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Über den Ursprung des Valentinstags

10.02.2022

Was die Legende eines Märtyrers, ein Gedicht über Vögel und ein Irrtum mit dem „Tag der Liebe“ zu tun haben: ein Interview

Viele halten ihn für eine Erfindung der Blumenindustrie und die Meinung zu ihm ist gespalten: Während so manches Liebespaar den 14. Februar als Fest der Liebe mit Geschenken begeht, gibt es nicht wenige, die den Valentinstag als kommerzielle Veranstaltung betrachten und ablehnen. Doch tatsächlich lässt sich der Valentinstag als Gedenktag bis in die Antike zurückverfolgen, auch wenn er zu dieser Zeit noch anders konnotiert war als heutzutage. Wieso eine nebulöse Märtyrergestalt aus dem 3. Jahrhundert den Ursprung des Valentinstags bildet – und welche Rolle ein von Vögeln bevölkertes Frühlingsgedicht und „invented traditions“ für seine heutige Form spielen, verrät Professor Roland Kany, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte des Altertums an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU, im Interview.

Den Valentinstag verbinden viele mit roten Rosen und teuren Geschenken, aber kaum einer weiß, dass der Valentinstag seinen Ursprung in der katholischen Kirche hat. Herr Prof. Kany, was ist der historische Hintergrund?

Roland Kany: Der 14. Februar hieß im Kirchenjahr einst Valentinstag, weil er seit der Antike der Gedenktag zweier Christen namens Valentinus war, die ihres Glaubens wegen im alten Rom den Märtyrertod erlitten. Vielleicht sind die beiden auch ursprünglich identisch. Jedenfalls ließ Bischof Julius von Rom (337–352) eine nach Valentin benannte, archäologisch nachweisbare Basilika am Ort von dessen Enthauptung an der Via Flaminia bei Rom errichten. Das ist das früheste Zeugnis. Über das Leben der beiden Märtyrer aus der Zeit der Christenverfolgungen wissen wir ansonsten nichts, denn wir haben nur reine Legenden des sechsten und siebten Jahrhunderts. Sowohl der angebliche Priester Valentin aus Rom als auch der Bischof Valentin von Terni in Umbrien heilen den Legenden zufolge in Rom wundersam einen jungen Menschen von schwerer Krankheit. Daraufhin lassen sich viele Augenzeugen taufen, der römische Staat beobachtet dies mit Argwohn, und der jeweilige Valentin wird hingerichtet: alles typische Versatzstücke vieler Märtyrerlegenden. Die Zeitangaben, eine davon auf etwa 269 n.Chr. weisend, sind widersprüchlich und nebulös.

Ist die Person des heiligen Valentin also ein Mythos oder kann man seine Existenz historisch belegen?

Man kann weder seine Existenz noch seine Nicht-Existenz beweisen. Die Legenden aus dem Baukasten der Märtyrerliteratur lassen darauf schließen, dass man schon im sechsten Jahrhundert nichts Genaues wusste.

Papst Gelasius soll im Jahre 496 den 14. Februar als Gedenktag für die ganze Kirche eingeführt haben. Warum? Und wie wurde er damals begangen?

Diese Erzählung über Papst Gelasius (492–496) geht viral im Internet, beruht aber auf einem Irrtum aus dem achtzehnten Jahrhundert. Einige Gelehrte glaubten damals, die Bräuche Liebender am Valentinstag darauf zurückführen zu können, dass Gelasius das zählebige, vorchristliche, teils karnevalesk anmutende Fest der „Lupercalien“ vom 15. Februar verboten habe. Als christlichen Ersatz habe Gelasius jenen Gelehrten zufolge den Valentinstag am Vortag eingeführt. Dadurch seien einige fruchtbarkeitsrituelle Elemente der Lupercalien in den Valentinstag geraten. Tatsächlich gibt es zwar eine Schrift des Gelasius gegen die Lupercalien, doch keinen Beleg dafür, dass er den Valentinstag eingeführt oder als Erster auf den 14. Februar gelegt hätte. Vor allem aber findet sich von der Antike bis zur Mitte des vierzehnten Jahrhunderts nicht die leiseste Spur von Liebesbräuchen am Valentinstag. Dieser Tag hat darum historisch überhaupt nichts mit den Lupercalien zu tun. Der christliche Gedenktag bietet für solche Bräuche auch keinen Anknüpfungspunkt und bestand vielmehr darin, dass Valentin an mehreren Stellen des Gottesdienstes ganz knapp erwähnt und manchmal seine Märtyrerlegende erzählt wurde. Valentin wurde im Laufe der Zeit mit anderen Heiligen vermengt, man rief ihn im Mittelalter gegen Epilepsie und andere Erkrankungen an, und diverse Kirchengemeinden in Europa erwarben vermeintliche Reliquien des Heiligen für ihr Kirchengebäude.

