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Unikurs und Kinderbrei

03.11.2023

Annika H. hat ihr Psychologie-Studium als Mutter von Zwillingen geschafft. Welche Angebote es an der LMU für Studierende mit Kind gibt.

Die Geburt von Annikas Zwillingen lag genau in den Semesterferien – „praktischerweise“, wie sie mit einem Lachen sagt. Damals, im Sommer 2020, studierte sie im Bachelor Psychologie an der LMU, ihr Mann Maschinenwesen an der Technischen Universität München. „Jung Eltern zu sein – dafür haben wir beide uns ganz bewusst entschieden“, sagt die heute 26-Jährige. „Schon vor der Schwangerschaft hatten wir uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir während des Studiums ein Kind aufziehen würden.“

Eine wichtige Anlaufstelle war dabei die Beratungsstelle „Studieren mit Kind” der LMU, die studierende Eltern, schwangere Studentinnen und werdende Väter etwa bei der Wohnungs- und Krippenplatzsuche unterstützt und über Beurlaubungsmöglichkeiten informiert. „Aber die bieten auch tolle Veranstaltungen“, so die junge Mutter. Sie selbst besuchte einen Vortrag zur Studienfinanzierung mit Kind. Dabei lernte sie andere Mütter und Väter kennen und erfuhr von einer WhatsApp-Gruppe studierender Eltern.

Eine Statistik dazu, wie viele Studierende an der LMU bereits Eltern sind, gibt es nicht. Laut der jüngsten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aber haben circa 8 Prozent der befragten Studierenden in Deutschland Kinder, wobei der Anteil von Frauen überwiegt. Dieser Prozentsatz ist im Vergleich zu früheren Erhebungen gleichbleibend, gestiegen ist allerdings der Anteil Studierender mit mehreren Kindern.

Kinderwagen reparieren an der Fahrradstation

Annika H. hatte gehofft, dass ihre beiden Mädchen quasi am Campus aufwachsen würden. Doch das wurde zunächst von der beginnenden Pandemie vereitelt. Während Familienausflüge Corona-bedingt kleiner ausfallen mussten, kam die Online-Lehre den jungen Eltern entgegen. „Jeder saß mit einem Kind in der Trage an seinem Schreibtisch und machte sein Ding – so konnten wir mehr Veranstaltungen besuchen als im Präsenz-Unterricht.“ Was ihre Arbeitsweise betrifft, seien sie und ihr Mann effizienter geworden und besser organisiert – Soft Skills, die man als Eltern ständig trainiere. „Wir haben beide gelernt, auf den Punkt ‚da‘ zu sein. Mein Handy auf dem Schreibtisch zu haben, zwischendurch auf Instagram zu schauen – das mache ich jetzt nicht mehr.“

Junge Familie sitzt im Spielraum am Boden

Annika H. mit ihrem Mann und ihren Zwillingen im Eltern-Kind-Raum in der Fachbibliothek Philologicum der LMU. | © LC productions

Vor jedem neuen Semester setzten sie sich wieder zur Planung zusammen: „Wo steht jeder im Studium, welche Credits sind offen, wer macht wann welche Veranstaltung?“ Bei aller Planung habe man aber auch versucht, flexibel und realistisch zu bleiben und Puffer einzuplanen. „Denn spätestens, wenn die Kinder in der Kita sind, gibt es Krankheitsphasen – und dann schafft man einfach nicht alles, was man geplant hat.“

Als die Vorlesungssäle wieder öffneten, Annika H. ein Masterstudium in Klinischer Psychologie und Kognitiver Neurowissenschaft an der LMU begann und ihre Mädchen Krippenplätze beim Studierendenwerk erhielten, ging es per Fahrrad an die Unis. „Einer von uns hängte sich die Kinder im Anhänger hinten an.“ Dieser ließ sich umbauen, auch mal in eine Vorhalle schieben und zur Not an einer der Fahrradreparaturstationen am Unigelände reparieren. „Übergaben fanden oft im Park hinter dem Schweinchenbau statt“, so Annika H. „Zum Beispiel wartete mein Mann dort mit den Mädchen auf mich und fuhr anschließend wieder nach Garching.“ Eine Alternative bei Regenwetter waren Eltern-Kind-Räume der LMU, in denen man die Kinder füttern, wickeln und mit ihnen spielen kann.

