Wegen der Corona-Krise schlägt in diesen Wochen die Stunde des Homeoffice. (Foto: @moderngreekstudies auf Instagram: "Die Hörsäle sind leer, wir machen im digitalen Klassenzimmer weiter! Die Neogräzistik bietet alle Lehrveranstaltungen des Sommersemestes als e-learning an.")
Frau Weisweiler, derzeit müssen viele Menschen im Homeoffice arbeiten. Was müssen sie hier beachten, oder wie können Sie aus der Situation das Beste machen? Die aktuelle Situation hat sich sehr schnell entwickelt. Eine wirkliche Vorbereitung war deshalb für viele nicht möglich. Für den Einstieg ist ein grober Überblick hilfreich: mit welchen Programmen und Tools arbeite ich und wie kann ich diese zuhause sinnvoll integrieren? Neben den technischen Aspekten hilft es auch, die sozialen und kreativen Aspekte im Blick zu behalten. So hilft es vielen ungemein, sich zu bewegen und auch einmal den Ort zu wechseln. Denn normalerweise sind wir so viel unterwegs und bekommen durch das U-Bahn-fahren, das Mensa-Essen oder die kurze Kaffeepause neuen Input. Doch das entfällt zurzeit und so ist es wirklich hilfreich, einmal um den Block zu spazieren oder im Zimmer auf- und abzulaufen, mit den Kindern zu spielen, oder Mittagessen zu kochen. Das kurbelt den Ideenreichtum an.
Und generell gilt: Wir alle befinden uns gerade noch in der Findungsphase. Beinahe jedes Team hat jetzt schon ein paar sehr chaotische Tage hinter sich. Das Schöne ist aber: Wir müssen da alle gemeinsam hindurch und man kann Erwartungen und Anforderungen immer neu austarieren.
Welche Rolle spielt Kommunikation im Homeoffice? In Deutschland haben wir eine starke Präsenzkultur, das zeigt die Forschung in diesem Bereich. Deshalb ist es für viele Menschen eine Umgewöhnung. Home-Office hat sehr viel mit Vertrauen zu tun. Ganz essenziell ist deshalb die Kommunikation und zwar in allen Bereichen. Für die Absprachen im Team sind Video- oder Telefonkonferenzen wichtig. Die werden am besten immer zu bestimmten Zeiten abgehalten, damit Routine entstehen kann. Bei Gesprächen mit mehr als fünf Menschen bietet es sich an, einen Moderator zu wählen. Der ist für den Gesprächsfluss verantwortlich und kann darauf achten, dass jeder zu Wort kommt, ohne dabei die Gesprächspartner zu unterbrechen. Auch eine Agenda ist sinnvoll, damit wirklich alles Wichtige besprochen wird und das Gespräch nicht abgleitet. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist es außerdem wichtig, in einer ruhigen Atmosphäre zu sitzen, damit nicht immer wieder schreiende Kinder oder süße Katzen die Aufmerksamkeit der Kolleginnen und Kollegen auf sich ziehen.
Wie erreichbar muss man denn im Homeoffice sein? Das ist ein Thema, das man am besten einmal im Meeting aufgreift und bespricht. Das Interessante ist ja: Es gibt keine Regeln dafür. Auch im Büro platzen oft Kolleginnen und Kollegen einfach in die Räume rein. Diese Diskussion kann einen großen Teil zur Unternehmenskultur und zu der Erwartungshaltung der Kollegen beitragen.
Welche Rolle spielt der soziale Aspekt bei der Arbeit im Homeoffice? Arbeit übt eine sehr starke soziale Funktion aus. Gerade an der Universität stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig im Kontakt und Austausch mit Studierenden, Kollegen oder außeruniversitären Einrichtungen. Das sind alles Tätigkeiten, die gemeinsam bewältigt werden und damit ist klar, dass man auch einen Austausch braucht, der über das Fachliche hinausgeht. Deshalb ist es jetzt wichtig, eine gewisse Normalität bei den sozialen Kontakten aufrechtzuerhalten. Miteinander zu sprechen nimmt jetzt eine ganz neue Priorität ein. Ich würde dazu raten, Textnachrichten eher zu reduzieren und auf Telefon- oder Video-Kommunikation zurückzugreifen. Dann kann man einfach mal nachfragen: Hey, wie geht es dir gerade in der Situation, kommst du gut zurecht? Oder man kann persönliche Erfahrungen oder Gedanken kommunizieren, so wie sonst auch. Auf diese Weise kommt der kollegiale oder freundschaftliche Aspekt nicht zu kurz.
Gibt es Erkenntnisse aus der Forschung zur Arbeit im Homeoffice? Einige Forschungsberichte legen nahe, dass der Arbeitsort selbst gar nicht so ausschlaggebend ist. Vielmehr steht die Arbeitsmotivation im Vordergrund. Gerade eben befinden wir uns noch ganz am Anfang und damit in einer sehr enthusiastischen Phase. Mit der Zeit wird diese aber abflachen. Um dann die Motivation im Homeoffice aufrecht zu erhalten, benötigen viele eine gewisse Struktur. Zum Beispiel: Wann muss ich mit dem Arbeiten beginnen und wie möchte ich meinen Morgen nun nutzen, wenn der Arbeitsweg entfällt? Hier hilft ein strukturiertes Vorgehen.
Die innere Struktur etwa kann festhalten, wie viel man vormittags schaffen möchte. Die äußere Struktur hilft dabei, Routine zu schaffen. Dazu gehört es etwa, frühmorgens aufzustehen, den Pyjama auszuziehen und sich an seinen Laptop zu setzen. In der aktuellen Situation ist es auch entscheidend, die Prioritäten zu überdenken. Bleibt alles gleich, oder rücken nun Aufgaben oder Anforderungen in den Vordergrund?
Wird sich die jetzige Situation auf die künftige Homeoffice- Kultur auswirken? Auf jeden Fall. Es ist wichtig, diese aktuelle Situation auch als Chance für ein neues Arbeitsklima zu begreifen. Die Forschung zeigt, dass solche Extremsituationen oft Ängste und Unsicherheiten erzeugen, weil es für uns alle eine neue Herausforderung ist. Wir haben bereits darüber gesprochen: Hier hilft Kommunikation am besten. Entweder man tritt in Kontakt mit den Arbeitskollegen und der Führungskraft, oder man kann sich externe Hilfe dazu holen. Natürlich wird sich das alles auch auf die zukünftige Arbeitswelt auswirken und den Gedanken finde ich sehr spannend. Denn jetzt können wir neue Perspektiven entwickeln. Auch für Universitäten und Hochschulen ist das jetzt eine große Chance, um zum Beispiel noch mehr in den internationalen Austausch zu treten und Lehrveranstaltungen und Konferenzen online abzuhalten. Gerade können wir das ja bei der Bundeskanzlerin beobachten: Angela Merkel regiert gerade ganz Deutschland von ihrem Arbeitszimmer aus. Das ist sehr beeindruckend.
Dr. Silke Weisweiler ist Leiterin des Centers for Leadership und People Management. Als ausgebildete Psychologin und Pädagogin verbindet sie Forschung und Praxis in den Bereichen der Sozial- und Wirtschaftspsychologie. Das Center bietet wissenschaftlich fundierte Personalentwicklungsmaßnahmen in den Bereichen Selbst-, Führungs- und Lehrkompetenzen speziell für die WissenschaftlerInnen der LMU an. Im Fokus steht dabei die Verknüpfung von Forschung und Praxis. Das Center hat das Programm im Zuge der Corona-Krise aufgestockt und angepasst, beantwortet Fragen und steht beratend in Sachen Homeoffice zur Seite.