News

KI im Management: „KI kann Vorhersagen treffen, aber keine Entscheidungen“

25.07.2022

Wie Unternehmen Künstliche Intelligenz nutzen können: Wirtschaftsinformatiker Stefan Feuerriegel im Interview

Prof. Dr. Stefan Feuerriegel

Professor Stefan Feuerriegel

entwickelt Anwendungen Künstlicher Intelligenz für das Management. | © LMU

Seit August 2021 leitet Professor Stefan Feuerriegel das neue Institute of Artificial Intelligence (AI) in Management an der LMU Munich School of Management. Durch eine Doppel-Affiliation auch mit der Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik verbunden, erforscht er den Einsatz von KI in Unternehmen, öffentlichen Organisationen und dem Gesundheitswesen. Sein Artikel „Bringing Artificial Intelligence to Business Management“ ist soeben in dem Forschungsmagazin Nature Machine Intelligence erschienen.

Welche Aufgaben können Manager der KI überlassen?

Stefan Feuerriegel: KI kann klar definierte, repetitive und wenig komplexe Aufgaben übernehmen. Oder laut der „One-Second-Rule“: alles, was der Mensch selbst in einer Sekunde tun könnte. So kann KI den Gesamtbetrag oder die Rechnungsnummer aus Dokumenten ziehen und automatisch eine Überweisung anweisen – was bei einer Million Kundinnen oder Kunden eine hohe Effizienz ergibt.

Aber überall da, wo Emotionalität gefragt ist, Kreativität und kognitives Denken, wird der Mensch gebraucht.

Bei einem geplanten Zusammenschluss von Unternehmen zum Beispiel kann KI Informationen dazu liefern, wie ähnlich eine bestimmte Firma einer anderen ist – solange die entsprechenden Attribute auf Zahlendimensionen heruntergebrochen werden können. Aber ob diese Firma die gleiche Strategie verfolgt oder ob es überhaupt eine gute Idee ist, eine Firma mit gleicher Ausrichtung aufzukaufen: Das muss die Managerin oder der Manager selbst entscheiden. KI kann Vorhersagen treffen, aber nicht die Entscheidungen. Deshalb glaube ich auch nicht, dass KI uns demnächst alle arbeitslos machen könnte, wie manche es fürchten.

Wo KI einen Mehrwert bringt

In welchen Unternehmensbereichen lässt KI sich demnach einsetzen?

Überall, wo große Datenmengen anfallen, mit denen KI entwickelt werden kann. Im Marketing etwa, wo Unternehmen Tausende von Werbe-E-Mails verschicken oder Webseitenbesuche verzeichnen. Und auch Bereiche mit Finanzdaten sind gut geeignet: Im Accounting oder Controlling kann KI eruieren helfen, wie liquide ein Unternehmen ist. Aber ob man das Geld in eine Firmenakquise, in Forschung und Entwicklung oder doch besser in Zinsrückzahlungen stecken sollte – solche komplexeren Entscheidungen muss wieder der Mensch treffen. Wo man KI nicht einsetzen kann, ist etwa im Bereich Strategie: Wie kann ich neue Kunden gewinnen? Was macht ein erfolgreiches Produktdesign aus? Hierzu kann KI lediglich Input liefern. Für komplexe Entscheidungen fehlen KI meist die Datenpunkte – und bei der Auswahl der Daten, die der Mensch ihr liefert, trifft er ja bereits Entscheidungen, wenn auch unbewusst.

Inwieweit wird KI schon in Unternehmen eingesetzt?

Viele Unternehmen hierzulande haben zwar schon Berührungspunkte mit KI und versuchen sich an ein oder zwei Projekten. Eine vollständige Implementierung aber fehlt meistens genauso wie ein übergreifendes „Mindset“ der Belegschaft. Da hinken Unternehmen in Deutschland, und überhaupt Europa, jenen in den USA und Teilen Asiens hinterher. Das liegt auch daran, dass es kein fertiges „KI-Business-Produkt“ gibt, überspitzt gesagt, das die Managerin oder der Manager wie Word oder Excel mit ein paar Klicks starten kann. KI-Anwendungen müssen erst maßgeschneidert für Unternehmen entwickelt werden, weshalb Absolventinnen und Absolventen mit KI-Know-how gerade händeringend gesucht werden.

Ein weiteres großes Hindernis ist, dass viele Prozesse in deutschen Unternehmen und Institutionen noch immer auf Papier ablaufen. Für den Einsatz von KI fehlen dann schlicht die digitalen Daten.

Um einen „Organisational Change” in Richtung KI umzusetzen, braucht es viel Rückhalt in der Führungsetage und Weiterbildungsangebote für wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

KI ist keine Allzweckwaffe

Welche Risiken sehen Sie beim Einsatz von KI in Unternehmen?

Gerade im Bereich Human Ressources sollten Firmen sehr vorsichtig sein, weil hier die Risiken im Zusammenhang mit Datenschutz und -sicherheit einfach zu groß sind. Das gilt noch mehr im öffentlichen Sektor und in Bereichen, wo es um sensible Daten wie Gesundheitsprofile geht. Man darf KI nicht mit blindem Vertrauen einsetzen, sondern mit entsprechender Vorsicht. In Deutschland sind Unternehmen beim Einsatz von Machine Learning sowieso zu ethischen Standards verpflichtet. Überhaupt ist die Awareness für die Risiken von KI hier allgemein sehr hoch.

Wissen heutige Manager genug über KI?

Kaum, weil es eine ganz neue, sehr komplexe und mathematische Technologie ist. Viele Manager halten KI für eine Art Allzweckwaffe, ein „Schweizer Taschenmesser“, das alle Probleme löst. Das ist sie nicht. Wo KI funktioniert und wo nicht, ist aus der Perspektive der Mathematik oder Informatik sicher leichter zu verstehen als aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive. Deshalb ist es so wichtig, dieses Wissen in Deutschland und Europa in der Lehre und der Weiterbildung voranzubringen. Manager müssen nicht die einzelnen Algorithmen der KI kennen, aber doch gewisse Grundregeln zu ihrer Handhabung verstehen.

News

KI ermöglicht, Entwicklungshilfe global besser zu steuern

Weiterlesen

Wie setzen Sie KI in Ihrer Forschung um?

An unserem Institut entwickeln wir neue KI-Management-Anwendungen, rollen sie in Unternehmen aus und evaluieren dabei auch ihren Impact für die Gesellschaft: Wie soll Entwicklungshilfe allokiert werden, um besonders große Wirkung zu entfalten? Wie können mit (anonymisierten) Handydaten Vorhersagen zum weiteren Verlauf der Coronapandemie getroffen werden? Wie kann KI Produktqualität verbessern und so Abfall in der Produktion reduzieren?

Solche Probleme, mit direkten Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, adressieren wir mit neuer, selbst geschaffener KI.

Publikation:

Stefan Feuerriegel, Yash Raj Shrestha, Georg von Krogh und Ce Zhang: Bringing artificial intelligence to business management. In: Nature Machine Intelligence 2022

Wonach suchen Sie?