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Auf ein gutes Semester

12.04.2021

Grabungen am Küchentisch und Mentoring im Freien: Was Studierende und Dozierende in den vergangenen Monaten Neues gestartet haben.

Neben einem guten Internetzugang haben die vergangenen Semester Studierenden und Dozierenden auch einiges an Kreativität abverlangt: Hier erzählen sie, welche Ideen sie umgesetzt haben, was sie daraus mitnehmen und worauf sie sich in den kommenden Monaten freuen.

Gespannt auf die kommenden Monate

Jan Golch

© LMU

Jan Golch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft.

„Wann haben wir das letzte Mal so grundsätzlich und in dieser Breite über die Hochschullehre nachgedacht? Ich denke, es hat sich gelohnt! Viel Digitales wird uns in der Zeit nach den Corona-Beschränkungen erhalten bleiben. Beispielsweise meine kleine Videoreihe zum musikwissenschaftlichen Arbeiten, die MuWitutorials, sie werden unser Lehrangebot weiterhin ergänzen. Und auch unseren musikwissenschaftlichen Eignungstest machen wir in Zukunft online.

Zudem können wir Dozierende aus dem Virtuellen viele Erfahrungen in den Hörsaal „exportieren“. In Onlinesitzungen ist man als Motivator und Moderator viel mehr gefragt, man muss noch bewusster Pausen beim Sprechen einflechten, auch mehr Geduld aufbringen, bis Antworten kommen und Diskussionen anlaufen. Diese Erfahrung kann der „Live-Performance“ nur guttun, wie übrigens auch der unkomplizierte Medieneinsatz von einer Plattform aus – in meinem Fall mindestens Hörbeispiel, Noten und Text.

Was man später leider nicht in den Hörsaal mitnehmen kann, ist die enorme Flexibilität. Ein Beispiel: Über „Studieren probieren“ kamen im Wintersemester drei Studieninteressierte aus München, Wien und Augsburg in mein Onlineseminar zu Robert Schumann. Ihnen hat es so gut gefallen, dass sie gleich bis zum Ende des Semesters dabeigeblieben sind. Das hat mich begeistert!

Ich bin gespannt auf die kommenden Monate. Denn bei allen Erfolgen der digitalen Lehre zeigt sich auch, wie wichtig die Universität als echter Ort der Wissenschaft ist, die von Neugier, Offenheit, Begegnung und Austausch, von Rede und Gegenrede lebt. Das Studium ist eben kein Abschnitt im Lebenslauf, sondern ein Lebensabschnitt. Ich würde mich freuen, wenn ein verstärktes Bewusstsein dafür zusammen mit den Studierenden in die Hörsäle zurückkehrt.“

Grabungen am Küchentisch

©

Julia Budka ist Professorin für Ägyptische Archäologie und Kunstgeschichte.

„Das aktuelle Corona-Semester bringt gegenüber den letzten beiden Semestern doch einiges an Vorteilen. Die meisten von uns haben bereits erfolgreich „umgemoodelt“ und sind nun mit einer Kombination aus Online-Unterricht via Zoom und Moodle-Kursen gut gewappnet. Ich selbst habe besonders gute Erfahrungen mit Gruppenarbeiten, der Verwendung von Breakout-Rooms und dem Einsatz unterschiedlicher Medien gemacht – jede Woche die ganze Unterrichtszeit online zu sein ermüdet alle, hier lässt sich durch Offline-Leseaufgaben, Videos und Gruppendiskussionen Abwechslung reinbringen.

Die Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf die Lehre, sondern natürlich auch auf die Forschung. Ohne Feldforschung in Ägypten und im Sudan braucht es auch in meinen Projekten eine gewisse Flexibilität und Umplanung. Im Wintersemester konnte ich diese neuen Herausforderungen optimal mit der Lehre kombinieren.

So war ein Grabungspraktikum in Präsenz geplant, das in alle Arbeitsschritte der archäologischen Feldforschung einführen sollte. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen führte schließlich am Online-Praktikum kein Weg vorbei. Und das lief erstaunlich gut, wenn auch mit aufwendiger Vorbereitung – dank kurzer Videos und Handouts, via Moodle und Zoom und dank kreativer Ideen meiner Mitarbeiter:innen, wie beispielsweise einer „Kuchengrabung“ am eigenen Küchentisch, welche die Grundregeln der stratigraphischen Ausgrabung nicht nur vor Augen, sondern auch in den Mund führte.

