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Schnittstelle zum Sprachzentrum

21.03.2017

Der LMU-Neurobiologe Anton Sirota untersucht im Rahmen eines neuen EU-Projekts wie Nervenimpulse in sprachliche Botschaften übersetzt werden. Seine Ergebnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien für zentral bedingte Sprachstörungen zu entwickeln.

Mehr als fünf Millionen Menschen weltweit erleiden jährlich eine Aphasie, eine Sprachstörung aufgrund einer Schädigung des Gehirns. Betroffene Patienten verlieren die Fähigkeit, zu sprechen oder Gesprochenes zu verstehen. Ein vielversprechender Therapieansatz könnten Gehirn-Computer-Schnittstellen sein, bei denen die elektrischen Impulse von Nervenzellen durch im Gehirn implantierte Elektroden aufgenommen und zur Dekodierung an einen Computer weitergeleitet werden. Das neue EU-Projekt BrainCom hat zum Ziel, solche Schnittstellentechnologien zu etablieren, um die Aktivität des kortikalen Netzwerks im Gehirn mit bisher unerreichter Präzision zu messen und neue Möglichkeiten zu entwickeln, Sprachstörungen mithilfe solcher innovativer Schnittstellen zu behandeln. Der LMU-Neurobiologe Professor Anton Sirota wird im Rahmen des neuen Projekts untersuchen, wie Nervenimpulse in sprachliche Botschaften übersetzt werden.

Die Sprachwahrnehmung und –verarbeitung im Gehirn basiert auf sehr komplexen kognitiven Prozessen. Im Rahmen von BrainCom sollen mithilfe neuer Materialien flexible Elektroden entwickelt werden, mit denen die neuronale Aktivität in großen Bereiche der Hirnrinde mit bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Auflösung parallel gemessen und stimuliert werden kann. „Bisherige Technologien können nur relativ simple Signale im motorischen Cortex, dem Bereich der Großhirnrinde, der willkürliche Bewegungen steuert, dekodieren und zur Steuerung zum Beispiel eines Computercursors einsetzen“, sagt Sirota. „Sprache ist aber viel komplexer und erfordert sehr viel anspruchsvollere, physiologisch-basierte Hirn-Computer-Schnittstellen.“

Hirnströme, die mittels Elektrode an der Oberfläche der Hirnrinde gemessen werden, resultieren aus den verarbeiteten Signalen zahlreicher Nervenzelle in tieferen Schichten des Gehirns und lassen für sich alleine noch keine Schlüsse darauf zu, wie sie in der Zusammenarbeit von größeren Nervenzellverbänden entstehen. Sirota will mit seinem Team nun am Tiermodell die Signalverarbeitung sowohl an der Oberfläche der Hirnrinde als auch in tieferen Schichten detailliert untersuchen. „Auf diese Weise wollen wir analysieren, wie Zellverbände im Inneren zu den Oberflächensignalen beitragen“, sagt Sirota. „Unser Ziel ist es, sogar den Beitrag einzelner Zelltypen zu untersuchen, indem wir deren Aktivität modifizieren.“ Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen will Sirota entscheidend dazu beitragen, die mit den neuen flexiblen Elektroden gemessenen Impulse zu dekodieren und für einen „Sprachschrittmacher“ nutzbar zu machen.

BrainCom, das von der Fundacio Institut Catala de Nanociencia i Nanotecnologia in Spanien koordiniert wird, wird als „Future & Emerging Technologies“-Projekt von der Europäischen Kommission für die nächsten fünf Jahre mit insgesamt 8.35 Millionen Euro gefördert. Insgesamt sind an der interdisziplinären Kooperation zehn Partner aus Deutschland, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und Luxemburg beteiligt.

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