The Parliament of Birds

Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert von Carl Wilhelm de Hamilton

Haben unsere heutigen Valentinstagsbräuche einen Bezug zu damals?

Nein, erst später wurde aus dem Valentinstag am 14. Februar ein Tag der Liebenden. Der Ursprung dafür liegt wahrscheinlich, wie könnte es anders sein, in der Poesie. Wohl um 1382 lässt Geoffrey Chaucer in seinem Gedicht The Parlement of Foules (Vogelparlament) den Erzähler am „Seynt Valentynes day“, was schlicht der Datierung des Tages dient, in die sonnige Vorfrühlingslandschaft treten. Dort lauscht er einer von der Natura höchstpersönlich geleiteten, lebhaften Debatte der Vögel um die rechte Partnerwahl, die in heftig zwitschernde Zustimmung zur Unberechenbarkeit, Freiwilligkeit und Herrlichkeit der Liebe mündet.

Seit etwa der Zeit dieses Poems gibt es erste und bald an Zahl wachsende Belege, dass Verliebte sich am 14. Februar Briefe oder kleine Geschenke senden. Heute werden Bezüge zu den modernen Valentinsbräuchen gerne in die antik-frühmittelalterlichen Legenden geschmuggelt: Da heißt es dann plötzlich, der antike Valentin habe Trostsuchenden gerne Blumen aus seinem Garten geschenkt, Liebespaare nach christlichem Zeremoniell getraut und in Partnerschaftskrisen geholfen. Das sind „invented traditions“, neuzeitliche, mitunter vor wenigen Jahren erfundene Herleitungen heutiger Bräuche.

Doch so geht es mit Legenden: Sie werden weitergesponnen. Dass die Blumengeschäfte ihre Werbung vor dem 14. Februar intensivieren, war z.B. in den USA schon um 1900 verbreitet, kam um 1950 durch Fleurop in die Schweiz und noch später nach Deutschland. Heute locken Drogerien und selbst Baumärkte mit roten Herzchen auf der Homepage zum Konsumrausch um den 14. Februar.

Wieso wurde der Gedenktag 1969 aus dem römischen Generalkalender gestrichen?

Über die Jahrhunderte waren immer mehr Heilige in den Kalender des katholischen Kirchenjahres aufgenommen worden. Ihre Menge überwucherte die religiös wichtigsten Feste und Gedenktage. Darum strich man 1969 viele Heilige, insbesondere solche, über die man historisch nichts sicher weiß, wie den heiligen Valentin. Doch alle Bistümer dürfen weitere Heilige in ihren Eigenkalendern führen, in Mainz z.B. ist Valentin am 14. Februar noch im Kalender, in München nicht. Davon unabhängig bieten viele katholische und wohl auch evangelische Kirchengemeinden seit einigen Jahren am 14. Februar eigene Gottesdienste zum Valentinstag an, mit Segen für alle Liebenden, einschließlich der auf der Suche nach einem Partner befindlichen Menschen. Der Zulauf war vor Corona enorm.

Wenn ich heute abseits vom Konsum einen authentischen Valentinstag erleben möchte, gibt es dann noch die Möglichkeit?

„Authentisch“ im Sinne des ursprünglichen christlich-antiken Valentinsfestes müssen hoffentlich möglichst wenige Paare den Tag begehen, denn da war er ja der Gedenktag eines Martyriums. Doch wenn Liebende den Tag in ihrer ganz persönlichen Weise authentisch feiern möchten, kann jeder auf seine Weise dem Anderen die Freude über das Geschenk der Liebe mitteilen. Die Liebe soll nicht im Alltagsgrau verkümmern. Blumen zum Beispiel symbolisieren das mit ihrer wunderbaren Leuchtkraft. Und da Blumen bald wieder verwelken, sollte man immer wieder mal im Jahr neue schenken und in jedem Falle dankbar zu zweit die Schöpfung, das Leben und die Liebe feiern.

Professor Dr. phil. Roland Kany studierte Germanistik, Theologie und andere Fächer in Würzburg, Tübingen und London, promovierte 1986 und arbeitete anschließend in Forschung und Lehre in Oxford, Rom, Mainz, Freiburg, Augsburg sowie ein Jahr als FAZ-Redakteur in Frankfurt. Seit 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte des Altertums an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU, seine Forschung gilt den ersten 600 Jahren des Christentums und der Ideengeschichte. Er ist verheiratet.

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