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Viel mehr als nur Finanzen

07.09.2022

Die VWL-Studentin Miriam Müller ist für ihre Arbeit zu einem Mentoring-Programm für Geflüchtete ausgezeichnet worden.

Studentin Miriam Müller

Die Volkswirtschaftslehre-Studentin Miriam Müller | © LMU

„Soziale Ungleichheit ist verschwendetes Potenzial“, sagt Miriam Müller energisch. Die 27-Jährige studiert im sechsten Semester Volkswirtschaftslehre an der LMU und interessiert sich schon seit Langem für sozialpolitische Themen.

Vor wenigen Wochen erhält sie eine Nachricht ihres Dekanats: Im Rahmen des Tages für gute Lehre wird ihre Seminararbeit Mentoring Refugees: Requirements and Repercussions als eines von 15 herausragenden Lehr- und Forschungsprojekten ausgezeichnet.

„Das hat mich schon sehr überrascht“, erzählt die Studentin, „ich wusste von der Nominierung, aber dass ich ausgezeichnet werde – damit hätte ich nicht gerechnet.“

VWL ist mehr als nur Finanzen

Die ausgezeichnete Arbeit ist im Rahmen eines Seminars entstanden. „Wir konnten uns das Thema frei aussuchen und für mich war gleich klar, dass es um ein sozialpolitisches Thema gehen soll“, erzählt Müller. Denn für die Studentin ist VWL mehr als „nur“ Finanzen. Die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Zusammenhängen ist mitunter ein Grund, warum sie das Fach studiert.

„Vor meinem VWL-Studium habe ich eine Ausbildung in einem Sozialforschungsinstitut gemacht, das Thema hat mich also schon vorher beschäftigt. Und als ich mitbekommen habe, dass der Datensatz einer Umfrage, in der Geflüchtete befragt werden, veröffentlicht wird, wollte ich darüber schreiben.“

Auf welche Weise Mentoring Geflüchteten hilft

In dem vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge unterstützten Projekt der nicht-staatlichen Organisation Start with a Friend werden Geflüchtete und Freiwillige in einem Mentoren-Programm zusammengebracht. Vor dem Mentoring und nach Abschluss des Programms werden die teilnehmenden Geflüchteten befragt, um zu eruieren, ob es Effekte auf ihre Zufriedenheit, ihre Bildung oder die Erwerbstätigkeit gibt.

Diese Daten evaluierte Müller für ihre Forschung. „Durch meine Ausbildung und Beteiligung in der Organisation war ich mit dem Thema vertraut und als die Daten veröffentlicht wurden, fand ich es so spannend, dass ich in den Datensatz schauen musste.“

Müller betrachtete dabei die Jahre 2017 und 2018 genauer, denn die Datensätze waren so groß, dass ein drittes Jahr den Rahmen einer dreißigseitigen Seminararbeit gesprengt hätte. In ihrer Arbeit befasste sie sich mit dem randomisierten Befragungsprozess des Projekts und betrachtete auch Gruppen, die nicht erreicht werden konnten.

Müller kommt in ihrer Forschungsarbeit zu dem Schluss, dass zwar keine Effekte auf die Zufriedenheit oder Deutschkenntnisse der Geflüchteten gefunden werden konnten, dafür aber auf ihren Wunsch nach Bildung oder die Minderung ihrer Angst vor Ausgrenzung. „Der Gedanke von Start with a Friend ist einfach schön“, sagt die Studentin, „oft wird den Geflüchteten jemand zur Seite gestellt, der sie lediglich bei Behördengängen oder Ähnlichem unterstützt. Aber hier geht es auch darum, dass sich echte Freundschaften bilden können und sollen. Dass man jemanden zur Unterstützung an seiner Seite hat, dem man vertrauen kann.“

Und das scheint einen positiven Effekt zu haben – laut Müllers Forschung lassen sich die Geflüchteten durch das Mentoring inspirieren, in ihre Bildung zu investieren, oder erkennen, welchen Stellenwert diese hat.

Positives Fazit

Dennoch zeigt die VWLerin sich über die Ergebnisse ihrer Arbeit überrascht: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein positives Fazit ziehen könnte. Ich bin eher davon ausgegangen, dass Unzufriedenheit herrscht, doch die Geflüchteten tendieren eher zur Zufriedenheit, auch wenn sich diese natürlich nicht so leicht messen lässt. Denn Zufriedenheit ist etwas sehr Persönliches, etwas Subjektives. Du bist vielleicht schneller zufrieden als ich, und damit lässt sie sich schwer bewerten.“

Mit ihrem Forschungsprojekt hofft Müller, langfristig etwas bewirken zu können: „Mit meinem Beitrag kann ich vielleicht Vorurteile abbauen oder helfen, dass mehr für Integration getan wird.“ Denn Integration sei ein langer Prozess und es müsse noch viel getan werden, um diesen zu verbessern. „Migration endet nicht, wenn du nach Deutschland kommst. Es fängt dann erst richtig an. Parallelgesellschaften dürfen da nicht entstehen. Und an dieser Stelle müssen Möglichkeiten gefunden werden, die für Integration funktionieren.“

Mehr Forschung zum Thema Mentoring

Müller überlegt daher, ihre Forschung zu dem Thema zu vertiefen: „In meiner Bachelorarbeit könnte ich die langfristigen Effekte überprüfen, dafür müsste ich die nachfolgenden Daten hinzunehmen, um z.B. zu sehen, ob die Deutschkenntnisse besser geworden sind. Oder wie sich das Mentoring auf die lange Sicht hin auf die Erwerbstätigkeit auswirkt. Dadurch, dass die Geflüchteten in Deutschland oft erst gar nicht in die Berufe können, die sie vorher ausgeübt haben, ist es nämlich schwer, dort Effekte zu finden.“

Ob sie sich aber tatsächlich in ihrer Bachelorarbeit weiterhin mit der Thematik, die sie in ihrer Seminararbeit behandelt hat, auseinandersetzen will, weiß Müller noch nicht genau, auch wenn sie schon Ideen hat, wie es weitergehen könnte. Momentan befindet sie sich eher im Zwiespalt, immerhin ist da auch der Forscherdrang, der sich mit etwas komplett Neuem befassen will. Und nach der Bachelorarbeit? „Dann kommt der Master. Aber davor brauche ich erst einmal Urlaub.“

Vielleicht hat sie dann auch Zeit, eigene Erfahrungen im Mentoring-Bereich zu sammeln, denn das konnte Müller bis jetzt nicht. „Aber“, sagt sie, „vielleicht ist das jetzt eine gute Erinnerung, damit anzufangen.“

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