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Neblige Amazonastäler bieten Schutz vor Klimawandel

22.06.2023

Forschungsgruppe aus der Geographie nutzt Satellitendaten, um die Widerstandsfähigkeit feuchter Lebensräume zu analysieren

In Senken des Amazonastieflands tritt besonders häufig Nebel auf, der feuchtigkeitsabhängige Pflanzen vor Austrocknung bewahren kann. Wenn die globale Erwärmung vermehrt zu Dürren führt, bieten die nebligen Täler daher einen schützenswerten Rückzugsort für die Artenvielfalt am Amazonas. Dies hilft auch, den Regenwald als Bollwerk gegen den Klimawandel zu erhalten. Das folgert im Fachblatt Communications Earth & Environment ein deutsch-belgisches Forschungskonsortium unter Leitung der Universität Marburg und der LMU aus Beobachtungsdaten, die von Satelliten stammen.

Täler am Amazonas mit häufiger Nebelbildung dienen im Klimawandel als Rückzugsräume für empfindliche Arten.

© IMAGO/Pond5

Der Regenwald am Amazonas bindet nicht nur eine erhebliche Menge klimaschädlicher Treibhausgase, er beherbergt auch eine große Vielfalt an Arten, wodurch er als einer der weltweiten Biodiversitäts-Hotspots gilt. „Doch der Klimawandel und menschliche Aktivitäten bedrohen diesen Lebensraum“, betont der Marburger Umweltgeograph Professor Dr. Jörg Bendix, der die Forschungsarbeit leitete. „Eine generelle Schwierigkeit ist, dass bisher nur wenige Daten zu diesem schwer zugänglichen Lebensraum vorhanden sind, weshalb unsere Studie vor allem auf Satellitendaten beruht“, ergänzt Lukas Lehnert, Professor für Physische Geographie und Umweltfernerkundung an der LMU.

So kam es schon in den Jahren 2005 und 2010 zu Dürreperioden. Während der extremen Trockenheit, die 2015/16 durch das El-Niño-Phänomen auftrat, fiel überall in Amazonien zu wenig Regen. Hinzu kommt die weitgehend ungebremste Abholzung. Entwaldung und fehlender Niederschlag schaukeln sich gegenseitig hoch und verschärfen die Lage, hebt Bendix hervor: „Da ein Teil des Niederschlags durch die Verdunstung des Waldes selbst erzeugt wird, droht durch die Kombination von Klimawandel und Waldzerstörung eine selbstverstärkende Abwärtsspirale.“ Sie könne zum Absterben großer Teile des Regenwaldes führen. Dies würde nicht nur die Artenvielfalt verringern – da der Regenwald erhebliche Mengen des Treibhausgases CO2 speichert, wirkt der Verlust des Lebensraumes auch auf den Klimawandel zurück.

Nebel in Tieflandwäldern bietet stabile Bedingungen, wenn sich das Klima erwärmt und Regen ausbleibt. Solche feuchten Rückzugsräume gewährleisten das Überleben von Arten, die mit dem Klimawandel ansonsten schlecht zurechtkommen würden. Dies gilt insbesondere für Flechten, Moose und andere Epiphyten in den Baumkronen, wie sie für den tropischen Regenwald typisch sind. Für sie dient Nebel als wichtige Wasserquelle, daher geht ihnen bei trockener Luft schnell Feuchtigkeit verloren. „Nebel verbessert die Versorgung von Epiphyten mit Wasser, indem er für eine eher dämmrige, kühle und feuchte Umgebung sorgt“, führt Bendix aus.

„Unklar war bisher aber, wo diese Wasserquelle besonders häufig auftritt und ob sie sich als widerstandsfähig gegenüber zunehmender Trockenheit im Klimawandel erweist“, ergänzt Lehnert. „Wir nahmen Dürrephasen der vergangenen 18 Jahre mit Hilfe von Satellitendaten unter die Lupe“, erläutert Mitverfasser Marius Pohl aus Bendix‘ Arbeitsgruppe. „Dabei fiel uns auf, dass besonders in den Tälern des Amazonasbeckens häufig Nebel auftritt.“

Wie die Analyse zeigt, sind derartige Tiefland-Nebelwälder über das ganze Amazonasgebiet verbreitet, doch nimmt ihre Häufigkeit in der trockenen Jahreszeit ab. Am ehesten bleibt der Nebel in Landschaftssenken erhalten, wo er sich als besonders widerständig gegenüber Dürren erweist. „Der Grund für diese Widerstandsfähigkeit liegt darin, dass die Nebelbildung besonders gut funktioniert, wenn sich nächtliche Kaltluftabflüsse in Tälern sammeln, wodurch Kondensation und Nebelbildung auch unter großräumig trockenen Bedingungen erfolgen kann“, sagt Lehnert. „Auf der Grundlage unserer Ergebnisse empfehlen wir dringend den Schutz dieser feuchten Rückzugsgebiete, insbesondere in stark gefährdeten Gebieten“, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Marius J. Pohl, Lukas W. Lehnert & al.: Valleys are a potential refuge for the Amazon lowland forest in the face of increased risk of drought, Communications Earth & Environment, 2023

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