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Professorin Ines Helm erforscht den Strukturwandel des Arbeitsmarkts

10.10.2022

Neu an der LMU, befasst sich die Ökonomin mit Effekten des technologischen Fortschritts. Besonders im Fokus ihrer Forschung: KI als Zukunftstechnologie.

Professorin Ines Helm | © Niklas Björling

Welche Aufgaben werden künftig Algorithmen übernehmen? Wie wird sich das auf den Stellenmarkt auswirken? Und was bleibt dem Menschen dann noch zu tun? Mit Fragen wie diesen befasst sich die Ökonomin Ines Helm. „Die Umwälzung des Arbeitsmarkts durch Künstliche Intelligenz (KI) hat gerade erst begonnen, weshalb die arbeitsmarktökonomische Erforschung ihrer Effekte noch in den Kinderschuhen steckt.“ Helm ergründet unter anderem, welche Schlüsse sich aus früheren Umwälzungen durch technologischen Wandel, wie Automatisierung, Computerisierung und Robotisierung, auf den Wandel durch KI ziehen lassen.

Seit Oktober vergangenen Jahres hat die Expertin für Arbeitsmarktökonomik eine Professur für KI in der Volkswirtschaftslehre an der LMU inne. Neben Arbeitsmarktökonomie zählen auch die Regionalökonomie, Finanzwissenschaften sowie angewandte Methoden zu ihren Forschungsschwerpunkten. Helm studierte Volkswirtschaftslehre an der LMU sowie der Universität Tübingen und absolvierte einen Master in „Econometrics and Mathematical Economics” an der London School of Economics. 2016 wurde sie am University College London promoviert und im selben Jahr auf eine Assistenzprofessur an die Stockholm University berufen.

„Effekte in der nächsten Dekade“

Ein Fokus von Ines Helm, die 2017 den Young Labour Economist Prize der European Association of Labour Economists erhielt, liegt auf dem strukturellen Wandel. „Technologischer Fortschritt hat schon immer zu großen Umwälzungen am Arbeitsmarkt geführt.“ Die Einführung von KI im Arbeitsmarkt stehe noch ganz am Anfang. „Aber in der nächsten Dekade werden wir ihre Effekte stärker zu spüren bekommen.“ Die Hauptfrage dieses jungen Themas sei im Moment noch, wie sich der Einsatz von KI auf dem Arbeitsmarkt – mit den vorhandenen Daten – überhaupt messen lässt. Zudem gelte es, aus vergangenen Episoden strukturellen Wandels Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

„Sorgen über Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gab es auch bei vergangenen Umwälzungen wie der Mechanisierung der Landwirtschaft oder der Computerisierung.“ Gesamtwirtschaftlich hätten sich die Sorgen aber im Endeffekt nicht bestätigt. „Es ist eben ein permanenter Wandel: Von der Agrargesellschaft sind wir zur industrialisierten Gesellschaft und schließlich zur Informationsgesellschaft übergegangen“, so Helm. „Aber die Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft freigesetzt wurden, trugen am Ende dazu bei, dass Deutschland im Produktionssektor stark wurde. Von der Computerisierung war der Produktionssektor negativ betroffen, brachte aber zugleich einen enormen Anstieg im Dienstleistungssektor.“


KI betrifft hochqualifizierte Beschäftigte

In Bezug auf den vergangenen, auch durch Globalisierung ausgelösten Wandel im verarbeitenden Gewerbe konnte Ines Helm bereits zeigen, dass die Folgen von strukturellem Wandel nicht gleich verteilt sind. Stattdessen verschwanden vor allem gut bezahlte Jobs für Geringqualifizierte vom Arbeitsmarkt. Diese fanden dann nur schwer eine neue Beschäftigung und mussten vermehrt in den schlechter bezahlten Dienstleistungssektor wechseln. Einkommenseinbußen kamen dabei nicht etwa durch erhöhte Verluste in – spezifischem – Humankapital zustande, sondern vor allem, weil Firmen im verarbeitenden Gewerbe produktiver sind und sie ihre Beschäftigten über höhere Löhne an Gewinnen beteiligen.

„Neue Technologien führen auch immer dazu, dass neue Aufgaben entstehen“, so Helm. „Das wird wohl auch bei der KI passieren – mit dem Unterschied, dass KI auch hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt betreffen wird. Diese werden allerdings möglicherweise besser in der Lage sein, sich anzupassen.“ Ein wichtiger Aspekt sei dabei, welche Arten von neuen Technologien durch KI entstehen. „Sind es nur reine Automatisierungstechnologien oder führen diese auch zu Produktivitätssteigerung? Sind sie komplementär zu den Skills der Beschäftigten und führen sie vielleicht auch zu neuen Aufgaben? Und wie bildet man die Arbeitskräfte um, damit sie die neuen Jobs bewältigen können?“

„Komplexe Aufgaben bleiben beim Menschen“

„Wenn ein Radiologe ganz genau auf jeden einzelnen Scan schauen muss, um zu identifizieren, ob ein Patient Krebs hat oder nicht, könnte KI das für den Radiologen stark vereinfachen und dabei sogar genauer sein als der Mensch. Der Radiologe wird zwar trotzdem noch über das Ergebnis und die Scans sehen, kann aber mit der gewonnenen Zeit andere Tätigkeiten seines Berufs besser ausfüllen, was positive Effekte hat.“ Negative Effekte gebe es dagegen bei reiner Automatisierung: „Viele Callcenter-Mitarbeiter werden in der Zukunft sicherlich durch KI ersetzt werden. Aber auch hier bleibt den verbleibenden menschlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Zeit für komplexere Anfragen. Und das könnte zu mehr Kundenzufriedenheit und einer höheren Nachfrage führen“, so die Ökonomin.

„Ich glaube nicht, dass wir durch KI in Massenarbeitslosigkeit enden, wie manche es jetzt fürchten“, resümiert Helm. „Aber wie bei früheren Umwälzungen wird es Verlierer geben – und wir müssen sehen, wie man ihnen helfen kann.“

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