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Was können eigentlich Serious Games?

26.05.2020

Für ihre Spieler sind Counter-Strike und League of Legends ernste Angelegenheiten. Serious sind sie aber noch lange nicht - denn Serious Games sind dafür konzipiert, in Forschung und Lehre eingesetzt zu werden. Wie das geht, zeigt eine ganze Reihe von...

Sind Videospiele nicht eigentlich eine Freizeitbeschäftigung? „Ja und Nein“, sagt Informatikprofessor Heinrich Hußmann. Er hält in diesem Semester eine Online-Vorlesung zur Nutzung von Multimedia-Inhalten in der Lehre. Und dazu gehören auch Videospiele. „Im Gegensatz zu klassischen Unterhaltungsspielen werden Serious Games explizit darauf konzipiert, bestimmte Lerninhalte zu vermitteln.“ Spaß machen sollen sie natürlich trotzdem, denn das sei der große Vorteil des Mediums: „Spiele motivieren besonders diejenigen, bei denen die intrinsische Motivation nicht stark ausgeprägt ist.“

Deswegen würden sich Serious Games immer auch dann anbieten, wenn es darum gehe, Kinder zum Lernen oder Mitmachen zu motivieren. Zum Beispiel im Fall von „Kommissar Wuschel“: einem Spiel, in dem Kinder dem namensgebenden Hund dabei helfen, Probleme, wie die Überquerung eines Sees, zu lösen. Der Twist: Weil das per Sprachsteuerung geschieht, können Forscher authentisch den Sprachstand der Kinder erfassen.

Entwickelt wurde das Programm von einem Forscherteam um Sprachwissenschaftler Jörg Roche. Der zeigt sich vom Medium Spiel im Vergleich zu regulären Tests begeistert: „Die Testverfahren werden den typischen kindlichen Kommunikationskontexten überhaupt nicht gerecht.” Der Gaming-Ansatz wiederum maskiere die Testsituation und lasse die Kinder Kompetenzerleben erfahren. (Lesen Sie den ganzen Beitrag „Mit KI und Kommissar Wuschel auf der Suche nach dem Sprachstand" im aktuellen MünchnerUni Magazin.) Spielend lernen

Dass Videospiele auch einen Bildungsanspruch haben können, ist längst im Gaming-Mainstream angekommen. Die Spiele-Blockbuster der Assassin's-Creed-Reihe bieten in den beiden jüngsten Iterationen einen pädagogischen Modus, in dem Spieler das antike Griechenland respektive Ägypten erforschen können, um so mehr über die Epoche zu lernen. „Eine schöne Ergänzung“, findet Hußmann. Es bestehe jedoch immer eine gewisse Gefahr, dass in Unterhaltungsspielen Inhalte verwässert würden. „Dass Dinge beschönigt, aber auch schlimmer dargestellt werden, um einen dramatischen Effekt zu erzeugen. Wenn ich so ein Spiel im Unterricht verwenden würde, müsste ich wissen, dass das auch wirklich wissenschaftlich tragfähig ist.“

Ähnlich sieht das auch Ägyptologie-Professorin Julia Budka. Sie kann sich durchaus vorstellen, ihre Lehrinhalte einmal im Rahmen eines Rollenspiels oder gar in Virtual Reality zu vermitteln. „Als Wissenschaftlerin hat man natürlich den Anspruch, dass auch alles akkurat dargestellt wird und das ist dann auch eine Frage des Aufwandes”, sagt die Archäologin. Mit ihrem Team hat sie das Quizspiel „Thot 2.0“ entwickelt, das auf der digitalen Lernumgebung Backstage basiert und von LMU-Informatikprofessor François Bry realisiert wurde. Die Priorität hier: Es soll sich nahtlos in Vorlesungen einfügen und Studierenden auch bei der Vorbereitung auf Prüfungen helfen.

„Durch das Quizformat kann ich das Spiel ganz einfach zur Auflockerung in Vorlesungen einbinden”, erklärt Budka. Studierende beantworten dann Fragen zum alten Ägypten, verorten Grabstätten auf Karten und Pharaonen in der richtigen Epoche. Die Studieninhalte werden so niedrigschwellig im Gedächtnis verankert. Und die Nutzerzahlen belegen, dass die Studierenden Thot gerne annehmen, um sich auf Prüfungen vorzubereiten. „Vor den Klausuren gehen die Nutzerzahlen immer durch die Decke”, lacht Budka. Spielend Daten erheben

Mitunter werden Computerspiele allerdings nicht nur als Transportmedium von Lehrinhalten eingesetzt, sondern schaffen richtig Arbeit weg. Bewiesen hat das Professor Hubertus Kohle mit seinem Projekt Artigo. Als er und seine Mitarbeiter vor der Mammutaufgabe standen, Tausende Kunstwerke zu digitalisieren und zu verschlagworten, suchten sie nach einer Möglichkeit, die sowohl Zeit als auch Ressourcen sparen würde. So entstand die Idee eines kooperativen Verschlagwortungs-Spiels. Für die Umsetzung wandte sich Kohle ebenfalls an Informatiker Bry sowie an Christian Riepl von der IT-Gruppe Geisteswissenschaften.

„Normalerweise hätte so eine Verschlagwortung Hunderte, wenn nicht Tausende Arbeitsstunden gebraucht”, erzählt Riepl. „So erledigen User es für uns.” Das funktioniert so: Zwei Spieler betrachten gemeinsam ein Kunstwerk und geben unabhängig voneinander Stichworte zu dem Bild ein. Decken sich die Schlagworte, gibt es Punkte und nach genug Treffern geht das Schlagwort dann auch in die Datenbank ein. Mittlerweile läuft Artigo seit mehreren Jahren erfolgreich und hat unzählige Bilder erfolgreich digital nutzbar gemacht. „Um die Motivation über eine so lange Laufzeit aufrechtzuerhalten, gibt es Ranglisten und anfangs verteilte Herr Kohle sogar regelmäßig Preise an die besten Spieler”, so Riepl. Online-Lehre und die Motivation...

Und das mit der Motivation ist auch die Krux an vielen Digitalprojekten, weiß Professor Hußmann. „Die Schwierigkeit bei Online-Lehre ist leider schon von jeher, dass die Beteiligung stark abfällt, sobald der Neuigkeitswert nicht mehr gegeben ist.” Diese Gefahr sieht er auch im jetzigen digitalen Semester. Er ist sich deswegen sicher, dass Lehrende für den Online-Unterricht viel von Serious Games lernen können. „Es gibt durchaus Möglichkeiten, wie Dozenten bestimmte Spielelemente in ihre Lehrveranstaltungen einbauen können, um die motivierende Eigenschaft von spielerischem Lernen zu nutzen”, so Hußmann.

Gamification ist hier das Stichwort. „Denkbar wären zum Beispiel Ranglisten, Abzeichen oder Punktestände, die mit den Lerninhalten verknüpft werden.” Und viele der Kniffe wie Rankings, Levels oder einfach regelmäßiges, ausführliches Feedback lassen sich laut Hußmann bereits jetzt mit den gängigen Lernplattformen realisieren. So plant er für das kommende Semester selbst ein Moodle-Seminar, das durch Gamification unterstützt werden soll. Wer auf der Suche nach Inspiration sei, könne sich laut Hußmann einfach einmal Fitnessapps ansehen. Die hätten nämlich die Methode zur Selbstmotivierung ihrer Nutzer perfektioniert. Immerhin motivieren Spielelemente besonders dann, wenn der innere Schweinehund eigentlich zu stark ist. Das könnte Sie auch interessieren:

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