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Verborgene Zeugen der Klimageschichte

03.08.2017

Einst besiedelten sie den Meeresboden, nun leben sie im Untergrund: Mikroorganismen in Sedimenten des Arabischen Meers spiegeln Klimaschwankungen und wechselnde Umweltbedingungen im Lauf der letzten 52 000 Jahre wider.

Unter den Böden der Ozeane existieren mikrobielle Lebensgemeinschaften, die trotz der extremen Bedingungen in den licht- und sauerstofflosen Tiefen überdauern. Manche dieser Mikroben gehören zu Gattungen, die ursprünglich auf dem Meeresboden lebten und erst durch die Ablagerung weiterer Sedimente verschüttet wurden. In der Tiefe haben sie ihren Stoffwechsel an die Verhältnisse angepasst, sodass sie nur langsam leben und wachsen und daher einem geringen Selektionsdruck unterliegen. Professor William Orsi vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU hat mit einem internationalen Team den Untergrund des Arabischen Meeres untersucht und konnte zeigen, dass einige dieser Mikroorganismen die Klimageschichte der Region widerspiegeln. Ihre Ergebnisse, über die die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Scientific Reports berichten, lassen auch Rückschlüsse darauf zu, wie die mikrobiellen Gemeinschaften in den Ozeanen auf die weltweite Klimaerwärmung reagieren werden.

Im Arabischen Meer gibt es eine großflächige Sauerstoff-Minimum-Zone, in der die Sauerstoffkonzentration im Wasser gegen Null geht. Obwohl organische Substanz unter diesen Bedingungen nur schwer abgebaut werden kann, ist sie im Meeresboden nur in bestimmten Sedimentschichten angereichert. Dazwischen liegen immer wieder Schichten, die wenig organische Substanz enthalten. Frühere Studien zeigten, dass diese Schichtung mit mehrmaligen, in geologischen Maßstäben sehr schnellen Wechseln zwischen Warm- und Kaltzeiten korreliert: Bei warmen Temperaturen enthält Meerwasser weniger Sauerstoff, sodass organische Substanz im Sediment angereichert wird. Schichten mit viel organischer Substanz dagegen lagerten sich in Perioden ab, in denen die Durchschnittstemperatur innerhalb weniger Jahrzehnte um etwa fünf Grad Celsius anstieg.

Um zu untersuchen, ob diese Klimaschwankungen auch die mikrobielle Gemeinschaft beeinflussten, entnahmen die Wissenschaftler mithilfe eines 13 Meter langen Bohrkerns Proben aus den Sedimentablagerungen der letzten 52 000 Jahre und analysierten die in den Proben enthaltene DNA. „Dieses Screening ermöglichte es uns, die Zusammensetzung der sedimentären DNA zu erfassen und bis auf 100 Jahre genau zeitlich einzuordnen“, sagt Orsi. Die DNA-Daten lassen Rückschlüsse auf Art und Stoffwechsel der verschütteten Organismen zu. Wie die Wissenschaftler nachweisen konnten, sind zwischen zehn und fünfzehn Prozent der in einer Probe gefundenen Bakteriengruppen tatsächlich Zeugen der Klimageschichte, vor allem bestimmte sogenannte denitrifizierende und Schwefel-oxidierende Gruppen. Denitrifizierer können Nitrat zu molekularem Stickstoff und Stickoxiden umwandeln und so Energie gewinnen. „Die Denitrifizierer unter unseren Indikator-Bakterien leben allerdings unabhängig von Probentiefe und verfügbarem Nitrat hauptsächlich in den in den Warmzeiten abgelagerten Schichten, die reich an organischer Substanz sind. Ihre Energie scheinen sie vor allem aus Gärungsprozessen zu gewinnen“, sagt Orsi. „Auf wechselnde Umweltbedingungen reagieren sie offensichtlich empfindlich, denn in den bei kälteren Temperaturen abgelagerten Schichten mit geringeren Gehalten an organischer Substanz kommen sie nicht vor. Damit konnten wir erstmals nachweisen, dass schnelle Klimaschwankungen die Diversität denitrifizierender Bakterien beeinflussen.“

Nach Ansicht der Wissenschaftler ermöglichen ihre Ergebnisse auch Rückschlüsse darauf, wie marine Mikroorganismen zukünftig auf den weltweiten Klimawandel reagieren werden. Seit etwa 50 Jahren nimmt der Sauerstoffgehalt im Meer tendenziell ab. Denitrifizierende Bakterien in den Sauerstoff-Minimum-Zonen entziehen dem Ökosystem Stickstoff und produzieren das klimawirksame Spurengas Stickstoffdioxid. „Unsere Daten zeigen, dass die relative Häufigkeit der Denitrifizierer bei sinkenden Sauerstoffgehalten im Wasser – die mit wärmeren Klimaperioden einhergehen – zunimmt, und dass sich ihr Artenspektrum nach der letzten Eiszeit völlig verändert hat“, sagt Orsi. „Dies könnte potenziell zu einem klimatischen Feedback-Mechanismus beitragen.“ Als nächstes wollen die Wissenschaftler unterseuchen, ob ihre Beobachtungen auch für andere Regionen der Weltmeere zutreffen.Nature Scientific Reports 2017

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