Vier Mediziner des Klinikums der LMU erhalten beim diesjährigen Stiftungsfest der Ludwig-Maximilians-Universität München den Georg Heberer Award 2016. Ausgezeichnet wurden die Erstautoren von zwei Studien, die zu neuen Therapiestrategien führen können: Dr. Teresa Kauke und Dr. Nikolaus Kneidinger werden geehrt für ihre Studie zum Einfluss des Immunsystems auf die Langzeitprognose nach Lungentransplantation. Ihre Erkenntnisse gaben den Anstoß zu einem regelmäßigen Monitoring in der Nachsorge und können helfen, zukünftige Behandlungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln. Der Preis geht außerdem an Dr. Holger Schneider und Dr. Kai Michael Schubert für ihre Untersuchungen zu einem Enzym, das verschiedene Komponenten des Stoffwechsels gleichzeitig beeinflusst und daher ein vielversprechendes Zielmolekül für neue Therapien des Metabolischen Syndroms ist. Der Georg-Heberer-Award wird von der US-amerikanischen Chiles Foundation gestiftet und ist mit 20.000 Euro einer der höchstdotierten Publikationspreise für Chirurgische Forschung in Deutschland.
Zur Arbeit von Teresa Kauke und Nikolaus Kneidinger Die Lungentransplantation ist für viele Patienten mit fortschreitender chronischer Lungenerkrankung die letzte Therapiemöglichkeit. Deutlich mehr Patienten als noch vor wenigen Jahren überleben heute das erste Jahr nach einer Lungentransplantation. Das Langzeitüberleben allerdings hat sich leider nicht zufriedenstellend verbessert. Der Hauptgrund für ein frühzeitiges Versterben der Patienten ist ein chronisches Transplantatversagen (CLAD) infolge sogenannten Bronchiolitis-obliterans-Syndroms (BOS), einer auf einer chronischen Abstoßungsreaktion beruhenden Entzündung der Atemwege. Teresa Kauke und Nikolaus Kneidinger haben mit ihrem Team in ihrer Studie „Bronchiolitis obliterans syndrome due to donor-specific HLA-antibodies”, die 2015 in der Zeitschrift Tissue Antigens veröffentlicht wurde, die immunologischen Risikofaktoren untersucht, die die Entwicklung dieses Syndroms befördern.
Dafür analysierten die Wissenschaftler, welchen Einfluss neu gebildete Antikörper (de novo DSA) gegen sogenannte HLA-Spendermerkmale auf die Entwicklung eines BOS nach Lungentransplantation haben. HLA-Spendermerkmale sind bestimmte Strukturen auf der Zelloberfläche, anhand derer das Immunsystem körperfremdes Gewebe erkennen kann. Bei 22,5% der Patienten fanden die Wissenschaftler im weiteren Verlauf nach der Transplantation derartige Antikörper im Blut. Ein signifikanter Anteil dieser Patienten entwickelte ein BOS und verstarb an den Folgen der chronischen Transplantatdysfunktion. Statistische Analysen bestätigten den Gehalt dieser Antikörper im Blut als einen Risikofaktor für BOS. Diese Erkenntnis gab am Transplantationszentrum den Anstoß zu einem regelmäßigen Monitoring auf Antikörper gegen Spender-HLA in der Nachsorge der Lungentransplantation. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Dynamik der Immunantwort für die Prognose des Langzeitverlaufes nach Transplantationen entscheidend ist und wollen mit Hilfe ihrer neuen Daten zukünftige Behandlungsstrategien weiterentwickeln.
Teresa Kauke wurde 1976 in Plettenberg geboren. Sie studierte Humanmedizin an der LMU, wo sie auch promovierte. Thema der Promotion war die Gerinnungsaktivierung durch Blutzellinteraktionen und zirkulierende Mikropartikel. Von 2004 an arbeitete sie als Assistenzärztin in der Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie am Klinikum der Universität München. Im Jahr 2007 übernahm sie zudem die Leitung des Labors für Immungenetik. Seit 2009 ist Teresa Kauke Assistenzärztin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie am Klinikum der Universität München.
Nikolaus Kneidinger studierte an der Medizinischen Universität Wien. Im Anschluss absolvierte er an der Justus Liebig Universität Gießen das Postgraduierten-Programm „Molecular Biology and Medicine of the Lung“. Seit 2011 ist Kneidinger Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik V. Zu seinen klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten zählt hier insbesondere die Transplantationsmedizin.
