„Tricksen ist keine gute Idee“
21.09.2015
Vom Vorteil der Gewissenhaften und den Grenzen der Sympathie: Markus Bühner über die Rolle der Persönlichkeit für den Beruf und die Möglichkeiten der Personalauswahl.
21.09.2015
Vom Vorteil der Gewissenhaften und den Grenzen der Sympathie: Markus Bühner über die Rolle der Persönlichkeit für den Beruf und die Möglichkeiten der Personalauswahl.
Für die einen beginnt in wenigen Wochen das Studium, andere denken schon an die Zeit danach, den Berufseinstieg. Wie wichtig dafür die persönliche Eignung ist und wie diese mit Tests gemessen werden kann, erläutert Professor Markus Bühner, Inhaber des Lehrstuhls für psychologische Methodenlehre und Diagnostik an der LMU.
Auf welche Auswahlverfahren müssen sich Hochschulabsolventen beim Bewerben einstellen? Markus Bühner : Am stärksten verbreitet sind Interviews. Damit rechnet auch jeder. Einige Jobs werden über Assessment Center vergeben, für einen noch kleineren Teil werden Intelligenz- und etwas häufiger Persönlichkeitstests eingesetzt.
Was messen denn Persönlichkeitstests? Einige Psychometrische Persönlichkeitstests basieren auf modernen psychologischen Ansätzen, zum Beispiel den sogenannten Big Five der Persönlichkeit: Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Neurozitismus, was man als emotionale Stabilität umschreiben könnte, und Verträglichkeit. Darunter gibt es weitere Facetten, insgesamt unterscheidet man 30 Facetten der Persönlichkeit. Das ist sicher der am besten erforschte Ansatz. Es gibt auch Typentests, die versuchen, Personen zu klassifizieren. Da muss man aber sehr vorsichtig sein, weil sie Menschen in Schubladen stecken, insbesondere weil die Zuordnung zu einem Typ nur selten zeitlich stabil ist. Intelligenztests werden vor allem für die Auswahl von Auszubildenden verwendet.
Woran lässt sich denn erkennen, ob jemand für einen bestimmten Beruf geeignet ist? Das kommt darauf an, was man dafür können muss. Beruf und Bewerber müssen zueinander passen. Das übliche Vorgehen ist, zunächst die Anforderungen zu analysieren und diese dann mit den eben genannten Methoden messbar zu machen. Wer für einen bestimmten Job geeignet ist, steht also schon fest, bevor ein Test überhaupt beginnt. Tests machen die Passung lediglich sichtbar. Ein optimaler eignungsdiagnostischer Prozess lässt wenig Raum für eigene Interpretation. Das stört manche Unternehmen, weil sie dann keine Freiräume mehr haben.
Sie können dann nicht mehr nach Sympathie entscheiden, was ja im Rahmen von Vorstellungsgesprächen oft entscheidend zu sein scheint. Sympathie ist zunächst etwas vermeintlich ganz Wichtiges. Aber sobald die Führungskraft, die den sympathischen Bewerber eingestellt hat, wechselt, fallen die Sympathiepunkte möglicherweise weg. Und wie lange finden Sie jemanden sympathisch, der nicht die Eignungsmerkmale besitzt, die er für den Job braucht? Der dann überfordert ist und deswegen möglicherweise krank wird? Das Auswahlkriterium Sympathie wird dann früher oder später hohe Fluktuation erzeugen. Wenn ein Unternehmen vier oder fünf geeignete Bewerber hat, kann man natürlich nach Sympathie aussuchen. Ansonsten gilt: Erst kommt die Eignung, dann die Sympathie.
Welche Rolle spielt die Persönlichkeit überhaupt für den Beruf? Die Persönlichkeit spielt eine entscheidende Rolle für beruflichen Erfolg, vor allem langfristig. Das zeigen alle Analysen. Ich würde empfehlen, häufiger Persönlichkeitstests einzusetzen, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu erkennen. Allerdings funktioniert es nicht, irgendeinen Test zu nehmen, sondern man muss empirisch untersuchen, welche Persönlichkeitsmerkmale für einen bestimmten Job relevant sind.
Gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die man in jedem Beruf braucht, um erfolgreich zu sein? Gewissenhaftigkeit ist ein heißer Kandidat, den man in sehr vielen Berufen braucht. Es gibt aber auch viele andere Persönlichkeitsfacetten, die je nach Job entscheidend sind. Es kommt sehr stark auf das jeweilige berufliche Anforderungsprofil an. Bei der Intelligenz, deren Relevanz man inzwischen für verschiedene Berufsgruppen und Anforderungen untersucht hat, kann man auf jeden Fall sagen: Intelligenz, genauer gesagt logisches Denken, sagt beruflichen Erfolg voraus. Wenn Sie gut schlussfolgern können, hilft Ihnen das in allen Situationen.
