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Quantenanwendungen: Neuartiger Lichtkäfig auf einem Chip

31.05.2021

Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung von LMU-Nanophysikern hat einen Hohlkern-Lichtkäfig auf einem Chip für nichtlineare und Quantenanwendungen entwickelt. Er ist chemisch stabil, kostengünstig und vielseitig einsetzbar.

Hohlkern-Lichtkäfig

Auf dem wachsenden Gebiet der hybriden Quantenphotonik sind miniaturisierte, integrierte quantenoptische Systeme für intensive Licht-Materie-Wechselwirkung sowohl in der Grundlagen- wie der angewandten Forschung von großer Bedeutung. Insbesondere die Entwicklung von Methoden zur Erzeugung, Ansteuerung, Speicherung und das Auslesen von Quantenzuständen mit hoher Wiedergabetreue durch kohärente Wechselwirkung von Licht und Materie eröffnet ein weites Feld von Anwendungen auf dem Gebiet von Quanteninformation und Quantennetzwerken. Dazu gehören beispielsweise optische Schaltungen, Quantenspeicher und Quanten-Repeater. Bisherige Versuche, eine möglichst ungestörte Wechselwirkung mit großem Überlappen von Lichtmode und atomarem Dampf in bereits etablierten Lichtleiterplattformen wie planaren Wellenleitern oder Hohlkernfasern umzusetzen, werden erschwert von geometrischen Einschränkungen der Überlagerung von Licht und Medium oder der Herausforderung langer Befüllzeiten für die atomaren Dämpfe.

Mögliche Grundlage für Quantenspeicher

Mit einem neuartigen Hohlkern-Lichtkäfig auf einem Chip ist es einem deutsch-britischen Forschungsteam nun gelungen, die Nachteile bisheriger photonischer Strukturen zu überwinden. Mit der lichtleitenden Plattform in einer Alkaliatom-Dampfzelle liefern die Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Humboldt-Universität zu Berlin, des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität Stuttgart sowie des Imperial College London so eine mögliche Grundlage für Quantenspeicher und quantennichtlineare Anwendungen.

Dazu nutzen die Forschenden den kompakten, seitlich zugänglichen Lichtkäfig als einfach zu handhabende lichtleitende Struktur für die kohärente Licht-Materie-Wechselwirkung für einen Lichtstrahl mit Durchmesser 13 µm über eine Länge von 4,5 mm. Dies ermöglicht vielfältige Einsatzweisen mit annähernd gleichbleibender Lichtleistung über die Länge des Lichtkäfigs. Im Inneren des Hohlkern-Lichtkäfigs konnten die Forschenden den Effekt der elektromagnetisch induzierten Transparenz beobachten, der als eine Grundlage für Photonenverzögerungs- und Quantenspeicher-Einheiten das große Potenzial des Lichtkäfigs für Anwendungen in der Quantenoptik aufzeigt.

Befüllung mit Atomen in Hochgeschwindigkeit

Der kompakte Lichtkäfig kommt aus dem 3D-Nanodrucker und weist mehrere Vorteile gegenüber anderen Hohlkern- und Wellenleiterstrukturen auf. Während Hohlkernfasern lange Zeiten zur Befüllung mit sich bringen — für wenige Zentimeter lange Bauelemente kann dies Monate dauern, erlaubt das Design des Lichtkäfigs durch den direkten seitlichen Zugang zum Hohlkern eine Hochgeschwindigkeits-Gasdiffusion in wenigen Minuten. Eine Beschichtung aus Aluminiumoxid schützt den Lichtkäfig vor den chemisch stark reaktiven Alkaliatomen und gewährleistet so die Langlebigkeit des Lichtkäfigs in dieser Umgebung.

Darüber hinaus machen es der hohe Integrationsgrad und die Langzeitstabilität möglich, das Bauelement mit anderen etablierten Technologieplattformen wie Silizium-Photonik und Faseroptik zu koppeln sowie reproduzierbare Bauelemente für eine Vielzahl von Anwendungen anzupassen.

„Wir demonstrieren die kohärente quantenoptische Wechselwirkung zwischen dem Lichtfeld in einem Lichtkäfig und Cäsiumdampf bei Raumtemperatur", erläutert Tim Kroh vom Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin. „Es ist das erste Mal, dass es uns gelungen ist, elektromagnetisch induzierte Transparenz innerhalb einer solchen Struktur zu beobachten.“

Vielseitige, technische Herstellungsmethode

„Abgesehen von der großartigen Physik, die in der Entdeckung und dem Design des Lichtkäfigs steckt, und dem damit durchgeführten quantenoptischen Experiment, ist die Technik, mit der wir den Lichtkäfig hergestellt haben, faszinierend“, ergänzt Prof. Dr. Stefan Maier vom Lehrstuhl für Hybride Nanosysteme an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Wir haben ihn direkt mit einem Laserstrahl in einen Polymerblock geschrieben. Diese sehr vielseitige Methode hat eine große Zukunft für integrierte optische Geräte.“

Die Struktur lasse sich mit einfachen Mitteln weiter verbessern, so die Forschenden. Die Erzeugung breiter Transmissionsfenster durch elektromagnetisch induzierte Transparenz für die Lichtverzögerung spektral breiter Lichtpulse, wie sie von Einzelphotonen-Quellen emittiert werden, lege den Grundstein, um Photonen in Quantennetzwerken zu synchronisieren oder kompakte Quantenspeicher auf einem Chip zu realisieren.

„Daher stellen unsere Ergebnisse einen großen Schritt dar für die hybride Integration von Laser-geschriebenen Designer-Strukturen in Atomzellen. Die Freiheit, dreidimensionale Strukturen nahezu ohne Einschränkungen auf der Silizium-Technologieplattform herzustellen, wird es uns ermöglichen, die Licht-Materie-Wechselwirkung im Lichtkäfig mit anderen Si-Chip-kompatiblen Bauelementen zu kombinieren, zum Beispiel mit Lithium-Niobat-Wellenleitern für die Modulation und Frequenzumwandlung von Licht, sowie die direkte Modenkopplung aus und in optische Fasern. Eine weitreichende Kontrolle über die Einzelphotonen-Eigenschaften in einem Quantennetzwerk könnte letztlich auf einem Chip umgesetzt werden“, prognostizieren die Wissenschaftler.
Light: Science & Application, 2021

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