Zur Arbeit von Holger Schneider und Kai Michael Schubert Übergewicht, Diabetes und hoher Blutdruck sind Bestandteile des sogenannten Metabolischen Syndroms, einer weit verbreiteten Zivilisationskrankheit, die zu Gefäß- und Herzmuskelschäden führen kann. In vielen Forschungslabors wird derzeit nach Zellprozessen und Zielproteinen gesucht, die bei mehreren dieser Grunderkrankungen eine Rolle spielen und somit die Therapie des Metabolischen Syndroms einfacher und effektiver machen könnten.Eines dieser Zielproteine ist das Enzym AMPK, das in den Fett- und Zuckerstoffwechsel eingreift. Eine erhöhte AMPK-Aktivität kann daher diabetische Stoffwechselstörungen positiv beeinflussen. Neuen Erkenntnissen zufolge beeinflusst dasselbe Enzym aber auch die Gefäßweite der kleinsten Arterien des Körpers – der sogenannten Arteriolen – und damit auch deren Strömungswiderstand und den Blutdruck.
Im Rahmen ihrer Studie „AMPK Dilates Resistance Arteries via Activation of SERCA an BKCa Channels in Smooth Muscle“, die 2015 in der Zeitschrift Hypertension veröffentlicht wurde, konnten Holger Schneider und Michael Schubert gemeinsam mit ihrem Team zeigen, dass AMPK die Gefäßmuskulatur der Arteriolen erschlaffen lässt. Dadurch werden diese Blutgefäße weitgestellt, sodass der Blutdruck sinkt. Das Erschlaffen der Gefäßmuskeln wird induziert, indem Kalzium vermehrt in zelleigene Kalziumspeicher zurückgepumpt wird, wie die Wissenschaftler zeigen konnten. Zudem wird der Kalziumeinstrom in die Zelle reduziert, indem die zelluläre elektrische Membranspannung negativiert wird. Schneider und Schubert konnten zudem nachweisen, dass das Gefäßendothel, also die innerste Zellschicht der Gefäße, für die Weitstellung der Blutgefäße entgegen bisherigen Vermutungen nicht notwendig ist. Das ist wichtig, weil Bluthochdruck sehr häufig das Endothel so schädigt, dass dieses nicht mehr wie bei Gesunden zum Erschlaffen der Gefäßmuskulatur beitragen kann. Mit einer AMPK-aktivierenden Substanz könnten also möglicherweise künftig alle Komponenten des Metabolischen Syndroms auch bei schon bestehenden Schäden an den Gefäßen therapiert werden.
Holger Schneider wurde 1985 in Stuttgart geboren. Er studierte bis 2012 Medizin an der LMU und promovierte 2013 am Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU über den Bayliss-Effekt. Seit 2012 beschäftigt er sich als wissenschaftlicher Assistent am Walter-Brendel-Zentrum der LMU mit der Physiologie und Pathophysiologie kleiner arterieller Widerstandsgefäße im Kontext von endothelialer Dysfunktion, Remodeling und zytoskelettaler Dynamik.
Michael Schubert wurde 1986 in Schwerin geboren. Er studierte Medizin in München, Kapstadt, London und Sydney. Er arbeitet seit seinem Studienabschluss 2015 als wissenschaftlicher Assistent am Walter-Brendel-Zentrum der LMU. Er forscht im Rahmen seines PhD-Studiengangs „Medical Life Science and Technology“ an den vasomotorischen Effekten der AMPK und im Rahmen seiner Promotion zum Dr. med. an der Rolle von endothelialen Podosomen in der Mikrozirkulation.
Über den Heberer Award Der nach dem Chirurgen Prof. Dr. Dr. h. c. Georg Heberer (1920-1999) benannte Preis wurde zum ersten Mal im Jahr 2000 an der LMU verliehen. Heberer war bis 1989 Ordinarius für Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik am Klinikum Großhadern und genoss als Chirurg große internationale Anerkennung. Mit der jährlichen Preisverleihung soll die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen auf dem Gebiet der Chirurgie gefördert werden.Gestiftet wird der Preis von der seit über 50 Jahren bestehenden US-amerikanischen Chiles Foundation, die die medizinische Forschung vor allem auf dem Gebiet der Krebsforschung unterstützt. Begabte deutsche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sollen mit der Verleihung des Georg Heberer Awards unterstützt und ermuntert werden, ihre wissenschaftlichen Projekte im Rahmen internationaler Kooperationen an ihren Heimathochschulen weiterzuführen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. med. Rudolf A. HatzKlinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß-, und ThoraxchirurgieTel.: 089 / 4400 – 76511 (Sekretariat)E-Mail: Rudolf.Hatz@med.uni-muenchen.de