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„Wir bleiben dran!“

06.04.2020

Es sind außergewöhnliche Zeiten. Vieles muss stillstehen. Vieles muss anders organisiert werden – ob vor Ort oder im Homeoffice. Und manches kann nicht stillstehen, es muss weitergehen. Ein kurzer Einblick in die Arbeit mancher an der LMU, die die Ste...

Ein Aspekt, der eine Universität wie die LMU ausmacht, ist der, dass man so vielen Menschen begegnet, die so viel Engagement und Freude in ihre Forschung und ihre Arbeit stecken. Es wundert daher nicht, dass auch in dieser schwierigen Zeit, die allen viel abverlangt, so viel Engagement und Einsatz gezeigt wird an der LMU. Das ist jedenfalls Anlass genug, zumindest manche nach ihrer Arbeit in Zeiten von Corona zu fragen:

Dr. Stefanie Kellner, Emmy Noether group leader an der Fakultät für Chemie und Pharmazie: „Normalerweise erforschen Dr. Sabine Schneider und ich in unseren Nachwuchsgruppen im Department Chemie Ribonukleinsäuren. Als die Corona-Krise kam, haben wir überlegt wie wir als Chemikerin bzw. Apothekerin helfen können. Durch befreundete Ärzte fanden wir schnell die Antwort – bei Ärzten, Pflegediensten, Hospizen, caritativen Einrichtungen und Bahnhofsmissionen fehlen Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel während wir diese Dinge im Regal liegen haben! Zusammen mit unseren Doktorand*innen haben wir begonnen Desinfektionsmittel herzustellen, Schutzausrüstung aus Laboren zu sammeln und diesen akuten Bedarf zu decken. Es ist wirklich erschreckend, wie verzweifelt z.B. Ärzte sind und wie sehr sie sich über unsere Spenden freuen. Hier merken wir jeden Tag: Wir leisten einen echten Beitrag! Gleichzeitig habe ich am #wirvsvirushack der Bundesregierung teilgenommen und Programmierer unterstützt, die Plattformen erstellt haben um den aktuellen Bedarf der Ärzte mit dem Angebot von Spendern zusammenbringen. Diese Plattformen werden hoffentlich weiterhin unterstützt und erleichtern so die Verteilung der Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung.“

Impfstoffforscher Gerd Sutter, Professor für Virologie: „Von Kollegen in China haben wir schon sehr früh die Genomdaten des Erregers bekommen. Seitdem arbeiten wir zusammen mit Experten aus Hamburg und Marburg mit Hochdruck an einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus. Mit den gentechnischen Arbeiten sind wir praktisch fertig. Jetzt stehen die ersten präklinischen Tests an. Doch wann wird es einen Impfstoff geben können? Das werde ich immer wieder gefragt. Ich bekomme derzeit viele Mails und Anrufe von Journalisten. Klar, diese Frage wird immer drängender angesichts der weltweit dramatisch steigenden Zahl von Covid-19-Fällen. Ich glaube, dass 12 oder gar 18 Monate wird es dauern, bis ein Impfstoff in größerer Breite eingesetzt werden kann, darunter wird es nicht gehen. Ich weiß, das ist angesichts der Notsituation schwer zu kommunizieren. Aber auch jetzt sollten wir alle Risiken ausschließen. Und das heißt: Sorgfältige präklinische und klinische Untersuchungen müssen sein, damit wir sichergehen können, dass der Impfstoff gut wirkt und auch ungefährlich ist. Immerhin, bei unseren Arbeiten können wir lange Erfahrung mit ähnlichen Impfstoffen und auch ähnlichen Erreger zurückgreifen. Ein Impfstoff gegen die gefährliche Lungenkrankheit MERS, den wir entwickelt haben, wird bereits am Menschen getestet. Es handelt sich dabei ebenfalls um ein Coronavirus und die Impfstrategie ist in beiden Fällen dieselbe. Das könnte die Zeit verkürzen helfen, die es braucht, bis ein Impfstoff gegen das neue Coronavirus verfügbar ist.“

Anna Do, Medizinstudentin und studentische Hilfskraft am Tropeninstitut des LMU Klinikums München „Normalerweise helfe ich in der Impfsprechstunde aus. Nachdem sich die Situation um die Corona Pandemie weiter zugespitzt hatte, wurden wir gebeten, bei der Testung auf das neuartige Coronavirus auszuhelfen. Das Tropeninstitut am LMU Klinikum, welches normalerweise Reisenden eine Impfberatung anbietet, sowie Rückkehrende in der Ambulanz auf Tropenkrankheiten untersucht, wurde innerhalb weniger Wochen in eine zentrale Corona-Teststelle umfunktioniert, wo nun infrastrukturell relevante Berufsgruppen abgestrichen werden, vorerst überwiegend medizinisches Personal. Zur Steigerung der Testkapazitäten haben wir dafür den Betrieb innerhalb einer Woche aus dem Gebäude auf die Straße verlegt und zu einer Walk/Drive-Through-Teststation mit einem speziellen Zelt umfunktioniert, wo an mehreren Stationen die Datenverarbeitung und das Abstreichen stattfindet. Das war für alle Beteiligten Neuland und wir wurden vor neue Herausforderungen gestellt. So sind wir aber auch als neu zusammengewürfelter Haufen aus FamulantInnen, DoktorandInnen und Hiwis schnell zu einem eingespielten Team zusammengewachsen. Dafür werden wir von den ÄrztInnen auch an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligt. Die Zusammenarbeit erfolgt auf Augenhöhe und uns wird auch viel Verantwortung übertragen. Auch wenn die Arbeit manchmal sehr beanspruchend ist, so wird sie doch mit sehr viel Dankbarkeit angenommen und es macht Spaß als Teil eines eingespielten Teams einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise zu leisten.“