Soll man also nur noch Leute mit einem IQ ab 130 einstellen? Ein IQ von 130 ist schon mal ausgezeichnet und sehr selten, aber auch die Persönlichkeit muss zum Beruf passen. Wenn Sie jemanden einstellen, der am Hotelempfang arbeiten soll, können Sie ihm viel beibringen – auch, den Gästen die Hand zu geben oder ihnen in die Augen zu schauen. Aber wenn derjenige nicht gern mit Menschen zusammen ist, wird er sich in dieser Position nie wohlfühlen, selbst wenn er das dafür nötige Verhaltensrepertoire aufgebaut hat. Oder denken Sie an Führungspositionen. Sie müssen ein gewisses Maß an Extraversion mitbringen, um als Vorgesetzter zu bestehen. Sie müssen es zum Beispiel mögen, ein hektisches Leben zu führen, Präsentationen zu halten und Mitarbeitergespräche zu führen. Persönlichkeit und Intelligenz hängen nicht sehr stark miteinander zusammen, aber beide tragen erheblich zu beruflichem Erfolg bei und beide sind über die Lebensspanne beachtlich stabil.
Würden Sie also auch die Intelligenz von Führungskräften testen? Für die Auswahl von Führungskräften sind Intelligenztests auf jeden Fall zu empfehlen. Wir haben das auch schon für Unternehmen implementiert. Das sorgt dann mitunter für Erstaunen, wenn bislang vermeintlich geeignete Kandidaten, die mit ihrer Persönlichkeit überzeugen, aufgrund eines schlechten Ergebnisses beim Intelligenztest ausscheiden. Aber man darf nicht vergessen: Der Intelligenztest ist nur ein Bestandteil eines Auswahlverfahrens. Es kommt immer darauf an, dass man eine Vielfalt an Methoden hat, die an die beruflichen Anforderungen angepasst sind.
Kann man es also mit der richtigen Persönlichkeit ausgleichen, wenn man etwas weniger schlau ist als der Mitbewerber? Wir haben in den vergangenen Jahren ein solch kompensatorisches Modell für das Unternehmen Provadis entwickelt. Der Hintergrund ist, dass Arbeitgeber in vielen Branchen nicht mehr so großen Zulauf an Bewerbern haben wie früher. Sie müssen also zwangsläufig die Anforderungen senken, wollen aber dennoch eine gute Auswahl haben. Wir haben für Provadis ein Verfahren für die Auswahl von Auszubildenden erarbeitet, bei dem Bewerber kognitive Schwächen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften ausgleichen können. Das Unternehmen hat nun eine Formel, mit der sich die Wahrscheinlichkeit berechnen lässt, mit der ein Bewerber die Ausbildung bestehen wird oder nicht. Das klappt ausgezeichnet.
Lässt sich das Ergebnis solcher Tests gezielt beeinflussen, indem man kurzfristig mögliche Fragen vorab trainiert? Es gibt sogar Ratgeber dazu. Es ist schwierig, sich auf Tests vorzubereiten. Im Grunde müsste man die Fragen kennen und die Lösungen auswendig lernen. Intelligenz ist im Erwachsenenalter nicht oder nur wenig trainierbar. Übungseffekte auf andere Intelligenzaufgaben, als die, die man trainiert hat, sind ebenfalls gering. Man kann zwar den Test ein bisschen üben, wird aber nicht sehr viel mehr Punkte herausholen können, wenn andere Aufgaben kommen als die auswendig gelernten. Und bei Persönlichkeitstests wissen wir inzwischen, wie geschummelt wird. Es werden zum Beispiel nicht alle Antworten verfälscht, sondern nur jene, die für anforderungsrelevant gehalten werden, und wer fälscht, stellt sich meist nur entweder ein bisschen besser dar oder verfälscht etwas deutlicher, wählt aber nicht immer die bestmögliche Antwort. Als Bewerber kann man sich natürlich bemühen, sich so darzustellen, dass man bestmöglichst auf den Beruf passt. Aber wenn man nicht wirklich mitbringt, was der Job fordert, ist man später auch nicht in der Lage, ihn auszufüllen. Ich bezweifele, dass Tricksen im Hinblick auf die Arbeitszufriedenheit und Gesundheit auf Dauer eine gute Idee ist. Am besten kommt man durch ein Auswahlverfahren, wenn man sich so gibt, wie man ist.
Professor Markus Bühner ist Inhaber des Lehrstuhls für Psychologische Methodenlehre und Diagnostik an der LMU. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem eignungsdiagnostische Methoden sowie die Konstruktion von Tests und Fragebögen.
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