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Der richtige Dreh

17.07.2017

Mit einem neuartigen Ringlaser können LMU-Geowissenschaftler die Rotationsbewegungen der Erde weit genauer und detaillierter vermessen als bislang möglich. In dieser Woche wird die Anlage in Fürstenfeldbruck offiziell eingeweiht.

Bislang hat die Wissenschaftswelt das Städtchen Fürstenfeldbruck, rund 20 Kilometer westlich von München, nicht unbedingt als Hotspot wahrgenommen. Doch nun haben Geowissenschaftler von LMU und Technischer Universität München (TUM) dort eine Anlage in Betrieb genommen, die wissenschaftlich durchaus Maßstäbe setzt. Zwischen Äckern und Wiesen haben sie ein hunderte Kubikmeter großes Präzisionsgerät im Grund versenkt, das die Rotationsbewegungen des Bodens so detailliert vermessen soll, wie keine andere Maschine es bislang kann.

Die Konstruktion bringt sogar die Redakteure des hochangesehenen, ansonsten aber eher nüchternen Fachblattes Science ins Schwärmen. Der neuartige Ringlaser, so heißt es in einem Nachrichtenfeature des Wissenschaftsmagazins, sei das „weltweit raffinierteste“ Gerät seiner Art. ROMY (Rotational Motions in Seismology) heißt das Projekt, wissenschaftlicher Leiter ist Heiner Igel, Professor für Seismologie an der LMU. Für seine Arbeiten und das ROMY-Konzept hatte der Europäische Forschungsrat (ERC) Igel mit einem der begehrten und hochdotierten Grants ausgezeichnet, die Universität stockte das Budget noch auf. Mittlerweile sind die ersten Experimente gelaufen, am Freitag dieser Woche wird die Anlage offiziell eingeweiht.

Alles andere als eine perfekte Kugel Ringlaser sind empfindliche Rotationssensoren, mit ihnen lässt sich die Drehung der Erde präzise vermessen. Der Planet ist ständig in Bewegung; er wandert um die Sonne und dreht sich dabei um die eigene Achse. Doch dieser Kurs ist nicht immergleich, er zeigt minimale Abweichungen. Ein wenig eiert die Erde wie ein Kreisel: Die Achse schwankt leicht, der Drive ist nicht konstant. Starke Winde in der Atmosphäre und die Meeresströmungen zerren am Globus, Erdbeben rütteln ihn durch. Ohnehin ist die Erde alles andere als eine perfekte Kugel, da läuft eben nicht alles rund.

Die minimalen Unterschiede in der Erdbewegung genau bestimmen zu können – das ist keine akademische Frage. Jedes GPS-System arbeitet zum Beispiel auf Dauer nur erfolgreich, wenn solche Abweichungen in die Positionsbestimmung einfließen. Die derzeit gängige Methode dafür ist die sogenannte Langbasisinterferometrie (VLBI), bei der mit einem weltweiten Netz aus Radioteleskopen Quasare in den Tiefen des Universums, Millionen von Lichtjahren entfernt, angemessen werden. Doch sie ist aufwendig und liefert Ergebnisse erst um Tage zeitverzögert. Der Münchner Ringlaser, so hoffen die Wissenschaftler, könnte sich da als mindestens ebenso genau, aber deutlich schneller erweisen. Die Messergebnisse sollen in Sekundenschnelle vorliegen.

LMU-Seismologe Igel aber will mit dem neuen Highend-Messgerät gleichsam in eine neue Dimension vorstoßen und Bodenbewegungen kleinteiliger analysieren. Denn wenn ein Beben die Erde erschüttert, bewegt sich der Boden nicht nur auf und ab und hin und her. Es gibt beispielsweise auch Kipp- und Drehbewegungen, bei denen ein bestimmter Punkt im Raum seinen Ort nicht verändert. Es sind dies Bewegungen, die die Seismologen bislang vernachlässigt haben. Vernachlässigen mussten, weil es, so Igel, keine Möglichkeiten gab, sie mit herkömmlichen Geräten zu bestimmen. Doch um sich ein vollständiges und realistisches Bild von den Erdbewegungen zu machen, sind sie, anders als lange behauptet, von Relevanz, glaubt Igel.

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