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„München ist unser Reallabor“

03.07.2018

Ein Seminar verändert das Stadtbild: Studierende untersuchen Arbeitswege von Angestellten. Im Seminar von Professor Henrike Rau dient München als Forschungsobjekt.

Paulaner verlegt seinen Brauereibetrieb nach Lochhausen, die Arbeitnehmer stehen vor einem Problem: Plötzlich müssen sie jeden Tag an den Stadtrand pendeln – mit Verkehrsanbindungen, die alles andere als optimal sind. Eine Gruppe Master-Studierender nahm sich gemeinsam mit den Praxispartnern Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Paulaner im Rahmen des Projektseminars „Stadtentwicklung, unternehmerische Standortverlagerung und Mobilität in München“ dem Problem an. „Der Trend bei der Standortwahl von Firmen führt momentan aus der Stadt heraus. Die günstigeren Mieten werden allerdings oftmals durch ungünstigere Arbeitswege für die Angestellten erkauft“, erklärt Henrike Rau, Professorin am Department für Geographie der LMU. Sie vermittelt im Masterstudiengang „Humangeographie und Nachhaltigkeit“ Fachwissen und methodische Kenntnisse zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung, wobei die wachsende Metropole München oft als Fallbeispiel und ‚Reallabor‘ dient. Das Ziel: Praktische Lösungen für Mensch und Umwelt.

Deswegen haben die Studierenden das Verhalten der Arbeitnehmer analysiert. In einem speziell für das Projektseminar entwickelten Fragebogen wurde abgefragt, wie die Arbeitnehmer pendeln, welche Wege sie miteinander verknüpfen, wie sie ihren Arbeitsweg bewerten und wie sie sich an ihren neuen Arbeitsweg angepasst haben. Master-Studentin Alisa Utz beschäftigte sich dabei verstärkt mit Wegeketten: „Also mit den zusätzlichen Strecken und Erledigungen, die Leute in ihren Arbeitsweg integrieren. Oft geht man nicht direkt nach Hause, sondern erst noch einkaufen und dann zur Post“, erklärt die Masterstudentin. „Das besondere an dem Seminar ist nicht nur die praktische Ausrichtung, sondern auch die enge Verknüpfung zu den außeruniversitären Einrichtungen“, erzählt Alisa. Das habe nicht nur den Vorteil, dass man im Seminar vom direkten Realitätsbezug profitiert, sondern auch, dass man Kontakte knüpfen kann. Einer der Seminarteilnehmer ergatterte sogar eine Praktikumsstelle zum Schreiben seiner Masterarbeit.

„Projektseminare sind mehr Arbeit“ Drei Dozenten und eine studentische Hilfskraft kümmern sich um das Projekt und sind damit ordentlich beschäftigt. Gefördert werden sie dabei von Lehre@LMU im Rahmen des Qualitätspakts Lehre. Für beide Seiten hat sich der Aufwand aber gelohnt, denn das Seminar gewann den Lehrinnovationspreis der LMU und die Studierenden profitierten von der engen Verknüpfung von Lehre, Forschung und Realitätsbezug: „Transdiziplinäres Arbeiten, wie wir es in unserem neuen Masterstudiengang vermitteln, bietet viele Vorteile. Es zeigt den Studierenden Anwendungsgebiete und ermöglicht ihnen neue Erfahrungen zu sammeln, die ihnen im Arbeitsleben zu Gute kommen. Beispielsweise wissenschaftliches Projektmanagement.“ Das sehen auch die Studierenden so und sind vom Konzept des Seminars begeistert: „Auch wenn es viel Arbeit ist, es ist das spannendste Seminar, das ich im Laufe meines Studium besucht habe. Die Teamarbeit ist auch super, es greift wirklich jeder Hand in Hand“, schwärmt Alisa. Verbesserungspotenzial sieht die Studentin nur im Zeitmanagement: „Ich hätte das Seminar gerne noch ein weiteres Semester gehabt. Dann hätte man sich noch intensiver mit dem Fall auseinandersetzen können.“ Die Studierenden können auch auf praktische Ergebnisse verweisen: Dank des Projektseminars ist der Busfahrplan der Linie 159 jetzt noch besser an die Arbeitszeiten der Paulaner-Belegschaft angepasst.

Der große Erfolg des Seminars, welches unter anderem mit dem LMU Lehrinnovationspreis 2017 ausgezeichnet wurde, hat sich fortgesetzt. In diesem Wintersemester arbeiteten Prof. Rau und ihr Team und Studierende mit der MVG und Microsoft zusammen. Das Prinzip bleibt gleich, auch wenn das Softwareunternehmen nicht dem Trend der anderen Unternehmen folgt sondern seinen Standort in Richtung Stadtmitte verlagert hat. Für die Arbeitnehmer war das eine ganz neue Herausforderung, denn statt mit mangelnder Anbindung haben sie jetzt mit Stau und Verspätungen zu kämpfen. Die Ergebnisse des Projektseminars wurden im Rahmen einer gemeinsamen Abschlusspräsentation von Studierenden vorgestellt und sind bei den Praxispartnern MVG und Microsoft auf sehr positive Resonanz gestoßen.

Lehre@LMU ist das Programm der LMU im Rahmen des "Qualitätspakts Lehre" von Bund und Ländern. Das Konzept bündelt Maßnahmen von der Förderung studentischer Forschungsprojekte und der Auszeichnung innovativer Lehrkonzepte über den Ausbau von Mentoringprogrammen bis hin zur Unterstützung Studierender in besonderen Lebenslagen.

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