Am wichtigsten war mir aber, dass wir die drei Teams des Praktikums tatsächlich ins Feld schickten – und zwar so, wie es aktuell auch für uns möglich ist, mithilfe von Fernerkundung. Die Teams bekamen Luftbilder meiner Grabungskonzession im Sudan und konnten gemeinsam einen Nachmittag lang das Areal sichten, alles Relevante kartieren und ihre Ergebnisse dann im Plenum vorstellen.

Die Resultate aller Teams waren eindrucksvoll und machten vor allem eines klar: Wir können kaum abwarten, wieder ins Feld zu gehen, mit diesen Studierenden oder auch mit anderen, die für die Archäologie brennen. In der Zwischenzeit lassen sich aber allen Erschwernissen zum Trotz Teilaspekte unserer praktischen Arbeit sehr sinnvoll vermitteln.“

Die Eindrücke des Online-Grabungspraktikums wurden von den Studierenden in Blogbeiträgen zusammengefasst.

Gemeinsam an einem Projekt arbeiten

Gözde Çelik ist Studentin an der LMU und Teil der Chefredaktion des Studierendenmagazins philtrat.

„Unter diesen Bedingungen kann es kein Printmagazin geben. Das war die erste Entscheidung und auch Erkenntnis, welche bei uns als Redaktion eines Studierendenmagazins anstand. Unser Team ist ehrenamtlich und mit den Einnahmen aus dem Verkauf decken wir ausschließlich die Druckkosten für das nächste Heft. Somit stand fest, dass wir es uns nicht erlauben konnten, ins Blaue hinein ein Heft zu erstellen. An wen hätten wir es verkaufen können, wenn die Uni leer ist? Danach stand die Frage an: Wie geht es nun aber weiter?

In Zeiten von Distanzlehre ist es umso wichtiger, den Kontakt zueinander nicht zu verlieren und jenseits von Online-Vorlesungen ins Gespräch zu kommen. Dabei war es von besonderer Bedeutung für uns, dass bereits ein Online-Team existierte und philtrat jenseits von Print präsent war. So hatten wir die Infrastruktur wie auch eine Plattform, um weiterhin journalistisch tätig zu sein.

Das erste Online-Semester verlief holprig. Es galt, Print und Online zusammenzuführen, mehr zu kommunizieren und festzustellen, wo es zu Schwierigkeiten kommt, wenn persönliche Begegnungen wegfallen. So wurde die Chefredaktion um unseren Online-Chef erweitert, regelmäßige Treffen wurden eingeführt und an die Stelle von persönlichen Veranstaltungen traten Zoom-Sitzungen und Online-Spiele-Abende.

Es ist natürlich nicht dasselbe. Das ist uns bewusst. Aber es macht weiterhin Spaß und bietet uns die Möglichkeit, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Wir können Erfahrungen sammeln und uns ausprobieren, während wir gleichzeitig die Möglichkeit einer Plattform für Studierendenthemen bieten.“

Vom Lehrenden zum Lernenden

© Conny Mirbach

Andreas Butz ist Lehrstuhlinhaber für Mensch-Maschine-Interaktion und Studiendekan am Institut für Informatik.

„Als Corona uns vor einem Jahr überfallen hat, haben viele an der Uni auf die digitale Lehre gestarrt wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange. Die Technik hatten unsere (Medien-)Informatik-Studierenden und -Lehrenden schnell im Griff, und wir konnten den Kolleg:innen aus anderen Fächern sogar mit einem kleinen technischen Leitfaden aushelfen.

Aber den Umgang miteinander im digitalen Medium statt im Hörsaal mussten wir alle erst neu erlernen. Das Schweigen aus Hunderten grauer Kästchen, wenn man im Zoom-Meeting (wie früher im Hörsaal) einmal eine Frage in die Runde gestellt hat, war geradezu ohrenbetäubend.

Im zweiten Online-Semester waren wir dann alle schon routinierter: Studierende haben sich auch mal getraut, ihre Kameras an zu lassen, Lehrende haben die Mittel des Mediums besser genutzt, Diskussionen in kleine Runden in Breakout-Rooms ausgelagert, wo sie auch wirklich stattfinden, oder gleich auf komplette E-Learning-Modelle wie Flipped Classroom umgesattelt. Was mich dabei heimlich gefreut hat, war zu sehen, wie wir Lehrenden auch wieder zu Lernenden wurden, indem wir uns unser gesamtes Handwerkszeug neu erarbeitet haben.

Ein nach wie vor schwieriges Thema sind aber die Prüfungen in der digitalen Lehre. Diese so zu gestalten, dass sie fair, sicher, anspruchsvoll und gleichzeitig machbar sind, und das auch noch bei über 1.000 Teilnehmern, ist immer noch eine größere Herausforderung als die Lehre selbst.

