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Stipendiaten vorgestellt: Sybille Veit - Die Ärztin, der die Eltern vertrauen

04.05.2017

Medizinstudentin Sybille Veit engagiert sich trotz Kind, Examen und Doktorarbeit für andere Studierende mit Kind

Beinahe wäre Sybille Veit auf der Hauptschule gelandet. Jetzt schreibt die Medizinstudentin im elften Semester an der LMU bald ihr Examen. Und neben der Doktorarbeit kümmert sie sich zusätzlich um ihren noch nicht einmal einjährigen Sohn. „Ich habe mich bewusst für eine Schwangerschaft während des Studiums entschieden“, erklärt sie. Denn als Ärztin kämen viele Schichtund Wochenenddienste auf sie zu. Doch viel Zeit für die Familie hat sie dennoch nicht: „Es war zwar eine sehr gute Entscheidung“, sagt die 30-Jährige. „Ich hatte es mir aber sehr viel einfacher vorgestellt.“ Damit es andere Mütter nicht so schwer haben, engagiert sich die junge Mutter in der Fachschaft Medizin und hilft trotz ihres Babys als Sprecherin für Studierende mit Kind anderen Mamis beim Organisieren des Studienalltag. Das funktioniert – dank des Deutschlandstipendiums. Doch bis dahin war es ein steiniger Weg.

Sybille kommt aus einem Nichtakademikerhaushalt. Aus Tradition wollten sie ihre Eltern daher nach der vierten Klasse auf die Hauptschule schicken – nur durch den Einsatz ihrer engagierten Grundschullehrerin konnte das verhindert werden. „Meine Eltern sind bei dem Gespräch aus allen Wolken gefallen“, erzählt die gebürtige Rosenheimerin. Auf dem Gymnasium eröffnete sich für sie eine neue Welt. Zwar musste Sybille vieles alleine stemmen, weil ihr keiner helfen konnte. „Es war eine sehr harte Schulzeit“, erinnert sie sich. Doch sie war mit Erfolg gekrönt: Die damals 19-Jährige wurde die erste in ihrer Familie mit Abitur. Einziger Wermutstropfen: Wegen ihrer Leidenschaft für Instrumente entschied sie sich für ein musisches Gymnasium. „Für meinen Beruf hat mir das zwar nichts gebracht“, sagt sie und lacht, „aber dirigieren können ist ja auch schön.“

Über Umwege kam Sybille trotzdem zu ihrem Ziel, der Medizin. Zuerst absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr als Erzieherin in einem Internat, wo sie sich um Kinder mit Autismus, ADHS, Borderline, Anpassungsstörungen oder Depressionen kümmerte. Dort merke die frischgebackene Abiturientin, dass ihr Medizin mehr liegt als Psychologie. Das Problem: Für ein Studium reichte ihr Abischnitt nicht. Doch selbst eine sechsjährige Wartezeit konnte Sybille nicht aufhalten. Also durchlief sie eine Berufsausbildung als Physiotherapeutin und übernahm anschließend in der Neuropädiatrie unter anderem die palliative Betreuung geistig und körperlich schwerstbehinderter Kinder und Jugendlicher. Mit 25 Jahren konnte sie sich dann endlich an der LMU einschreiben. Rückblickend sieht die angehende Ärztin die Wartezeit sogar positiv: „Dadurch habe ich jetzt ein breites Repertoire, um als Kinderärztin arbeiten zu können.“

Seit dem zweiten Semester engagierte sich Sybille in der Fachschaft Medizin. Dabei fiel ihr auf, dass die Gruppe „Studierende mit Kind“ ein Nischendasein führte. Als die Medizinstudentin selber Mama wurde, übernahm sie daher kurzerhand selbst die Leitung. Sie kennt die Probleme junger Mütter: Ihr Sohn hat die ersten sechs Monate durchgeschrien, weshalb sie ihn nicht mit in die Vorlesungen nehmen konnte. „Dadurch blieben viele Pflichtveranstaltungen auf der Strecke“, erinnert sich Sybille. Hinzu kam die tägliche Pendelei von Rosenheim nach München. Daher hat sie jetzt gemeinsam mit dem Studiendekan und der Frauenbeauftragte ein Betreuungsangebot für Eltern ins Leben gerufen. Wenn Mamas oder Papas wegen Prüfungen einen Babysitter brauchen, dieser vor der Vorlesung spontan ausfällt oder einfach kein Geld für einen vorhanden ist, hilft jetzt die LMU. „Das hätte ich damals gut gebrauchen können“, sagt die Studierendenvertreterin und lacht.

Zusätzlich ist Sybille in der klinischen Curriculumsgruppe zur Verbesserung der Lehre und im PJ-Härtefall. Sie entscheidet also beispielsweise darüber, ob behinderte Personen, chronisch Kranke oder studierende Eltern den von ihnen gewünschten Platz für ihr Praktisches Jahr in der Nähe ihrer Wohnung bekommen können. „Ich will, dass Leute sozial gerecht behandelt werden“, erläutert die 30-Jährige ihr Engagement. Zusätzlich gibt sie als Leiterin der Arbeitsgemeinschaft MediEltern Studienanfängern Tipps rund um das Thema „Studieren mit Kind“. Und nicht zuletzt engagiert sie sich neben Examen und Doktorarbeit in der Arbeitsgemeinschaft zur Evaluation von Studium und Lehre. Warum die junge Mutter den ganzen Stress auf sich nimmt? „Ich wertschätze sehr, was die LMU für Studierende tut“, sagt sie ohne lange zu überlegen. Sie sei so froh, studieren zu dürfen und so glücklich an der Uni. „Da möchte ich einfach etwas zurückgeben.“

Für ihr Engagement bekommt Sybille jetzt auch etwas von der LMU zurück: Nachdem sie durch die vielen Blockseminare, Farmulaturen und natürlich ihren Sohn nicht mehr arbeiten kann, unterstützt sie jetzt das Deutschlandstipendium an der LMU. „Das hilft mir sehr“, versichert die Rosenheimerin. „Ohne würde es nicht gehen.“ Von dem Geld könne sie die Kita zahlen und dadurch wieder acht Stunden täglich büffeln – ihr Lernziel. Außerdem seien die Förderer „unglaubliche liebe und zugängliche Menschen“, zu denen sie bei Problemen immer kommen könne. Sie seien selber Ärzte und hätten drei Kind… – weiter kommt Sybille nicht. Sie müsse jetzt schnell auflegen, ruft sie außer Atem in den Hörer. „Das Kind schreit.“

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