Medizin-Studierende, die sich für einen Einsatz am LMU Klinikum interessieren, finden hier weitere Informationen.

Nathalie, Roya, Sevde, Gregor, Markus von der 08921809000-Hotline des Studieninformationsservice: „Die Studierenden und Studieninteressierten haben ja weiterhin ihre Fragen und wir vom Studieninformationsservice sind sozusagen als Kommilitonen erste Ansprechpartner für diese Anliegen. Deshalb muss das auch weitergehen, selbst in dieser mehr als ungewöhnlichen Zeit. Wir merken hier schon, dass viele unserer Anrufer erleichtert und auch dankbar sind, dass wir für sie erreichbar sind. Hauptsächlich beantworten wir die gleichen Fragen wie sonst auch, also zum Beispiel zu Immatrikulation und Beurlaubung – nur, dass die Fragen eben von der Corona-Thematik angehaucht sind und auch öfter Fragen direkt zu Corona kommen. Die können wir natürlich nicht immer alle beantworten, aber die meisten sind sehr geduldig und gelassen, was dieses Thema betrifft. Was sonst anders ist, ist, dass wir uns natürlich an Sicherheitsstandards wie Abstand (außer fürs Foto) und Desinfektion halten müssen. Aber wir machen den Job auch oder gerade jetzt sehr gerne und freuen uns, dass wir gerade von unseren Chefinnen von der Studienberatung der LMU so viel positives Feedback zu unserem Einsatz bekommen. Wir bleiben dran!“

Professor Peter Falkai, ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU: „Ich habe viel Solidarität erlebt und einen guten Spirit. Famulanten kündigen an, freiwillig zu kommen, auch das Pflegepersonal sagt: Ja, das muss jetzt sein. Und die Patienten und Angehörigen nehmen die Einschränkungen durch Corona klaglos hin. Die Leidensfähigkeit ist überall groß. Wer in medizinischen Berufen arbeitet, will Menschen helfen. Man arbeitet, wenn es nötig ist, bis zur Erschöpfung und hält sich für unverwundbar. Und dann erlebt man auf einmal die eigene Verwundbarkeit. Bin ich krank? Bin ich nicht krank? Gestern hat man noch mit einem Kollegen zusammengesessen, heute hat er Corona. Wenn die Patientenzahlen steigen, wird die Situation noch schwieriger. Daran, schwerstkranke Patienten zu versorgen, sind wir gewöhnt. Aber das sind einzelne Fälle. Gerade jemanden intubiert zu haben, und schon bringt der Sanitäter den nächsten Patienten: Das macht Stress. Hier bei uns im Haus ist die wichtigste Aufgabe gerade, unsere Patienten vor Corona zu schützen. Außerdem haben wir zusammen mit den Palliativmedizinern eine Task Force und ein Notfalltelefon für Betroffene eingerichtet. Für den Fall, dass wir viele Coronapatienten betreuen müssen, wurde eine ganze Station mit 22 Betten freigezogen. Unseren Patienten geht es nicht gut, die Ungewissheit ist sehr belastend. Viele leiden an Schlafstörungen zum Beispiel, an Angst und innerer Unruhe. Bei Patienten, deren psychische Krankheit gut kontrolliert war, kehren Symptome zurück. Manche spüren auf einmal Druck auf der Lunge und fürchten, das sei Corona. Es ist aber ein Symptom ihrer Angst. Eine ältere Patientin sagte mir: Es ist wieder Krieg. Es ist genau wie früher. Wir haben Angst. Das kann zu Retraumatisierungen führen, zu einem Wiederaufleben von Traumata. Auch die Zahl von Personen aus der gesunden Bevölkerung, die sich bei uns melden, steigt. Ich halte es deshalb für notwendig, dass die Politik muss den Menschen das Gefühl gibt, dass sie die Sache im Griff hat und sich jemand um sie kümmert. Virologische Maßnahmen allein genügen nicht. Man muss die psychische Gesundheit und Resilienz stärken. Menschen brauchen Zuversicht, das ist ganz wichtig.“

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