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Wenn die Ernährung Flagge zeigt

07.11.2017

Eine neue Studie belegt die Bedeutung der Epigenetik in der menschlichen Entwicklung.

Wie ein Kind ernährt wird, spiegelt sich in der Aktivität mancher seiner Gene, fanden Wissenschaftler und Mediziner am Dr. von Haunerschen Kinderspital heraus, das zum Klinikum der LMU gehört. Die Ergebnisse einer Studie, die von Professor Berthold Koletzko geleitet wird, sind gerade im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht worden.

Die sogenannte Epigenetik ist eine der spannendsten Disziplinen der biomedizinischen Forschung. Sie verbindet das, was Menschen täglich tun, essen und erleben mit der Aktivität ihrer Gene. Und diese wiederum beeinflusst maßgeblich das Befinden. Wie sich speziell die Ernährung bei Kindern epigenetisch manifestiert, haben jetzt Forscher der LMU-Medizin beleuchtet. Sie haben festgestellt, dass die Fettmasse eines Kindes an bestimmten Genen ein markantes epigenetisches Profil hinterlässt. „Die Erkenntnisse könnten mittelfristig genauere Verhaltensempfehlungen ermöglichen, um Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern entgegenzuwirken“, erklärt Dr. Peter Rzehak, Epidemiologe in der Abteilung für Stoffwechsel und Ernährung am Dr. von Haunerschen Kinderspital.

Dass die Gene der Zellen biochemisch auf Ereignisse in der Umwelt reagieren, ist etwa seit der Jahrtausendwende bekannt. Dabei heften sich bestimmte chemische Moleküle an die Erbsubstanz DNA an. Diese „Methylgruppen“ hängen wie Flaggen an den Genen und können diese an- oder abschalten. Die LMU-Forscher haben nun Blutproben von knapp 400 Kindern im Alter von fünfeinhalb Jahren analysiert. Diese Mädchen und Jungen nehmen an einer europaweiten Studie teil, die seit mehr als zehn Jahren läuft und von der Europäischen Union gefördert wird.

Von Geburt an wurden die Kinder immer wieder gewogen und gemessen; zudem wurde genau ermittelt, wie sie ernährt werden, und ob sie übergewichtig sind oder nicht. Darüber hinaus verfolgten die Wissenschaftler auch Ernährung und Gewicht der Mütter in der Schwangerschaft, während der bereits Weichen für eine mögliche Fettleibigkeit des Nachwuchses gestellt werden. Mit einem speziellen Verfahren haben Rzehak und seine Kollegen den Fett- und Muskelanteil der knapp 400 Kinder bestimmt. In einem zweiten Schritt nutzte das LMU-Team einen Hightech-Chip, der mehr als 400.000 Methylierungsstellen am Erbgut erfasst, das aus den Blutproben der Kinder isoliert wurde.

Ihre Untersuchung zeigt, dass das Methylierungs-Muster an 13 markanten Stellen auf eine hohe Fettmasse hinweist. „Die Stellen könnten somit vielleicht eines Tages als Marker dienen, um frühzeitig Kinder zu erkennen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit übergewichtig werden könnten“, hofft Peter Rzehak. Die 13 Methylierungs-Stellen befinden sich an oder neben Genen, die mit dem Fett- und Zuckerstoffwechsel zusammenhängen. „Unsere Befunde“, erklärt der Forscher weiter, „stützen eine Theorie, wonach die spätere Körpergröße und das Gewicht schon früh epigenetisch programmiert werden.“ Da Methylierungs-Muster aber qua Definition variabel sind, können sie sich durch eine gute und ausgewogene Ernährung wieder verändern. (Klinikum der LMU)

(Scientific Reports 2017)

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