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„Wir müssen härter arbeiten, um weniger zu schaffen“

28.05.2020

Erfahrungsberichte aus der Forschung (2): Experimentalphysiker Immanuel Bloch erzählt, wie der Lockdown seinen Arbeitsalltag durcheinander brachte und wie viele Zoom-Meetings pro Tag möglich sind.

Physiklabor

Corona-Alltag:

In den Physik-Laboren von Immanuel Bloch arbeiten feste Zweierteams. | © Kohlert / LMU

Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erlebt? Immanuel Bloch: Das hat mich genau zur falschen Zeit erwischt. Ich war mitten in den Vorbereitungen zu einer großen Vorlesung an der LMU, gleichzeitig bin ich gerade Geschäftsführender Direktor an unserem Max-Planck-Institut, musste dort verantwortlich alles neu organisieren. Wir haben versucht, unter extremen Hygiene-Vorsichtsmaßnahmen wenigstens einen Minimalbetrieb in den Laboren aufrechtzuerhalten.

Wie sah der Alltag dort aus? Bloch: Alle arbeiten natürlich mit Masken, jeder hat für unsere Rechner seine eigene Tastatur dabei. Die Mitarbeiter konnten noch einzeln oder zu zweit in Laboren forschen. Da wir kleinere, abgesiegelte Labore haben, war das noch gut möglich. Anders als in der Biologie oder Chemie mit ihren Großraumlaboren müssen sich bei uns nicht viele Leute denselben Arbeitsplatz teilen. In einem Labor arbeiten eine Zeit lang immer die gleichen zwei Leute. Nach einer Woche wechselt dann das Team. Wir haben rotierende Teams gebildet, Team Rot und Team Blau, Team A und B, im Team-Building sind wir jetzt Experten. So minimieren wir soweit wie möglich die Ansteckungsgefahr.

Die Experimente konnten also weiterlaufen? Bloch: Wir hatten nie einen kompletten Stillstand. Allerdings konnte nur ein Viertel unserer Mitarbeiter vor Ort sein. So konnten wir die wichtigsten Experimente aufrechterhalten, wir mussten einfach im Ablauf priorisieren. Nicht jeder Mitarbeiter hatte Zugang zum Institut, wir haben das nach Grad der Erfahrung festgelegt. Ein neuer Bachelor-Student, der viel Anleitung braucht, durfte da eher nicht ins Labor, jemand, der selbständig arbeiten konnte, eher schon. Das waren aber schwierige Entscheidungen.

Sie mussten Ihre Mitarbeiter nach Wichtigkeit bewerten? Bloch: Wichtig sind alle, doch aus Sicherheitsgründen müssen wir leider die Laborzugänge stark einschränken. „Erfahrungsstufe“ ist da vielleicht das bessere Wort.

Drei Viertel Ihrer Mitarbeiter mussten ins Homeoffice. Gab es da genügend zu tun? Bloch: Man kann neue Schaltungen entwickeln, auch elektronische und mechanische Bauteile für die Experimente im CAD-Programm entwerfen, wir bauen ja sehr viel selbst. Die Kollegen werteten auch abgelaufene Experimente aus. Da gab es zum Glück bislang immer genügend Arbeit. Aber ich merke schon, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gern wieder zurück ins Labor wollen. Für viele ist die Isolation zuhause, der mangelnde Kontakt zu Kollegen schon schwierig.

Tut eine erzwungene „Ruhephase“ auch einem Wissenschaftler mal gut, weil er nachdenken und vertieft Paper lesen kann? Bloch: Ich habe anfangs gehofft, dass ich zum Paper-Lesen komme. Aber ich bin in mehr Meetings als vorher, vor Zoom-Meetings kann ich mich nicht mehr retten. Das ist der Wahnsinn, das geht von morgens acht Uhr bis abends acht Uhr, oft sind es zehn bis 15 Zoom-Konferenzen pro Tag. Ein amerikanischer Kollege sagte mir kürzlich einen Satz, der unsere Situation gut trifft: „Wir alle arbeiten gerade härter, um weniger zu erreichen.“ (We are all working harder to achieve less). Wir kommen langsamer voran, ich bin am Abend dennoch mehr gerädert als früher. Mir fehlen die persönlichen Kontakte, auch wenn sie manchmal nur kurz waren.

Jetzt können Sie den Betrieb zumindest teilweise wieder hochfahren. Was geht wieder? Bloch: Wir bleiben erstmal im reduzierten Modus, wir isolieren unsere Labore weiterhin. Wir warten in den nächsten Wochen erstmal ab. Vielleicht können wir dann wieder weniger erfahrene Kollegen wieder zulassen, zunächst die Master-, dann die Bachelor-Studenten.

Ihre Forschung lebt vom internationalen Austausch. Der fehlt derzeit komplett. Bloch: Wir haben bis Oktober alle Reisen abgesagt, ich rechne damit, dass das bis zum Jahresende so bleibt. Wir haben unser Gästeprogramm eingestellt, wir hoffen, dass wenigstens Doktoranden und Postdocs aus dem Ausland bald wieder bei uns wieder anfangen können.

Sie haben ja einen neuen Masterstudiengang Quantum Science & Technology zum Herbst eingerichtet. Ist der in Gefahr? Bloch: Wir haben die Einschreibefristen bis Juni verlängert, die Vorlesungen dazu werden vermutlich erstmal im virtuellen Raum starten müssen. Das haben wir ganz gut im Griff. Aber gerade in einem neuen Studiengang würde ich die neuen Studierenden schon gern persönlich kennenlernen. Das fehlt mir aktuell auch in meiner Vorlesung am meisten. Ich habe gerade knapp 300 Teilnehmer in meiner Atomphysik-Vorlesung, ich finde es sehr schade, die Leute nicht wirklich zu sehen. Mir fehlt das persönliche Element sehr, man blickt ja auch in die Augen der Studierenden und sieht dann, ob sie etwas verstanden haben. Aber wir machen das Beste daraus, man kann zumindest online Fragen stellen, das klappt auch gut.

Wie viel Zeit haben Sie durch den Lockdown verloren? Bloch: Wir sind um zwei bis drei Monate zurückgeworfen, ich bin dankbar, dass wir überhaupt weiterarbeiten konnten.

Gibt es denn auch positive Entwicklungen in Folge der Corona-Veränderungen, die Sie mit in die Zukunft nehmen wollen, etwa die Art der Meetings und Konferenzen? Bloch: Sie haben ja schon gemerkt, dass ich einige Zoom-Konferenzen mitgemacht habe. Video-Konferenzen sind für administrative Meetings oder für die Verwaltung gut, aber wenn man innovative Wissenschaft machen will, hilft der persönliche Kontakt enorm.

Interview: Hubert Filser

Prof. Dr. Immanuel Bloch ist Inhaber eines Lehrstuhls für Experimentalphysik an der LMU und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Der Physiker ist einer der drei Sprecher des Exzellenzcluster Munich Center for Quantum Science and Technology (MCQST).

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