkt Internationales im Lebenslauf, so Jost, sei dagegen kein so wichtiges Differenzierungsmerkmal mehr, weil dieser in der jungen Generation zum Standard gehöre und „Menschen im Laufe ihres Lebens dann doch oft feststellen, dass sie lieber bei ihren Lieben sein wollen als in Singapur.“ Ebenso wenig reiche die Note auf dem Papier alleine aus. „Das Wichtigste ist, dass junge Menschen an sich arbeiten, und nicht an ihrem Lebenslauf – deshalb darf man auch ruhig mal ein soziales Jahr machen oder sonst etwas für die Charakterbildung tun“, rät Jost. „Wenn man an der Olive zupft, wird sie nicht schneller reif.“ Und den passenden Job finden? „Abgleichen, nicht angleichen“, so der Tipp des erfahrenen Recruiters. Niemand könne sich auf Dauer verbiegen. „Auf das Match kommt es an. Studenten können deshalb durchaus mit einer guten Balance aus Selbstbewusstsein und Demut den Dialog suchen.“

Einen Vorteil hat es schon mal, LMU-Student zu sein. Jost sieht im deutschen System eine Annäherung zum englischsprachigen Raum, in dem die Alma Mater eine große Rolle spielt. Das bestätigt auch Dirk Erfurth: „Recruiter wählen Zieluniversitäten aus und die LMU ist eine – nicht nur aufgrund der Zahl an Absolventen, sondern vor allem wegen der Fächerbreite, der Internationalität und natürlich wegen dem guten Ruf der LMU“, sagt Erfurth. Wie attraktiv sich ein Student allerdings für Arbeitgeber mache, das liege natürlich immer noch in der eigenen Hand.

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