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Neues Projekt: Innovative Lösungen für mehr Klimaresilienz

28.09.2021

Wie können wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen? Der LMU-Geograph Ralf Ludwig spricht im Interview über die Modellierung von Extremereignissen und ein neues EU-Projekt.

Porträtaufnahme von Prof. Dr. Ralf Ludwig

© LMU

Extreme Ereignisse wie die Überflutungen im Ahrtal im Sommer, aber auch die Dürren in den letzten Jahren zeigen: Der Klimawandel ist bei uns angekommen. Die Anpassung an seine Folgen ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft. Umweltsimulationen sind dabei ein wichtiges Werkzeug, um Klimaeffekte und die Auswirkungen von Maßnahmen zu analysieren. Der LMU-Geograph Ralf Ludwig ist Experte für Umweltmodellierung und leitet ein Teilprojekt des neuen EU-Projekts ARSINOE. Ziel von ARSINOE ist es, in neun europäischen Modellregionen innovative Strategien und Werkzeuge für mehr Klimaresilienz zu entwickeln und in möglichst konkrete Maßnahmen umzusetzen. Im Interview spricht Ludwig über die Simulation von Extremereignissen und sein ARSINOE-Projekt, in dem er sich mit Klimaresilienz in der Mainregion befasst.

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Veränderungen von Hochwasserrisiken in Zeiten des Klimawandels

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In einer aktuellen Studie haben Sie den Zusammenhang zwischen extremen Niederschlägen und Hochwasser im hydrologischen Bayern untersucht. Die Flut im Ahrtal ist ja noch sehr präsent. Können Ihre Simulationen zu besseren Hochwasserprognosen beitragen?

Professor Ralf Ludwig: Generell sollten wir davon ausgehen können, dass je mehr Niederschlag es gibt, desto mehr Abfluss gibt es auch. So einfach ist es aber nicht. Wir haben gefunden, dass es einen bestimmten Grenzwert gibt, an dem sich dieser Zusammenhang nicht-linear verändert. Extrem starke Niederschläge oberhalb dieses Grenzwerts werden auch ein extremes Hochwasser erzeugen. Aber es gibt für jede Region im hydrologischen Bayern, die wir untersucht haben, einen Schwellenwert, unterhalb dessen der Niederschlag alleine nicht entscheidend ist. Da spielen auch die Landoberfläche und das Wassermanagement eine Rolle.

Bei den tragischen Ereignissen im Ahrtal im Sommer war es ein Extrem-Niederschlagsereignis in so kurzer Zeit, da kann man die resultierende Sturzflut eigentlich kaum verhindern. Aber man kann aufgrund von solchen Untersuchungen, wie wir sie machen, versuchen herauszufinden, wo Grenzen des Begründbaren und des Beschützbaren liegen. Ab welchem Grenzwert kann man Verbauungen errichten, die vor einer Sturzflut schützen könnten, ab welcher Grenze müssen Warnsysteme eingerichtet werden, sodass die Menschen frühzeitig evakuiert werden können? Wenn man die Infrastruktur nicht schützen kann, so könnte man doch durch eine frühzeitige Warnung Leben retten.

Dass Extremereignisse selten sind, macht Projektionen schwierig. Können Sie in dieser Beziehung aus den tragischen Ereignissen dieses Sommers auch etwas lernen?

Ralf Ludwig: Auf jeden Fall. Je mehr Messdaten an den Extremrändern dazukommen, desto weitsichtiger werden auch unsere Projektionen und desto besser können wir zwischen einem wirklichen Klimawandel und einer natürlichen Klimaschwankung unterscheiden. Das gilt für die extremen Hochwasser in diesem Jahr, aber auch für das Gegenteil, große Trockenheiten wie in den Jahren 2015, 2018, 2019 und 2020. Da sind wir in Südbayern ja gut davongekommen, aber im Rest Deutschlands zeigt der Zustand der Wälder, wie gravierend die Schäden aus den Dürrejahren sind. Es ist zwar schwer, den Klimawandel auf einzelne Ereignisse herunterzubrechen. Was man aber mit Gewissheit sagen kann, ist, dass all die extremen Ereignisse der letzten Jahre zusammen ohne den Klimawandel nicht mehr erklärt werden können.

Anpassung an den Klimawandel steht im Zentrum des EU-Projekts ARSINOE, an dem Sie beteiligt sind. Worum geht es dabei?