Kostenloser Kinderteller

„Für meine Mitstudierenden war ich wohl schon manchmal ‚die mit den Kindern‘“, sagt sie. „Aber alle waren sehr hilfsbereit. Viele Studierende konnten sich selbst noch kein eigenes Kind vorstellen, aber für eine halbe Stunde den Buggy um den Schweinchenbau schieben oder mit den Mädels spielen, das hat jeder total gerne gemacht.“ Offen nach Hilfe zu fragen – damit habe sie nur positive Erfahrungen gemacht: Kommilitonen gaben ihr ihre Vorlesungsnotizen, wenn sie die fiebernden Kinder von der Kita abholen musste; eine Dozentin übertrug ihre interessante, aber für Annika H. zeitlich ungünstig gelegene Vorlesung kurzerhand auf Zoom.

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„Der wichtigste positive Faktor aber war unsere Partnerschaft“, so Annika H. „Wir haben uns immer gegenseitig gestärkt, gepusht, den Rücken freigehalten und versucht, den Mental Load zwischen Kindern und Studium gerecht aufzuteilen.“ Manchmal mache es sie „ein bisschen fuchsig“, wenn jemand sagt: Toll, dass dir dein Mann so mit den Kindern hilft. „Aber er hilft mir ja nicht, es ist einfach unsere gemeinsame Verantwortung.“ Bewusst planen sie Paarzeiten ohne Kinder ein, in denen sie „nicht über Orga-Sachen sprechen, weil wir das im Alltag so viel machen.“ Seit die Kinder in der Kita sind, gehe das einfacher – auch wenn die Zweisamkeit mittags in der Mensa statt abends in einer Bar stattfindet. Auch Zeit für sich selbst ist den jungen Eltern wichtig – ob in einer interessanten Extra-Vorlesung, beim Joggen oder Eisbachsurfen wie ihr Mann.

Neben der Organisation sei die Finanzierung die größte Herausforderung in einer teuren Stadt wie München. „Als studierende Eltern muss man sein Budget natürlich gut planen. Aber zumindest in den ersten drei Jahren bekommt man doch einiges an Unterstützung.“ Die Studienstiftung des deutschen Volkes, deren Stipendiatin Annika H. ist, zahlt Kinder- und Familienzuschläge. Zudem erhielten sie und ihr Mann Unterhalt von ihren eigenen Eltern und beziehen Kinder- und Elterngeld, plus das Bayerische Familien- und Krippengeld. Dass die Beiträge der Münchner Kitas nach Einkommen gestaffelt sind und die Studierenden deshalb nichts zahlen mussten, half genauso wie der kostenlose Kinderteller in der Mensa.

Dabei beim ersten Schritt

Mittlerweile haben ihre Mädchen den dritten Geburtstag gefeiert und Annika H. hat ihren Master beendet. Ihr Mann ist seit einem Jahr berufstätig, was die finanzielle Situation entspannt. Das Einzige, was sie manchmal wehmütig macht, ist der Mangel an jener Spontanität, die Studierende ansonsten genießen. „Nach den Klausuren kurzfristig an den Gardasee fahren – das ist schwierig, wenn man für vier planen muss.“

Nach dem Studium will Annika H. noch eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin machen, die noch einmal drei bis fünf Jahre dauern wird – auch dies ein Grund, der für sie für das frühe Elternsein sprach. „Ich hatte keine Lust, irgendwann endlich im Berufsleben zu stehen und gleich wieder auszufallen.” Im Studium sei es kein Problem, nach Beurlaubungen wegen Familienzeit an die Uni zurückzukehren.

„Ich würde es tatsächlich immer wieder so machen“, resümiert Annika H. Sie empfand es als schön, auch in den ersten Jahren nicht nur Mutter zu sein. „Kognitiv noch auf andere Weise gefordert zu sein, war ein super Ausgleich.“ Als größten Vorteil sieht sie aber die flexible Zeiteinteilung, die ein Studium zwischen Vorlesung und Kinderbrei erlaubt. „Wir waren beide beim ersten Wort dabei, beim ersten Schritt. Das waren einmalige Momente, die wir später im Beruf vielleicht verpasst hätten.“

Weitere Informationen zur Beratungsstelle, Eltern-Kind-Räumen, Still- und Wickelmöglichkeiten und Kinderwagen-Stellplätzen an der LMU.

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