In das dritte digitale Semester gehen wir statt als schreckensstarre Kaninchen nun schon fast als digitale „alte Hasen“. Wir können bereits auf die ersten digitalen Inhalte vom vergangenen Jahr zurückgreifen und haben wieder Kapazitäten frei, uns den verbleibenden Problemen, insbesondere den Prüfungen, zu widmen. Im vergangenen Jahr haben wir alle viel dazugelernt und ich bin mir sicher, dass auch die Präsenzlehre, wenn sie denn wieder stattfinden wird, durch viele digitale Elemente bereichert bleiben wird.“

Mentoring im Freien

Sophie Appl ist Diplom-Psychologin und bei der Interkulturellen Beratungsstelle der LMU tätig. Sie hat das Walking-Buddy-Projekt ins Leben gerufen.

„Bei unseren internationalen Studierenden haben wir eine große Einsamkeit und eine zunehmende psychische Belastung wahrgenommen. Viele waren in Bezug auf die Corona-Regeln verunsichert und haben sich fast gar nicht aus dem Haus getraut. Deswegen haben wir das Projekt „Walking Buddys“ gegründet und die Studierenden 1:1 vernetzt, damit sie in den Münchner Parks und im Umland gemeinsam spazieren gehen können.

Damit haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Studierenden haben durch Sonne und Bewegung etwas für ihr psychisches Wohlbefinden getan und gleichzeitig einen wertvollen Kontakt in ihrem Alltag aufgebaut. Wir haben viele Dankes-E-Mails erhalten dafür, dass wir etwas Reales machen jenseits der Online-Welt, in der die Studierenden die ganze Woche gefangen sind.

Zusätzlich haben wir einen regelmäßigen Newsletter verschickt mit Tipps zum Spazierengehen und kulturellen Angeboten, die in München noch möglich sind. Beispielsweise gibt es den Kulturlieferdienst, der Live-Konzerte im Freien anbietet, und einige Kioske, wo es sich wie im Café anfühlt.

Das Projekt „Walking Buddys“ wird auch im kommenden Semester weitergeführt. Darüber hinaus planen wir weitere Freizeitaktivitäten, wo wir die Studierenden 1:1 vernetzen, wie z.B. eine City-Rallye. Wir haben in unseren Angeboten generell versucht, das psychische Wohlbefinden der Studierenden zu stärken und sie zu motivieren, trotz Corona aktiv jeden Tag etwas für ihre Lebensfreude zu tun.“

Den digitalen Ozean überwunden

Alexander Sobieska studiert Politikwissenschaft ist Queer-Referent der Studierendenvertretung der LMU.

„Die Verlagerung ins Digitale hat das Leben an der Hochschule verändert. Aus langen Unitagen wurden Zoom-Tage, die man vor dem Laptop verbringt, und an denen man nur aufsteht, um sich einen Tee zu holen. Für viele, die gerade erst in das Studium gestartet sind, oder wie ich, einen Master begannen, ist das digitale Semester eine Herausforderung gewesen – die Zurückhaltung mit neuen Leuten im Seminar, privat ins Gespräch zu kommen und so Freunde zu finden, will überwunden werden – keine leichte Aufgabe.

Und doch wächst man an diesen: Ich habe gelernt, dass man auch über den digitalen Ozean zueinander findet, und dass die Universität, das Diskutieren, Lehren und Lernen miteinander eine Brücke über diesen sein kann.

Meine Erfahrung, dass Dozierende dies versucht haben – in ihren Veranstaltungen durch interaktive Runden oder andere kreative Konzepte, diese Möglichkeit des persönlicheren Austauschs zu erhalten, freut mich sehr und zeigt die Resilienz unseres Hochschullebens.

Speziell nehme ich aus diesem Semester die Bedeutung einer einfachen, aber unglaublich relevanten Frage mit: „Wie geht es Dir/Ihnen?" Gerade vor Beginn eines Seminars persönliche Probleme verschiedenster Natur, die der Großteil der Zugeschalteten nachvollziehen kann oder sogar teilt, kurz anzusprechen, nimmt die Einsamkeit und die Isolation, die mit der sozialen Distanzierung einhergeht.

Darüber hinaus konnte ich auch erleben, wie zu den Treffen unseres Referats eine große Zahl von Studierenden kam, die stärker vernetzt über digitale Plattformen, den Wunsch hatten, sich zu verknüpfen. Es scheint, so meine Lehre aus einem weiteren Corona-Semester, dass das Digitale zwar nicht das Analoge ersetzen kann, sehr wohl aber dessen Geburtshilfe sein kann."

Kennen Sie Studierende oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU, denen in den vergangenen Coronasemestern etwas Besonderes eingefallen ist? Dann schreiben Sie uns!

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