Ralf Ludwig: ARSINOE ist ein EU-Projekt im Rahmen der Green-Deal-Ausschreibung. Es ist eine sogenannte Innovation Action, das heißt, es gibt Forschungselemente, aber es geht vor allem auch um Innovationen. Ziel ist es, in Regionen, die wir als besonders vulnerabel identifiziert haben, systeminnovative Lösungen zu entwickeln, durch die sich ganze Wirtschaftsbereiche besser an die erwartbaren Folgen des Klimawandels anpassen können. Dazu sollen Erkenntnisse aus Projekten wie etwa unserer Studie zu Extremniederschlägen nutzbar für Akteure gemacht werden, die tatsächlich Entscheidungen zur Anpassung an den Klimawandel treffen müssen.

Mit welchen Akteuren arbeiten Sie zusammen?

Ralf Ludwig: Wir untersuchen in unserem Teilprojekt speziell die Mainregion, für die wir davon ausgehen, dass zukünftig vor allem mit extremer Hitze und sommerlicher Trockenheit zu rechnen ist. In dieser Region sind unsere Akteure vor allem kommunale Unternehmen – also etwa Stadtwerke – und Energieversorger, die mit den Themenfeldern Wasser und klimatische Veränderungen unmittelbar in Berührung kommen. Dies gilt speziell für Energieversorger, die sich auf erneuerbare Energiequellen konzentrieren, weil diese bis auf die Geothermie alle unmittelbar klimaabhängig sind. Das ist ein Punkt, der mich in der Vergangenheit immer etwas verwundert hat: Man diskutiert zwar immer die Rolle der Energiewirtschaft für den Klimawandel, aber bisher nur sehr selten die Rolle des Klimawandels für die erneuerbare Energiewirtschaft.

Vor welchen Herausforderungen wird die Energiewirtschaft stehen?

Ralf Ludwig: Biomasse, Wasserkraft, Photovoltaik, Wind – alle diese Komponenten sind von klimatischen Veränderungen extrem abhängig, was sowohl das Potenzial als auch die Effizienz angeht. Also muss man mit einem möglichst breiten Spektrum an Nutzern und Stakeholdern gemeinsam nach Lösungen für mehr Klimaresilienz suchen. Wie kann man beispielsweise kommunale Unternehmen, die heute allmählich erkennen, dass sie ohne Anpassung an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommen, auf das vorbereiten, was sie in 30 bis 40 Jahren möglicherweise leisten müssen? Etwa wie sie die Trinkwasserversorgung sicherstellen, wenn sie Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gewährleisten wollen, wenn sie Abwasserregulierung managen wollen?

Was ist konkret geplant?

Ralf Ludwig: Für die Mainregion wollen wir eine hydroklimatische Serviceleistung anbieten. Wir wollen den kommunalen Unternehmen Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie selbst beispielsweise eigene Szenarien rechnen können. Das sollen möglichst integrative Szenarien sein, die zeigen, welche Konsequenzen ein Eingriff für das Gesamtsystem hat. Ich kann heutzutage keine Entscheidungen treffen, was die Trinkwasserversorgung im Main angeht, ohne dabei auch die Interessen der Landwirtschaft, der Ökologie und der Energiewirtschaft zu berühren. Es ist jetzt schon ein wasserknappes Gebiet, und es wird ein sehr viel wasserknapperes Gebiet werden.

Die Modelle sollen helfen, Ansätze zu finden, die für alle Parteien akzeptabel sind?

Ralf Ludwig: Genau. Weg von der Individuallösung hin zur Gemeinschaftslösung. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass wir mit einem Projekt in Franken hinterher alle Probleme gelöst haben. Aber mit unseren Partnern können wir gemeinsam überlegen, welche Services sie eigentlich brauchen. Wir brauchen angepasste, einfache Lösungen. Wir müssen unsere Modelle abspecken, oder wir einigen uns auf gemeinsame einheitliche Schnittstellen, und die Nutzer sagen uns, welche Indikatoren sie in welcher zeitlichen und räumlichen Auflösung brauchen.

Um Wasserkonflikten zu entgehen, müssen wir rechtzeitig – also jetzt – die Wasserplanung für die Zukunft so gestalten, dass die Entscheider in der Lage sind, nicht nur ihren eigenen Handlungsraum zu überblicken, sondern auch wissen, was ihr Tun an einer anderen Stelle für Konsequenzen hat. Wenn es nicht geschafft wird, Interessenskonflikte umzuwandeln in Interessenssynergien, dann wird man nicht klimaresilient.

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